Den Kunstkennern bei Sotheby's in London fielen reihenweise die Kinnladen herunter, als im Mai bei einer Auktion plötzlich ein Bieterwettkampf um drei Skulpturen von Allen Jones ausbrach. Mancher im sonst eher vornehm-zurückhaltenden Publikum konnte gar einen kleinen Ausruf der Überraschung nicht unterdrücken.
Zu kaufen gab es drei der für Jones typischen Möbelstücke, Frauenskulpturen in provokanten Posen. Jede davon war auf maximal rund 51 000 Euro geschätzt worden. Weggingen sie für jeweils mehr als eine Million. Zwar stammten die Stücke aus der Sammlung von Playboy Gunter Sachs und hatten allein dadurch Kultwert. Doch es zeigte sich auch: Allen Jones ist wieder in. Am 1. September wird der Engländer 75 Jahre alt.
Wirklich out war er sowieso nie, sondern immer eher eine Frage des Geschmacks. Beschimpfen die einen ihn als Frauenfeind oder Latex- und Stiletto-Fetischisten, loben die anderen seine eigene Bildsprache, seine provokante Art und seinen Einfallsreichtum. Er selbst wies die Kritik an seinen Werken, die Frauen oft in untergeordneten Posen, in Latex oder nackt zeigen, einmal so zurück: „Wenn Goya ein Blutbad malte, dann hieß das nicht, dass er es duldete.“
Mit den Möbelstücken – lebensgroße, halb nackte, aus Fiberglas hergestellte Frauenfiguren als Tische oder Hutständer – fing er erst etwas später an. Erotik und die Darstellung des weiblichen Körpers faszinierten ihn jedoch schon früh in seiner Karriere. Von jungen Jahren an widmete er sich der Kunst, ließ sich schließlich zum Kunstlehrer ausbilden. In den frühen 1960er Jahren unterrichtet er Lithografie und Zeichnen in London, später führten ihn Gastprofessuren unter anderem an die Hochschule für Bildende Kunst in Hamburg und die Berliner Hochschule der Künste.
Parallel schuf er sich seine eigene Nische als Künstler. Neben David Hockney oder Richard Hamilton wird er zu den Mitbegründern der englischen Pop-Art gezählt. Bei einem längeren Aufenthalt in den USA Ende der 1960er Jahre entwickelte er eine neue, ganz andere Ausdrucksweise. Er begann, sich hauptsächlich mit Frauenkörpern zu beschäftigen.
In den 1970er Jahren hängte er Latex an seine Gemälde, um das künstlerisch Geschaffene daran zu betonen. Anregung holte er sich nach eigenen Angaben von vielen Seiten: von Künstlern wie Chagall oder Kandinsky, Philosophen wie Baudelaire oder Nietzsche und auch von Kataloggestaltern, Pin-up-Fotografen und Comic-Zeichnern. In den 1980er Jahren setzte sich Jones dann etwa mit den Themen Tanz und Bewegung auseinander. Heute lebt und arbeitet er in Oxfordshire und London. Aus geschiedener Ehe hat er zwei Töchter. Zu seinem 75. Geburtstag widmet ihm die Kunsthalle Tübingen noch bis Mitte September eine Retrospektive, bei der auch selten gezeigte Gemälde und Arbeiten auf Papier zu sehen sind.
Dabei hofft Jones auf die Einsicht der Besucher, dass es ihm nicht um frauenverachtenden Sexismus gehe. Wer Jones verstehen wolle, dürfe den dargestellten Inhalt nicht mit der Botschaft des Kunstwerks verwechseln, erklärt dazu Kurator Daniel Schreiber: „Es sind Fiberglas und Stahl, die in die Möbelform gezwungen werden – und keine Menschen. Nicht um Frauenverachtung geht es dem Künstler, sondern um die Infragestellung von Denkverboten und sittlichen Schranken.“