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Samstagsbrief: Frau Körner, Ihre Holdermühle darf nicht schließen!
Das über die Region hinaus bekannte Ausflugslokal Holdermühle bei Creglingen gibt es nicht mehr. Ein Beispiel für das Wirtshaussterben - und jammerschade, findet unser Autor.
Macht  Schluss in der Holdermühle: Gastwirtin Beate Körner, hier mit ihrem Mann Fritz und dem Balken in der Gaststube, der die Grenze zwischen Bayern und Baden-Württemberg kennzeichnet.
Foto: Hannelore Grimm | Macht  Schluss in der Holdermühle: Gastwirtin Beate Körner, hier mit ihrem Mann Fritz und dem Balken in der Gaststube, der die Grenze zwischen Bayern und Baden-Württemberg kennzeichnet.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 08.02.2024 19:30 Uhr

Sehr geehrte Beate Körner,

das ist so was von jammerschade: Sie haben Ihr Gasthaus Holdermühle bei Creglingen für immer dichtgemacht. Sie sind 71 Jahre alt. Keine Frage: Nun haben Sie den Ruhestand verdient, nachdem Sie in den vergangenen 25 Jahren zusammen mit Ihrem Mann Fritz aus der Mühle ein über Creglingen hinaus bekanntes Ausflugslokal gemacht haben.

Ich schreibe Ihnen, weil ich Ihren Fall als weiteres Beispiel für den Niedergang der Gastronomie gerade auf dem Land sehe. Ein Niedergang, der durch die Corona-Krise beschleunigt worden ist. Auch Sie begründen Ihren Entschluss ja unter anderem mit der derzeit schwierigen Lage, in die Gasthäuser gekommen sind.

Mir ist klar, dass die Gastronomie grundsätzlich kein Zuckerschlecken ist. Das machen Sie, Frau Körner, zum Beispiel deutlich, wenn Sie über die guten alten Zeiten in Ihrem Biergarten sprechen und dabei erwähnen, dass das Bedienen der vielen Gäste "schon eine gewaltige Rennerei" gewesen sei. Mein Respekt vor Ihrer Leistung und der vergleichbarer Wirtsleute.

Dass die Holdermühle nun von der Gastro-Landkarte verschwunden ist, ist aus meiner Sicht jammerschade, weil es damit auch dieses viel zitierte Alleinstellungsmerkmal nicht mehr gibt: Gäste speisen in zwei Bundesländern. Denn mitten durch Ihre ehemalige Gaststube verläuft die Grenze zwischen Bayern und Baden-Württemberg. Ähnliches kenne ich nur von der Weinparadiesscheune bei Bullenheim im Steigerwald, wo man es sich sowohl auf unterfränkischem als auch auf mittelfränkischem Boden gutgehen lassen kann.

Malerisch in der Einsamkeit des Taubertals liegt die Holdermühle. Nun ist das populäre Ausflugslokal ein schillernde Beispiel für das Wirtshaussterben auf dem Land geworden.
Foto: Hannelore Grimm | Malerisch in der Einsamkeit des Taubertals liegt die Holdermühle. Nun ist das populäre Ausflugslokal ein schillernde Beispiel für das Wirtshaussterben auf dem Land geworden.

Wahrscheinlich Tausende von Gästen kennen den Balken in der Gaststube Ihrer Holdermühle und die Markierung im Hof, die die Landesgrenze kennzeichnen. Urig finde ich auch jenen Spruch, der sich einst auf die Kühe auf Ihrem Anwesen bezog: "Sie fressen in Württemberg und scheißen auf Bayern." Der Überlieferung nach ist der Spruch entstanden, nachdem in den 1920er Jahren der Kuhstall kurzerhand über die Landesgrenze hinweg erweitert worden war. Später wurde der Stall zur Gaststube.

Oder diese Besonderheit: Wer sich in Ihrer Wirtschaft auf die bayerische Seite setzte, bekam Bier aus Ochsenfurt. Wer hingegen in Baden-Württemberg Platz nahm, sah Wein aus dem Main-Tauber-Kreis in seinem Glas. Auch das machte Ihre Holdermühle so einzigartig.

Besorgniserregend ist nicht nur das Wirtshaussterben

Ich mag solche Anekdoten und netten Ideen. Das ist Landleben pur. Klar, Landleben ist per se ebenfalls nicht immer ein Zuckerschlecken. Aber stets, wenn ich in Ihrem wunderschönen Taubertal unterwegs bin, dann verzaubert mich diese Idylle. Ihre Holdermühle liegt so herrlich im Nirgendwo, dort muss die Welt doch noch in Ordnung sein, denke ich.

In zunehmendem Maße wird mir klar, dass sie es nicht ist. Zumindest nicht, was mein gerne gepflegtes Ritual bei derlei Wanderungen oder Radtouren betrifft: den Besuch einer Landgaststätte.

Erst neulich habe ich das erlebt: Am Ende einer Wanderung im Steigerwald wollte ich in einem Dorf mit 2500 Einwohnern einkehren. Ein Dorf, das Touristen gewöhnt ist. Ein Dorf, in dem ich an drei Wirtschaften vorbei lief - alle zu. Aufgegeben.

Wohin treibt die Gastronomie in unserer meist ländlichen Gegend? Vielleicht können Sie mir eine Antwort geben, Frau Körner. Es ist im Übrigen nicht nur die Gastronomie, die mir Sorgen macht. Ich wohne selbst in einem Dorf, wo es vor 20 Jahren noch drei Gaststätten, einen Metzger, zwei Bäcker, einen Gemischtwarenladen, einen Schuhmacher und zwei Bankfilialen gab. Heute ist fast alles weg.

Es lebt sich heute nicht einfach auf dem Land, wo das Gasthaus über Generationen hinweg eine Institution war wie die Kirche, der Fußballverein oder die Musikkapelle. Verklärende Nostalgie hilft nicht. Die Generation Z kann mit einem Stammtisch nichts anfangen.

 Rote Steine markieren im Hof der Holdermühle die Grenzen zwischen den Bundesländern. Der Tisch an dem Beate Körner sitzt steht in Württemberg.
Foto: Hannelore Grimm |  Rote Steine markieren im Hof der Holdermühle die Grenzen zwischen den Bundesländern. Der Tisch an dem Beate Körner sitzt steht in Württemberg.

Natürlich sichert Idylle nicht automatisch das Überleben eines Landgasthofes. Schon gar nicht in Zeiten, in denen neben Corona auch der Personalmangel und kritische Arbeitszeitregelungen den Gastwirten die Laune verderben. Immerhin hat Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger 2019 ein Förderprogramm für Dorfgaststätten aufgelegt. Ob es mittelfristig fruchtet, ist zu bezweifeln. Und Sie, Frau Körner, hätten ja auch nichts davon gehabt: Ihre Gaststätte war der baden-württembergischen Stadt Creglingen zugeordnet - geteilte Gaststube hin oder her.

So bleibt mir nur der Wunsch, dass Sie jemanden finden, der Ihre Holdermühle wieder zum urigen Ausflugslokal macht. Alles andere wäre jammerschade.

Mit freundlichen Grüßen,
Jürgen Haug-Peichl
Redakteur

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MP
 
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    Da kann man Ihnen nur recht geben, Herr Haug-Peichl!
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