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Zeugnis der Nazi-Propaganda
Leni Riefenstahl: Ihr Dokumentarfilm über die Olympischen Spiele 1936 wurde vor 75 Jahren uraufgeführt
Redaktion
 |  aktualisiert: 18.04.2013 19:59 Uhr

Hitlers „Lieblingsregisseurin“ Leni Riefenstahl ist wohl die umstrittenste Filmemacherin der Kinogeschichte. Ihr berühmtestes Werk neben der NS-Parteitags-Verherrlichung „Triumph des Willens“ (1935) ist der zweiteilige Dokumentarfilm „Fest der Völker“/„Fest der Schönheit“ über die Olympischen Spiele 1936 in Berlin. Über 40 Kameraleute drehten mehr als 400 Kilometer Film und setzten dabei auch Handkameras, Unterwasserkameras und Kräne ein. Der Film wurde vor 75 Jahren – am 20. April 1938 – in Anwesenheit Hitlers zu dessen 49. Geburtstag im Berliner Ufa-Palast am Zoo uraufgeführt.

Seitdem sind die Urteile gespalten. Die einen sprechen wegen der avantgardistischen Ästhetik der Bilder von einem „Meisterwerk der Filmgeschichte“ und vom besten Sportlerfilm. Hollywood-Regisseur George Lucas nannte Riefenstahl sogar „die modernste Filmemacherin überhaupt“.

Die anderen bezeichnen die 2003 im Alter von 101 Jahren in New York gestorbene Regisseurin dagegen als eine der „bekanntesten Kollaborateurinnen des NS-Regimes“, die ihre Seele verkauft habe. Sie sei eine politisch naive Filmemacherin und Propagandistin des faschistischen Menschenbildes und der NS-Rassentheorie gewesen, so die Kritiker. Das gelte auch für ihren Olympiafilm. Darin greift Riefenstahl zu Beginn auf das alte Athen zurück, um das „Dritte Reich“ quasi als mythischen Nachfolger der Antike zu verherrlichen, zeigt einen von Nebelschwaden begleiteten Fackellauf durch Europa und endet mit dem berüchtigten „Lichtdom“ Albert Speers – geniale Bilder, gleichzeitig aber auch geniale Nazi-Propaganda.

Der Riefenstahl-Biograf und künstlerische Leiter der Deutschen Kinemathek in Berlin, Rainer Rother, spricht nüchtern von einem Film, der – vom Inhalt abgesehen – im Stil völlig neue Wege gehe. Statt nur den rein dokumentarischen Ablauf der Ereignisse zu zeigen, würden filmische Spannungsbögen aufgebaut. Dieser neue Stil sei einer der Gründe, warum der Olympiafilm zum Teil auch internationale Anerkennung fand.

Die deutsche NS-Presse jubelte: „Viele Ausländer werden ihr Urteil über das Dritte Reich gründlich ändern!“ Der Versuch allerdings, das Werk auch in den USA zu platzieren, endete in einem Boykottaufruf. Fast zeitgleich fanden im Hitler-Deutschland die Judenpogrome vom 9. November 1938 statt. Dennoch zählt das Time-Magazin das Werk noch heute zu den „100 besten Filmen aller Zeiten“. Für das Ausland wurden verschiedene Fassungen hergestellt. Im Nachkriegsdeutschland wurde der Film von der Filmbewertungsstelle 1958 unter „entnazifizierenden“ Schnittauflagen freigegeben, die unter anderem die Darstellung von Hakenkreuzen oder Großaufnahmen Hitlers betrafen.

An einer Stelle wurde bei einer deutschen Siegerehrung das sogenannte Horst-Wessel-Lied der SA („Die Fahne hoch“) durch das Deutschlandlied ersetzt. Anders als Riefenstahls Parteitagsfilm „Triumph des Willens“, der bis heute nur für wissenschaftliche oder filmhistorische Zwecke zur Verfügung steht, ist der Olympiafilm in der Fassung von 1958 für öffentliche Vorführungen zugelassen und auch im freien Vertrieb erhältlich.

Riefenstahl stellte sich nach dem Krieg stets als naive Künstlerin dar: „Ich kann nicht einmal die SA von der SS unterscheiden.“ Wie viele andere Deutsche sei sie von Hitler fasziniert gewesen, ohne die andere Seite zu sehen.

Ihr Biograf Rainer Rother sagte mal: „Sie war sicherlich nicht eine verführte Künstlerin, weil sie zu genau wusste, wie man das Spiel spielt, zum Beispiel das ungewöhnlich viele Geld zu bekommen, um ihren kostspieligen Film realisieren zu können.“ Text: dpa

Leni Riefenstahl

Die Tänzerin, Schauspielerin, Regisseurin und Fotografin Helene Bertha Amalia Riefenstahl wurde am 22. August 1902 in Berlin-Wedding geboren, sie starb am 8. September 2003 in Pöcking. Ihr Vater, ein gelernter Zimmermann, später Installateur, war Alfred Riefenstahl, ihre Mutter Bertha Ida Riefenstahl. Leni Riefenstahl wurde durch ihr Regiedebüt „Das blaue Licht“ (1932) eine erfolgreiche und von Hitler umschwärmte Regisseurin. Von 1932 bis 1945 war sie Reichsfilmregisseurin. 1934 äußerte Riefenstahl gegenüber einem britischen Reporter ihre Begeisterung über Hitlers Buch „Mein Kampf“.

Die Urteile sind gespalten: Plakate zu Leni Riefenstahls zweiteiligem Dokumentarfilm „Fest der Völker“/„Fest der Schönheit“ über Olympia 1936.
Foto: Cinetext | Die Urteile sind gespalten: Plakate zu Leni Riefenstahls zweiteiligem Dokumentarfilm „Fest der Völker“/„Fest der Schönheit“ über Olympia 1936.
 
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