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WÜRZBURG
Retten Sie das Klima statt Ihre Gewinne, Herr Dr. Schmitz!
Bearbeitet von Alice Natter
 |  aktualisiert: 15.07.2024 08:58 Uhr

Sehr geehrter Herr Dr. Schmitz, es sind beeindruckende Zahlen. Ein Abbaufeld von 85 Quadratkilometer, eine Betriebsfläche von 4380 Hektar, 1350 Millionen Tonnen Kohle im Boden – und 40 Millionen Tonnen davon fördern Sie jedes Jahr. Sicher, für Sie als Vorstandsvorsitzender der RWE AG sind das eher kleine Zahlen. 446 Milliarden Euro setzt Ihr Konzern im Jahr um, Braunkohle ist nur einer von vielen Rohstoffen, aus denen RWE Energie gewinnt – und der Tagebau Hambach auch nur einer von elf Braunkohle-Standorten insgesamt.

Für den Laien, der froh ist, dass Strom aus der Steckdose kommt, sind das trotzdem gewaltige Dimensionen, dieser Tagebau da im Herzen des durchindustrialisierten rheinischen Braunkohlereviers. 1300 Beschäftigte arbeiten dort mit 220 Meter langen und 96 Meter hohen Schaufelradbaggern, nach Ihren Angaben den größten selbstfahrenden Arbeitsmaschinen der Welt, und bewegen täglich 240 000 Tonnen Kohle.

Seit 40 Jahren wird in Hambach gefördert – aber jetzt erst ist der Wald mit seinem Bodenschatz bundesweit richtig bekannt geworden. Und Sie werden in Fernsehtalkshows geladen und sollen Stellung beziehen, warum es richtig ist, dass die Baumsiedlungen der Braunkohlegegner nach Jahren jetzt geräumt werden und Sie nicht länger mit der Rodung warten können, auch wenn Umweltschützer die ganz verhindern wollen. Wegen des hohen ökologischen Werts dieses verbliebenen Altwalds, wegen insgesamt 142 geschützten Arten.

Die Räumungsaktion im Hambacher Forst wurde nach dem tödlichen Sturz eines Journalisten ja vorerst ausgesetzt. Aber roden wollen Sie weiterhin. „Die Annahme, dass der Forst gerettet werden kann, das ist Illusion“, haben Sie bei Maybrit Illner gesagt. Denn wenn der Hambacher Forst stehen bliebe, würde das für Ihr Unternehmen einen Verlust von vier bis fünf Milliarden Euro bedeuten. Vier bis fünf Milliarden! Da soll es lieber den teils hunderte Jahre alten Bäumen an die Wurzel gehen.

Sehr geehrter Herr Schmitz, möglicherweise wissen Sie es ja selbst: Sie kämpfen da mit Ihrem Energieriesen für ein veraltetes Geschäftsmodell. Während die erst im Juni von der Bundesregierung eingesetzte Kohlekommission bis zum Jahresende den Weg in den Ausstieg erarbeiten soll, wollen Sie in diesem Herbst mit der Motorsäge Fakten schaffen und dem 200 Hektar großen, uralten Waldgebiet den Rest geben. Weil davon der Weiterbetrieb des Tagebaus abhänge.

Eben erst wieder ist in Studien bestätigt worden, dass Deutschland dringend seine ältesten und schmutzigsten Braunkohlekraftwerke abschalten muss, falls es die Klimaziele bis 2020 annähernd noch erreichen will. Jahrelang hat Deutschland mit seiner Energiewende rund um den Globus Öko-PR betrieben und sich als klimafreundliches Industrieland gerühmt. Aber jetzt scheint das weltweit beachtete deutsche Energieexperiment zu scheitern. Viele Windräder in der Landschaft, schöne Solardächer überall, hundert Milliarden investiert und trotzdem die CO2-Ziele verfehlt. Auch, weil Sie, statt schnellstmöglich auf die Braunkohle zu verzichten, weiter und immer weiter fördern.

Sehr geehrter Herr Schmitz, es wäre jetzt leicht, die RWE AG als gierigen Konzern zu verteufeln. Sie handeln nach der so uralten wie veralteten gesellschaftlichen Übereinkunft, nach der die Natur des Menschen Untertan ist. Dafür im Jahr 2018 aber letzte Reste eines wertvollen Waldes zu zerstören, ist – man kann es nicht anders formulieren – blanker Schwachsinn. Die klimaschädlichste aller Energieformen gilt es zu stoppen, die Braunkohlekraftwerke müssen vom Netz.

