Liebe Alexandra Popp,
Wenn ich dieser Tage vor dem Fernseher mitfiebere, denke ich mit Wehmut an meine eigenen Fußballschuhe, die im Keller verstauben. Frauenfußball – wie lange wurde das belächelt und war nur Ziel blöder Sprüche am Stammtisch?
Dein Weg zur bejubelten Mittelstürmerin im Nationaltrikot war sicher kein einfacher. Wurde Thomas Müller wahrscheinlich schon als Fünfjähriger beim Kicken immer nur angefeuert, gab es bei dir und deinen Teamkolleginnen wohl viele Situationen, in denen ihr im besten Fall einfach nur belächelt wurdet.
Ich bin auf dem Fußballplatz aufgewachsen – der große Bruder Fußballspieler, der Vater immer schon Trainer. Ich selbst sollte nicht spielen. "Das ist kein Sport für Mädchen", hieß es. Mit 16 Jahren bin einfach zum Training gegangen. Freilich zu spät, um wirklich etwas zu reißen auf dem Platz. Ich war trotzdem mit 100 Prozent dabei. Wie alle meine Mitspielerinnen. Wer Frauenfußball spielt – ob vor 20 Jahren oder heute – der liebt und lebt diesen Sport mit Leidenschaft.
Die Frauen-Nationalmannschaft zeigt Leidenschaft auf dem Platz
Liebe Alexandra (als Sportlerinnen duzen wir uns doch), und das ist genau das, was ihr gerade zusammen als Mannschaft in England auf dem Rasen zeigt: Leidenschaft. Da passt es übrigens ins Bild, dass der DFB am Donnerstag offiziell für sein Männer-Team von Hansi Flick verkündet hat: "Der Deutsche Fußballbund wird seine Nationalmannschaft künftig nicht mehr aktiv mit der Bezeichnung 'Die Mannschaft' bewerben." Der Begriff werde in Fankreisen kritisch gesehen.
Wichtiger als der Name sei dem DFB das "Auftreten der Nationalmannschaft": "Dass sie auf und neben dem Platz die Werte lebt, für die der DFB steht, dass sie Haltung zeigt, dass sie ihre Fans begeistert, eine Einheit mit ihnen bildet."
Dass so eine Pressemitteilung einen Tag nach eurem grandiosen Einzug ins EM-Finale herausgegeben wird, kann kein Zufall sein. Haltung zeigen, Fans begeistern? Genau das tut der Frauenfußball.
Mit deinen zwei Toren beim 2:1-Erfolg gegen Frankreich hast du Deutschland ins Finale geschossen. Im Spiel warst du dir trotzdem auch nicht zu schade nach hinten zu spurten, um mit zu verteidigen. Und nach der Partie konntest du nicht einmal anständig mitfeiern, weil du dir erst noch deine Ehrung zur "Spielerin des Spiels" abholen musstest.
Qualität der Mannschaft ist die Geschlossenheit
Aber Lob für deine Leistung willst du als Kapitänin gar nicht hören, wie du immer wieder betonst. Eure Qualität ist schließlich die Geschlossenheit. Der Star ist die Mannschaft – damit knüpft ihr an deutsche Fußballtraditionen an.
Und dennoch, liebe Alexandra, das viele Lob musst du dir jetzt gefallen lassen. Es ist doch an der Zeit, dass Leistung im Frauenfußball auch anerkannt wird. Und bei wem kann man dies besser sehen als bei dir?
Mit 31 Jahren hast du im Klub-Fußball alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Dazu Olympisches Gold und der Gewinn der U20-WM. Doch trotz über 100 Spielen im Nationaltrikot ist dies deine erste EM. Zwei Europameisterschaften hast du aufgrund von Verletzungen verpasst, und wäre diese in England nicht wegen Corona verschoben worden – dein Knie hätte eine Teilnahme nicht zugelassen. Diesmal hat dich selbst eine Corona-Infektion drei Wochen vor Turnierbeginn nicht stoppen können.
Alexandra Popp feiert bei der EM in England Rekorde
Statt Karriereende feierst du gerade Rekorde: Noch nie hat eine Spielerin bei einer EM in fünf Spielen hintereinander getroffen. Mit sechs Toren stehst du nun gleichauf mit der Engländerin Beth Mead. Wer als beste Torschützin aus diesem Turnier geht, entscheidet sich am Sonntag im Finale.
Dabei hatte die DFB-Frauen keiner so richtig auf dem Zettel. Jetzt begeistert ihr mit eurer Leidenschaft, Geschlossenheit und einem beeindruckenden Siegeswillen. Nun seid ihr Frauen es, die Fußball zeigen, der einfach echt ist und mitreißt.
Bei eurem Sieg am Mittwoch haben 12,19 Millionen Menschen vor dem Fernseher mitgefiebert. Die ZDF-Übertragung hatte einen Marktanteil von 47,2 Prozent. Dazu gibt es Expertenstimmen, Vor- und Nachberichterstattungen – der Frauenfußball ist dort angekommen, wo er es verdient hat, zu stehen. Bei den Fans.
Deutschland träumt nun vom neunten EM-Titel. Am Sonntag könnte dieser Traum Realität werden, wenn ihr im Finale gegen England auf dem Platz steht – in Wembley vor 90.000 Fans. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz wird darunter sein. Mehr Symbolkraft geht nicht.
Sollten die Männer bei der WM im Winter im Turnierverlauf übrigens ebenfalls so weit kommen, würden sie das Finale am 4. Advent im Lusail-Stadium in Katar bestreiten. Dieser Vergleich alleine zeigt, warum ihr dem Fußball gerade so gut tut!
Liebe Alexandra, es bleibt mir nur zu sagen: Jetzt holt das Ding! Die Fans stehen hinter euch.
Sportliche Grüße,
Julia Back (rechtes Mittelfeld)
Das Interesse wird immer durch die Medien gesteuert. Jetzt wird Frauenfußball gehypt.
Mir ist Männerfußball trotzdem lieber.
Zitat von ihr über die Anfänge in Mädchenmannschaften:
"Die konnten überhaupt nicht Fußball spielen. Ich hab Libero gespielt und konnte einfach bis vors gegnerische Tor durchlaufen. Das war keine Herausforderung für mich.“
Wir drücken die Daumen, viel Erfolg. 😎
Ich habe die Frauennationalmannschaft schon öfters live gesehen. Jedes mal ein Genuss.
Ich habe auch die Herrennationalmannschaft schon öfters live erlebt, da kam es auf den Gegner an. Gegen vermeintliche Underdogs ( Mazedonien, Gibraltar, etc. ) zeigten die Herren schon mal keine große Lust. Das erlebst du bei den Damen nicht.
Des weiteren finden ich es sehr vorbildlich, besonders für den Nachwuchs, dass bei den Damen nicht bei jedem Schiedsrichterpfiff ewig lange lamentiert wird. Bei den Herren ist das leider ständig der Fall, oftmals wird das Ganze noch mit einer abfälligen Geste kommentiert.
Hier können sich unsere Herren der Schöpfung mal ne Riesenscheibe abschneiden.
Ich freu mich jedenfalls morgen auf das Finale und drücke alle Daumen
bei jeder Gelegenheit auf den Rasen ,-)