In seinem Samstagsbrief an Jürgen Pfau, Vizepräsident des Bayerischen Fußball-Verbands (BFV) und Bezirksvorsitzender für Unterfranken, hat unser Autor nach zwei Schlägereien auf Fußballplätzen in der Region festgestellt, dass es ihm schwerfalle, an den vom Verband gemeldeten "Rückgang von Gewalt und Diskriminierung" zu glauben. Jetzt antwortet Pfau:
"Sehr geehrter Herr Sterzbach,
auch ich habe mit Bedauern feststellen müssen, dass es innerhalb kurzer Zeit rund um Würzburg auf unseren Sportplätzen zu zwei gravierenden Vorfällen mit verbalen und sogar tätlichen Übergriffen gekommen ist, die es so in der Tat in den letzten Jahren bei uns nicht gegeben hat.
In Bergtheim hatte es Mitte der ersten Halbzeit sogar eine faire Geste seitens der Hausherren gegeben, als der vermeintliche Torschütze zum möglichen 2:0 ein vorheriges Handspiel gegenüber dem Unparteiischen zugab, sodass dem Treffer die Anerkennung verwehrt wurde. Dennoch artete die Situation kurz nach Spielende wie bekannt aus.
1,3 Millionen Fußballspiele pro Saison
Losgelöst von beiden Vorfällen haben wir im Amateurfußball in Deutschland im Allgemeinen, speziell auch in Bayern und bei uns im Bezirk immer noch nur niedrige Fallzahlen vorliegen, in denen es zu Gewalthandlungen kommt. Bei rund 1,3 Millionen Fußballspielen in der abgelaufenen Saison 2023/24 hat es deutschlandweit knapp 3700 solcher Vorkommnisse gegeben, was einem Wert von unter drei Promille aller ausgetragenen Spiele entspricht.
Wir bekommen heutzutage durch die sozialen Medien jedoch einzelne Ereignisse nur viel schneller und überhaupt mit, die früher die Grenzen eines Ortes nicht verlassen hatten, sodass man leicht zur Annahme einer vermeintlichen Steigerung kommen kann. Wenn wir nach den Zahlen gehen, ist es zum Glück immer noch die Ausnahme, wenn ein Spiel eskaliert.
Ich möchte trotzdem nichts beschönigen, denn jeder einzelne Vorfall, wenn ein Fußballspiel aus dem Ruder läuft, ist einer zu viel. So wirken die Vorfälle nicht nur auf die vor Ort betroffenen Spieler und Zuschauer ein, sondern sie sind durchaus geeignet, auch das subjektive Sicherheitsempfinden vieler Fußball-Interessierter negativ zu beeinflussen.
Fälle häufen sich und werden heftiger
Hier verhält es sich wie bei einem Einbruch im Umfeld eines Betroffenen, der sein subjektives Sicherheitsempfinden erheblich verschlechtern kann. Dabei ist es für ihn dann unerheblich, dass er in unserer Region aufgrund des allgemeinen Kriminalitäts-Lagebildes überdurchschnittlich sicher lebt. Deshalb setzen wir im BFV alles daran, dass auf und neben dem Platz ein respektvoller Umgang gepflegt wird – und die Ausnahmen so selten wie möglich bleiben. Prävention, Aufklärung und konsequente Sanktionen werden unsere Handlungsgrundlagen bleiben.
Dabei kommt uns die aktuelle Entwicklung außerhalb des Sports nicht zu Hilfe. Ich teile ihr Gefühl, dass sich die Fälle häufen, in denen nicht nur der Ton rauer wird, und, wenn es zu Vorkommnissen kommt, dass diese heftiger als früher ausgetragen werden. Das Verhalten aus dem Alltag "schlägt" sich leider in Einzelfällen auch im Sport nieder.
