Guten Tag Herr Rummenigge,
ich bin erschüttert! Der spanische Verbandschef Luis Rubiales küsste die Fußballerin Jennifer Hermoso bei der Siegerehrung nach dem WM-Finale auf den Mund - ungefragt. In einer Erklärung forderte Hermoso Konsequenzen für den Verbandschef. Rubiales entschuldigte sich, sagte aber auch, er sehe sich als Opfer von sozialer Hinrichtung. Er habe Hermoso "spontan und ohne jede böse Absicht oder bösen Willen" auf den Mund geküsst.
Dieses Verhalten nennt man sexuelle Belästigung, dieses Verhalten ist eine Form der sexuellen Gewalt.
Karl-Heinz Rummenigge zur Kuss-Attacke: "absolut okay"
Gleichermaßen wie die Tat von Rubiales schocken mich Ihre Äußerungen am Rande der Verleihung der "Sport Bild Awards" dazu. Sie können die ganze Kritik nicht ganz nachvollziehen. Als ehemaliger FC-Bayern-Chef zeigen Sie Verständnis für den umstrittenen Präsidenten des spanischen Fußball-Verbands und sein Verhalten.
Herr Rummenigge, konkret waren Ihre Worte: "Was er da gemacht hat, ist – sorry, mit Verlaub – absolut okay. Ich kann mich erinnern: Als wir letztes Mal die Champions League gewonnen haben, habe ich Männer geküsst – nicht auf den Mund zwar – aber aus Freude."
Ich bin entsetzt! Ich selbst wurde Opfer sexueller Belästigung – mehrfach. Ich kann nicht einmal mehr zählen, wie oft es passiert ist. Und ich bin mir sicher, dass ich hiermit für Millionen anderer Frauen spreche.
Es ist der voyeuristische Blick eines Mannes in der Sauna, es sind die zu intimen Berührungen bei einer medizinischen Massage, es ist das Hinterherpfeifen auf der Straße, es sind die deutlichen sexuellen Sprüche, die mir Männer aus dem Auto entgegenrufen, es sind die ungefragten Küsse fremder Männer, es ist der Griff an die Brust in einem Club, es ist der Griff an den Hintern in einer Bar. All das ist passiert, all das ist inakzeptabel. Wie ich mich dabei fühlte? Machtlos, angeekelt, voller Scham, wütend!
Mehr als jede zweite Frau wird in ihrem Leben Opfer sexueller Gewalt - und die Dunkelziffer?
60 Prozent aller Frauen zwischen 16 und 65 Jahren in Deutschland - also mehr als jede Zweite - werden in ihrem Leben Opfer sexueller Gewalt, zu diesem Ergebnis kam schon vor Jahren eine repräsentative Studie des Sozialministeriums. Dazu zählt auch sexuelle Belästigung.
Die Dunkelziffer der Frauen, die sexuelle Gewalt erleben mussten, ist noch höher als die Zahlen der Studie sagen. Und mit Ihren Äußerungen, Herr Rummenigge, sorgen Sie dafür, dass die Dunkelziffer so hoch bleibt. Mit solchen Aussagen spielen Sie die Vorfälle herunter und lassen vergessen, was sie wirklich sind: Übergriffe. Frauen fühlen sich verunsichert, sie schämen sich und behalten die Taten lieber für sich. Doch die einzigen, die sich schämen sollten, sind die Täter sowie die Menschen, die diese verharmlosen. Ja, Herr Rummenigge, Sie sollten sich schämen!
Die Sichtweise des Opfers ist die einzige, die zählt
Nicht Ihre Sichtweise oder die des Täters bestimmt, was zulässig, "absolut okay" oder hinnehmbar ist - sondern die des Opfers. Wenn eine Frau einen Übergriff, bei dem ihr Kopf stürmisch herangezogen und ihr ein Kuss auf den Mund aufgedrückt wurde, als unangenehm empfindet, dann ist ihre Sichtweise die einzige, die zählt.