Das Dumme ist: Sie vollziehen die Abholzung des Hambacher Forstes im Einklang mit der Gesetzgebung. Konzerne wie der Ihre haben die rechtsstaatliche Legitimation dazu. Weil die Gesetze nicht vorrangig den Schutz unserer Lebensgrundlagen im Mittelpunkt haben. Sondern den Schutz der Geschäftsinteressen der fossilen Wirtschaft, die die Lebensgrundlagen zerstört. In allen Verfahren hat RWE mit seinen Eigentumsrechten bislang Recht bekommen. Dass mit dem Verlust eines einzigartigen Stileichen-Maiglöckchen-Urwalds die Biodiversität weiter schwindet, dass das Verfeuern der Braunkohle das Klima weiter anheizt, dass gigantische Mengen CO2 emittiert werden, dass Schadstoffe noch und noch in die Luft gepustet werden, ist – de jure – offensichtlich egal.

Es ist müßig, nach Einsicht zu fragen, Herr Schmitz, oder? Man würde gerne wissen, warum Sie und ihre Managerkollegen nicht selbst auf Klimaschutz umstellen. Weil Sie wirklich glauben, dass nur die großflächige Versorgung mit fossiler Energie Wohlstand und wirtschaftliches Wachstum sichert? Man wüsste gerne, warum Sie nicht Ernst machen und über die Ökostrom-Alibi-Unternehmungen hinaus das Geschäft mit den Erneuerbaren Energien richtig vorantreiben. Aber man ahnt es ja: Im nächsten Quartalsbericht wollen sie wieder hohe Gewinne ausweisen. Und Artenvielfalt und gute Luft tauchen in den Zahlen eben nicht auf.

Mit freundlichen Grüßen,

Alice Natter

Einer bekommt Post! – Der „Samstagsbrief“

Jede Woche lesen Sie auf der Meinungsseite am Wochenende unseren „Samstagsbrief“. Was das ist? Ein offener Brief, den ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Figur des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An eine Person, der wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur. Persönlich, direkt und pointiert formuliert wird der „Samstagsbrief“ sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der „Samstagsbrief“ ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir vom Adressaten Post zurück. Die Antwort und den Gegenbrief, den Briefwechsel also, finden Sie dann auf jeden Fall bei allen Samstagsbriefen hier. Und vielleicht bietet die Antwort desjenigen, der den Samstagsbrief zugestellt bekommt, ja auch Anlass für weitere Berichterstattung – an jedem Tag der Woche.
RWE - Rolf Martin Schmitz       -  Rolf Martin Schmitz, Vorstandsvorsitzender von RWE.
Foto: Rolf Vennenbernd | Rolf Martin Schmitz, Vorstandsvorsitzender von RWE.
 
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  • Fr-goetz@t-online.de
    Wer soll denn das Klima retten, das sich unter Wissenschaftlern so langsam herausstellt, dass es ein Turnus ist, der alle 1000 Jahre auf den Planeten Erde stattfindet. Das ganze ist nur Augenwischerei!
    Das man den Forst nicht abholzen braucht um die Natur zu erhalten, ist eine andere Sache, denn da gibt es sinnvolle Alternativen, die man den Lobbyisten vorführen und gegen den Raubbau auch kämpfen muß! Den Wald brauchen wir für die Sauerstoffgewinnung auf dem ganzen Planeten zu sichern. Das betrifft die Abholzung weltweit, auch den Urwald!
    Wir können aber Launen des Universums nicht aufhalten, genauso wenig, wie wenn morgen der Yelloston Nationalpark hochgeht und für uns und unserer Erde eine nicht zu berechnende Katastrophe bedeutet, vielleicht schlimmer wie der Einschlag des Kometen, der damals die Sauriers auslöschte! Oder haben die Grünen und Linken auch gegen so ein Szenario ein Konzept? Diese Erfinder der Erdanziehungskraft! grinsen
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  • TLW-tu_W
    Der Einfluss des Menschen auf den Klimawandel ist wissenschaftlich belegt.
    Warum hören Sie nicht damit auf hier Ihre fake news zu verbreiten?
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