Lieber Markus Lanz, zunächst einmal ist eine Gratulation angebracht: Mitte Mai moderieren Sie zum 1000. Mal im ZDF eine Talkshow, die Ihren Namen trägt. Ich werde zum Jubiläum selbstverständlich auch mal reinschauen, schon aus beruflicher Neugier. Wobei ich heute schon weiß, dass ich mich unendlich ärgern werde. Was mit Ihrer Art zusammenhängt, sich selber gerne reden zu hören. So gerne, dass Sie inzwischen die Unart kultiviert haben, Satzanfänge ständig wiederholen zu müssen.
Zum tausendsten Mal am 17. Mai könnte ich mir gut vorstellen, dass es so läuft: Markus Lanz interviewt Markus Lanz. Zum Thema: Markus Lanz. Genau genommen müsste die Sendung „Ich“ heißen. Dann wüsste wenigstens jeder gleich Bescheid. Vielleicht ist aber auch alles wie immer und es geht mit der Dauer-Floskel „Ich freu mich sehr!“ los.
Was dann folgt, bezeichnen Ihre Fans als raffinierte Ausfragetechnik. Sie würden so toll talken wie sonst keiner. Sie würden die Gäste bei Laune und den roten Faden immer in der Hand halten. Das sehe ich alles nicht. Meine Wahrnehmung ist so: Sie rücken den – durchaus illuster zusammengestellten – Gästen oft zu sehr auf die Pelle. Texten sie zu. Drücken Ihre Meinung durch. Was jedoch oft genug schief geht. Unvergessen ist Alice Schwarzer mit dem Entsetzensruf „Herr Lanz, was reden Sie da?“. Eine Frage, die ähnlich oft auftaucht wie „Ich freu mich sehr!“
Unvergessen in diesem Zusammenhang auch Ihr Gespräch mit Sahra Wagenknecht, die Sie regelrecht bedrängten und so angingen, dass man nur vom Hingucken körperliche Schmerzen bekam. Es war so schlimm, dass es anschließend eine Zuschauer-Petition an das ZDF gab: Der Sender wurde aufgefordert, Sie zu entlassen – wegen verbaler Misshandlung der Gäste und weil man für so etwas ungern Gebühren zahlt.
Das war natürlich übers Ziel hinausgeschossen, zeigt aber, dass Sie nicht unbedingt zu den beliebtesten Talkmastern im Lande gehören. Vielleicht haben die Emotionen auch damit zu tun, dass Sie „Wetten, dass. . . “ an die Wand gefahren haben. Mir geht es jedenfalls so – ich nehme Ihnen das noch heute übel. Gut, vielleicht hatte sich die Sendung überlebt. Womöglich funktionierte die Show tatsächlich nur mit Thomas Gottschalk. Fakt aber ist: Sie haben es sich zugetraut. Das Problem war: Sie haben zwischen Oktober 2012 und Dezember 2014 einfach nicht geliefert. So gar nicht. 16 Sendungen lang Moderatoren-Leere. Die pure Überforderung. Die schönste Samstagabendunterhaltung aller Zeiten – vergeigt.
Das Beste, was sich über Ihre Wetten-dass-Zeit sagen lässt: Sie waren nicht ganz so schlimm wie Wolfgang Lippert, der die Sendung zwischendurch – wohl auch aus einem Versehen heraus – schon mal fast kaputt gemacht hätte.
Aus meiner Sicht haben Sie einfach zu sehr darauf gesetzt, ein Schwiegermuttertyp zu sein. Das mag zu Beginn Ihrer Fernsehkarriere 1995 bei RTL noch einigermaßen funktioniert haben. Mit dem Wechsel zum ZDF im Jahr 2008 folgten Kochshows und eben die abendlichen Talk-Runden dreimal die Woche, aufgezeichnet seit nunmehr neun Jahren in Hamburg.
Das mit Everybodys Darling hat mit den Jahren immer weniger hingehauen. Weil Sie nicht nur harmlos taten – sondern es schlichtweg waren. Gepaart mit einem Unbedingt-gefallen-Müssen. Ihr Hauptproblem aber ist: Sie hören sich in Ihrer triefenden Selbstverliebtheit gerne selber reden. Früher hätte man dazu Quasselstrippe gesagt. Oder Dampfplauderer. Eine eher unangenehme Eigenschaft, die gerade in einer Talkshow zur Folge hat, dass den Gästen oft nur das Nachsehen und damit die Rolle als Statisten bleibt.
Diese Geschwätzigkeit, dieses ständige Ins-Wort-Fallen hat inzwischen für eine neue Maßeinheit gesorgt: ein Lanz. An dieser Obergrenze müssen sich alle Talkshow-Granden messen lassen. Ein Lanz ist beispielsweise ein halber Plasberg.
Um nicht nur herumzumeckern: Es gibt da auch etwas, wofür ich Sie mag. Ein Bildband. Zwar müssen Sie auch dort beim Titel wieder im Mittelpunkt stehen. Aber das Buch ist erste Sahne. Das ist Ihre Berufung: Fotograf. „Grönland: Meine Reise ans Ende der Welt“ ist ein Bildband-Goldstück. In einem der extremsten Länder der Welt haben Sie bei den Eskimos im nördlichsten Dorf der Welt gelebt. Außerdem haben Sie mit dem Sänger Joey Kelly die fünfteilige Abenteuerreihe „Wettlauf zum Südpol“ gedreht – die 400 Kilometer lange Reise war großes Kino.
Keine Ahnung, warum Sie nicht mehr in diese Richtung machen und stattdessen Ihre Lanz-spricht-mit-Lanz-über-Lanz-Talkshow nun in den vierstelligen Bereich hieven müssen. Vielleicht fällt die Floskel-Begrüßung zum Jubiläum wenigstens ehrlich aus: Ich freu mich sehr – auf mich!