Wir haben das Glück in einer Gesellschaft zu leben, die sich stetig weiter entwickelt und die gerade dabei ist, sich und ihre Werte neu zu finden. Sie, Herr Rummenigge, müssen das vielleicht noch verstehen lernen. "Es ist eine Form der sexuellen Gewalt, die wir Frauen täglich erleiden und die bisher unsichtbar war und die wir nicht normalisieren dürfen", schreibt Spaniens Gleichstellungsministerin Irene Montero auf X, vormals Twitter, zu dem Übergriff Rubiales. Diese Stimmen sind ausschlaggebend, um den Wandel in unserer Gesellschaft weiter voranzubringen.
Rubiales hat seine Machtposition als Verbandschef missbraucht
Mir tun nun vor allem die spanischen Fußballerinen leid. Anstatt ihren großartigen Erfolg bei der Weltmeisterschaft zu feiern, dreht sich jetzt alles nur noch um skandalöse Taten und Aussagen der führenden Männer drumherum. Rubiales hat seine Machtposition als Verbandschef missbraucht. Dieser Vorfall steht exemplarisch für die vielen Fälle von Machtmissbrauch, die tagtäglich auf der Welt passieren - nicht nur im Fußball.
Sie als Funktionär und Mitglied des Uefa-Exekutivkomitees sollten sich dafür einsetzen, dass eine offene und tolerante Fußballwelt entsteht. Und das passiert nur, wenn anmaßende und übergriffige Männer zurechtgewiesen werden – und nicht verteidigt.
Es ist höchste Zeit, toxische Männlichkeit aus unserer Gesellschaft zu verbannen.
Mit freundlichen Grüßen
Sophia Scheder, Redakteurin
Liebe Leserinnen, haben Sie auch schon sexuelle Belästigung erleben müssen, ähnliche Erfahrungen gemacht - und würden darüber berichten? Schreiben Sie gerne - wenn Sie möchten, auch anonym - an die Autorin: sophia.scheder@mainpost.de
Aber bitte, das Gesagte mag die Meinung einer Frau Scheder sein. Aber man darf auch anderer Meinung sein, auch wenn die Bekehrer und Belehrer wie so oft ihre Meinung als die einzig zulässige darstellen.
der spanische träner ist für 90 tage suspendiert worden, wegen seines fehltrittes. recht hat die fifa. eine lehre auch für rumenigge und co, die eine andere sichtweise dieser angelegenheit haben.
Jeder Mensch muss doch in jeder Situation und zu jeder Zeit selbst bestimmen können ob und mit wem er intim wird, Zärtlichkeiten Austauscht oder sexuelle Handlungen. Und das ist auch kein banales oder nebensächliches Thema. Das sollte eine absolute Selbstverständlichkeit sein und die Basis jeder Erziehung aber es sind auch fundamentale Menschenrechte.
Ich finde es unglaublich traurig, dass das viele - insbesondere aber scheinbar nicht nur - Männer nicht verstehen (wollen). Es gibt noch viel zu tun. Aber die Reaktion zeigt auch, dass die Mehrheit nicht mehr schweigend zuschaut und eine solches Verhalten nicht (mehr) akzeptiert. Schämen Sie sich Rubiales aber auch Rummenigge und Co.!
Wie so oft liegen sie falsch. Die Mehrheit, wie sie anführen interessiert der Fauxpas des Präsidenten überhaupt nicht. In meinem grossen Bekanntenkreis wird darüber überhaupt nicht gesprochen. In der Presse und vielleicht ihrer Partei ist das ein Thema. Aber solche Nebenkriegsschauplätze sind für ihresgleichen typisch. Und wen interessiert was Rummenigge sagt? Wäre das nicht in der Presse aufgeblasen worden...niemanden! Und jetzt Herr Heilig wenden sie sich wieder den wirklich wichtigen Themen zu.
geschrieben Daniela Friedrich
Aber mal nur so ein Gedanke meinerseits:
Was wäre eigentlich wenn eine Frau ungefragt einen Mann küsst?
- Haß und Hetze verbreiten?
- nur weil hier Redakteure ihre Einzelmeinung vertreten dürfen?
Um die Welt wirklich zu verändern braucht es chon etwas mehr, als so ein im Grunde genommen unbedeutendes Brieflein in einem Lokalblatt.