Diese gesellschaftlichen Tendenzen machen vor dem Fußball nicht halt und sind von diesem allein auch nicht umkehrbar. Neben einer Verrohung der Sprache kommt es häufiger als früher dazu, dass den Worten auch Taten folgen. Gerade der Fußball, der alle Bevölkerungsschichten anspricht und die Sportart mit den meisten Aktiven in unserem Land ist, hat folglich auch mit mehr Vorfällen zu kämpfen als andere Sportarten.
Zuschauer tragen mit zur Eskalation bei
Auffällig ist, dass in jüngerer Vergangenheit die Emotionen zunächst beziehungsweise nicht nur bei den Aktiven auf dem Platz überhandnehmen, sondern oft von außen, aus den Reihen der Zuschauer, Provokationen ins Spiel gebracht werden, die zum Eskalieren mit beitragen.
Der eigene Erfolg wird angestrebt, koste es, was es wolle, und Entscheidungen unserer Unparteiischen fehlt es oft an der nötigen Akzeptanz. "Sich etwas sagen lassen" können viele einfach nicht mehr. Eine Situation, mit der sich im Alltag leider auch viele (ehrenamtliche) Hilfs-, Rettungs- und Einsatzkräfte konfrontiert sehen.
Trotzdem lassen wir uns nicht entmutigen in unserem Handeln, dass es auf unseren Fußballplätzen weiterhin fair zugeht. Die Zeichen der Zeit erkennend, haben wir im BFV bereits im Sommer letzten Jahres eine AG-Gewalt gebildet, der ich selbst vorstehe. Neben der Förderung fairen Verhaltens durch unsere Fair-ist-mehr-Aktion werden wir zeitnah und konsequent noch schneller tätig, wenn es zu gewalttätigen Vorfällen gekommen ist. Wir haben unsere Melde- und Informationswege optimiert, sodass wir noch angepasster handeln können.
BFV kooperiert mit der Staatsanwaltschaft
Gespräche mit auffällig gewordenen Klubs, Spielbeobachtungen, offen und verdeckt, sowohl vor einer Gefährdungslage als auch nach entsprechenden Vorkommnissen, ausgewählte Schiedsrichter-Ansetzungen und ein verpflichtender Platzordnungsdienst, der neben dem Heim- auch den Gastverein mit einbindet, der Einsatz von BFV-Konfliktmanagern und Gewalt-Trainern tragen dazu bei, dass die ganz große Masse der Spiele ordentlich ablaufen.
Neben präventiven Maßnahmen erfahren Beteiligte, wenn es zur Eskalation wie jüngst gekommen ist, die entsprechende "sportgerichtliche Würdigung". Zu längerfristigen Sperren und empfindlichen Geldstrafen kann auch die Pflicht zu einem Anti-Gewalt-Training kommen, um bei dem Einzelnen eine längerfristige Verhaltensveränderung zu erreichen.
Seit Februar 2024 kooperiert der BFV zudem mit der Generalstaatsanwaltschaft München: eine neue, deutschlandweit einmalige Zusammenarbeit zur Bekämpfung von Straftaten im Spielbetrieb und in dessen Umfeld. Dazu gehören herabwürdigende oder diskriminierende Äußerungen oder Handlungen gegen Menschen. Erste Verurteilungen mit Strafen bis zu 3000 Euro machen deutlich, dass unsere Sportplätze eben kein rechtsfreier Raum sind.
Emotionen beim Sport ja, aber friedlich
Lieber Herr Sterzbach, den Exzess Einzelner werden wir wohl nie in Gänze verhindern können. Aber mit den initiierten Maßnahmen und zusammen mit den Verantwortlichen in unseren Vereinen, die die Herausforderungen unserer Zeit mit uns positiv angehen – hierunter verstehe ich ausdrücklich nicht nur die jüngsten Vorkommnisse, sondern auch die Auswirkungen des demografischen Wandels – werden wir unser gemeinsames Ziel weiterverfolgen:
Dass auch in Zukunft auf unseren unterfränkischen Sportplätzen mit Emotionen, aber friedlich und von möglichst vielen ausgelassen gekickt werden kann und wird.
Mit sportlichen Grüßen
Jürgen Pfau"