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SCHWEINFURT
Zwischen Witz und Kunst: Spitzweg trifft in Schweinfurt auf Wilhelm Busch
Es geht schon mit einer Überraschung los: Saal 1, sonst immer so etwas wie der Prunksaal jeder Sonderausstellung im Schweinfurter Museum Georg Schäfer, beherbergt diesmal nur kleine Formate, gehängt auf halber Höhe – links Wilhelm Busch, rechts Carl Spitzweg.
Carl Spitzwegs wohl bekanntestes Bild: „Der arme Poet“.
Foto: FOTO Germanisches Nationalmuseum | Carl Spitzwegs wohl bekanntestes Bild: „Der arme Poet“.
Von unserem Redaktionsmitglied Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 29.06.2008 16:07 Uhr

Rein quantitativ gesehen also viel Wand, wenig Bild. Es sind Landschaften, entstanden in den späten Lebensjahren der beiden Künstler, die das Museum in enger Zusammenarbeit mit dem Wilhelm-Busch-Museum Hannover einander gegenüberstellt. Schweinfurt beherbergt die größte Spitzweg-Sammlung überhaupt, Hannover steuert eine ganze Menge Busch-Leihgaben bei.

Spitzweg wurde 1808 geboren, Busch starb 1908. Die beiden stehen also für das gesamte 19. Jahrhundert, eine Zeit, so Kurator Jens Christian Jensen, in der alle Probleme angelegt wurden, die uns heute beschäftigen. Beide haben – wenn auch in verschiedenen Phasen – für die „Fliegenden Blätter“ gearbeitet, beide sind für den Humor in ihren Bildern beziehungsweise Bildergeschichten bekannt.

Jensen ist bei der Vorbereitung der Ausstellung auf einen Katalog gestoßen, den er 1971 zu einer Spitzweg-Ausstellung in Kiel gemacht hat. Darin vertritt er die These, dass Busch den Witz Spitzwegs vollendet, dass er dessen Momentaufnahmen in Bewegung umsetzt. Spitzweg zeigt eine Situation mit mehr oder weniger offenem Ausgang, Busch führt sie zielstrebig in die Katastrophe.

Ein ganzer Saal unter der Überschrift „Themenparallelen“ belegt, dass Jensens These Bestand hat: Neben dem Spitzweg-Gemälde mit der mild komischen Pointe hängt jeweils die Busch-Bildergeschichte, die in aller Regel weitaus brutaler endet. So wird dem geschniegelten Gratulanten, der bei Spitzweg ein Blumenbouquet überreicht, kaum Schlimmeres widerfahren, als dass man ihn belächelt. Bei Busch will er dem Mädchen „als Huldigung mit Scherz und Necken / Ein Sträußlein an den Busen stecken“ und fängt sich daraufhin eine wuchtige Ohrfeige ein.

Die Ausstellung zeigt beide als Maler wie als Zeichner, im Falle Buschs eine Entdeckung, denn der berühmte Humorist und Satiriker hielt seine Malerei ausdrücklich geheim. Wo Spitzweg akribisch Farbvaleurs und Licht inszeniert, herrscht bei Busch die Linie vor – auch und gerade in den Ölbildern. Erst nach seinem Tode wurde die Kunstwelt auf den ebenso virtuosen wie ungewöhnlichen Maler Busch aufmerksam, dessen späte Landschaften so gestisch, so reduziert angelegt sind, dass sie bereits das Informel erahnen lassen. Und so kann man diese Ausstellung auf vielen Ebenen angehen. Man kann sich immer wieder an der atmosphärischen Meisterschaft Spitzwegs erfreuen, der durchweg mit Spitzenstücken – vom Kaktusliebhaber über den Bücherwurm bis hin zum armen Poeten – vertreten ist. Man kann Busch als Schöpfer zarter Bleistiftzeichnungen kennenlernen und gleich nebenan die bösen Bildergeschichten des unbeugsamen Moralisten wiederentdecken, in denen das Böse allgegenwärtig und die Strafe unausweichlich ist.

Und man kann sich die Mühe machen und die kleinen Formate mit den späten Landschaften in Saal 1 näher in Augenschein nehmen. Um vielleicht einen Spitzweg zu entdecken, der ganz ohne Pointe auskommt, der nicht viel mehr braucht als Wasser und Himmel. Oder einen Busch, der mit breitem Pinselstrich all seine Energie in diese kleinen Impressionen fließen lässt, die eine so eigentümlich meditative Wirkung entfalten. Vermutlich wird man am Ende des Rundgangs immer wieder in diesen Saal zurückkehren. So gesehen ist er vielleicht doch das Prunkstück der Ausstellung.

„Carl Spitzweg, Wilhelm Busch – Zwei Künstlerjubiläen“ bis 2. November. Dienstag bis Sonntag 10–17, Donnerstag 10–21 Uhr. Katalog (Seemann) 22,90 Euro.

 
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