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Würzburg
Samstagsbrief: Es lebe das Spaghetti-Eis, Herr Fontanella!
In Würzburg wurde der Pizzakarton erfunden. In Mannheim vor genau 50 Jahren das Spaghetti-Eis. Warum nichts über diesen Klassiker geht und es keine 60 Sorten braucht.
Vanilleeis mit einem Kern aus Sahne, Erdbeersoße drüber und weiße Schokostreusel – fertig ist der Klassiker.
Foto: Uwe Anspach, dpa | Vanilleeis mit einem Kern aus Sahne, Erdbeersoße drüber und weiße Schokostreusel – fertig ist der Klassiker.
Alice Natter
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:31 Uhr

Sehr geehrter Herr Fontanella, Sie werden sich vielleicht ein wenig wundern, einen Brief aus Würzburg zu bekommen. Aber warum auch nicht? Immerhin ist Würzburg für die Erfindung eines Italieners fast so bekannt wie für sein Weltkulturerbe, die Residenz. Sie kennen die Geschichte sicher. Dass hier im Unterfränkischen ihr Landsmann Nicola di Camillo anno 1952 – Ihrem Geburtsjahr! - die erste Pizzeria Deutschlands eröffnet hat. „Sabbie di Capri“, Sand von Capri, nannte er seine Bier- und Speisewirtschaft in der Elefantengasse. Weil sich Capri auf Deutsch, Englisch und Italienisch genauso leicht sprach wie es sich schreibt.

Ein Stück Italien jenseits der Alpen. Nicola di Camillo, der aus den Abruzzen stammte und mit den Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg als Küchenhelfer an den Main kam, hat sich Zeit seines Lebens ja immer gegen die Legende gewehrt, dass er die Pizza nach Deutschland brachte. Aber die erste Pizzeria des Landes begründet, das hat er schon. Und weil die US-Soldaten seinen Teigfladen liebte, den di Camillo nicht nur dünn mit Tomaten und etwas Kräutern belegte wie in Italien, sondern dick, mit allem, was der Kühlschrank hergab, wurde das Ganze eine Erfolgsgeschichte.

Den heute überall verbreiteten Pizzakarton hat Würzburgs bekanntester Italiener übrigens auch erfunden. Weil es keine Alufolie gab. Und er sich dachte, der Vater hat Schuhe im Karton verkauft, warum sollte ich das nicht auch mit Pizza machen? Sehr geehrter Herr Fontanella, scusi, verzeihen Sie bitte, das war jetzt weit ausgeholt. Es geht ja um Sie und um das, was Sie erfunden haben.

Es ist Sommer! Es ist Eis-Zeit, vor den Gelaterias bilden sich Menschenschlangen. Und vermutlich wundern Sie sich nicht über diesen Brief. Weil Sie schon seit Jahresbeginn aus der ganzen Republik angesprochen, angefragt, interviewt werden. Und wieder und wieder erklären sollen, wie Sie vor 50 Jahren darauf kamen.

Auf das Spaghetti-Eis! Zurück in die Kindheit! Vergesst Papaya-Eis, Sojamilch-Eis, Champagner-Rucola- oder laktosefreies Basilikum-Avocado-Zitrone-Lavendel-Sonstnachwas-Sorbet. Gorgonzola-Mascarpone, Himbeer-Paprika und alle anderen fünf Dutzend Sorten, die es heute in jeder Eisdiele, die was auf sich hält, aus den Edelstahlbehältern quellen – schön und gut. Alles Quatsch mit und ohne Soße, oder nicht?

Hat 1969 in Mannheim das Spaghetti-Eis erfunden: Dario Fontanella. Und er serviert es noch immer.
Foto: Uwe Anspach | Hat 1969 in Mannheim das Spaghetti-Eis erfunden: Dario Fontanella. Und er serviert es noch immer.

Vor 50 Jahren, da gab es noch keine 60 Sorten. Sondern aus dem Bimmelwagen vielleicht vier oder fünf. Die Kugeln waren klein, die Waffel kostete 20, 30 Pfennig auf die Hand. Hauptsache kalt. Und dann kamen Sie, experimentierten und entwickelten in der Eisdiele Ihres Vaters in Mannheim das Eis, das Kult wurde. Eigentlich, so haben Sie oft erzählt, wollten Sie aus Pistazie, Zitrone, Erdbeere ja die italienische Flagge gestalten, ein Dessert aus kühlem Grün-Weiß-Rot. Das misslang. Ergebnis waren dank schockgefrosteter Spätzlespresse: Eisnudeln.

Der Teller mit den kalten Tomatensoßen-Spaghetti und dem Parmesan soll so echt gewirkt haben, dass Kinder – in freudiger Erwartung eines üppigen Eisbechers - erstmal heulten. Wer die vermeintlichen Pasta probierte, schmeckte Vanilleeis, Erdbeersoße und weiße Schokostreusel – und war glücklich. Hätten Sie das gedacht, lieber Herr Fontanella, dass es Ihr Spaghetti-Eis ein halbes Jahrhundert später noch geben würde? In Ihren Eisdielen, in Mannheim, in Würzburg, in ganz Deutschland und der halben Welt?

Sie wollten sich damals die Kreation ja patentieren lassen für 900 Mark, der Anerkennung wegen. Aber ihr Vater soll viel zu skeptisch und dagegen gewesen sein. Zum Glück, sagen Sie längst: Der Eisbecher wäre nie so bekannt geworden, hätten Sie ihn sich schützen lassen. Er ist zu einem Lieblingseis von uns Deutschen geworden, noch immer sollen rund 25 Millionen Portionen jedes Jahr über die Tresen der Eiscafés von Kiel über Karlstadt bis Konstanz gehen.

Lieber Herr Fontanella, der „Zeit“ haben Sie gerade berichtet, dass Sie selbst gerade die Sorte „Goldene Milch“ sensationell finden. Mit Kurkuma, Muskatnuss, Paradieskörnern und Ingwer. Sehr gesund soll das sein, sagen Sie. Mag sein. Aber ganz ehrlich. So ein echtes Sommergefühl, Urlaubsgefühl, Glücksgefühl – das gibt es doch nur mit dem Schlichten und Einfachen. So wie die beste Pizza in der Pizzeria keinen Räucherlachs, keine Crevetten, keine Chiasamen braucht. Sondern nur gute Tomaten und Mozzarella. So braucht es für ein Stück Glück in der Eisdiele nur . . . Ein gutes Vanilleeis und Erdbeersoße.

Lieber Herr Fontanella, Sie haben Maßstäbe gesetzt. Einen schönen Sommer und herzliche Grüße nach Mannheim, Alice Natter

Und das ist die Antwort von Dario Fontanella:

 
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