Bevor sie über die Regenbogen-Brücke hinauf nach Wallhall ziehen, werden ihre Perücken nochmal gepudert. Nein, die Götter haben immer noch nicht begriffen, worum es geht. Das Aufbegehren Alberichs gegen Wotans Ordnung konnten sie noch einmal mit List und roher Gewalt niederschlagen, aber ihre Zeit ist vorbei, das weiß hier außer ihnen jeder.
Kay Metzger hat Wagners „Rheingold“ in die Endphase des Rokoko transponiert. Der „Vorabend zum Bühnenfestspiel Der Ring des Nibelungen“ ist hier auch der Vorabend der Revolution. Viermal ist die Produktion des Landestheaters Detmold im Theater Schweinfurt zu sehen – die ersten beiden Vorstellungen waren am Wochenende, weitere zwei folgen am kommenden Freitag und Samstag. Die Oper wird zum ersten Mal überhaupt in Schweinfurt aufgeführt. Metzgers Deutung dürfte Wagnerianern das eine oder andere Aha-Erlebnis bescheren, für Wagner-Einsteiger aber könnte sie nicht geeigneter sein. Sie kommt vollkommen ohne altgermanische Monumentalmystik aus, und doch entfaltet das Gemenge aus Macht, Gier und Lust seine ganze schicksalhafte Wucht.
Die historisch-politische Dimension ist nur die oberste Ebene, aber sie funktioniert. Wotan, der für seine Adelsprivilegien immerhin ein Auge geopfert hat, ist nicht wirklich bereit, sich mit den Phänomenen der Neuzeit auseinanderzusetzen. Dass die Bauunternehmer Fasolt und Fafner für die Errichtung von Wallhall den versprochenen Lohn – Freia – einfordern, ist lästig und unverschämt. Und dann ist da noch der bürgerliche Emporkömmling Alberich, dessen Industriehölle Nibelheim sich auch sehr gut in „Metropolis“ machen würde.
Wenn sich die Götter, in gleißendes Weiß gekleidet, um das Gartentischchen scharen, als suchten sie Schutz auch bei den mickrigsten Symbolen ihrer Macht, dann wirken sie wie Figuren auf einem Gemälde von Gainsborough: Vorne glänzt die Seide, aber im Hintergrund braut sich das Unwetter zusammen. Einzig Loge, die kardinalsrote Eminenz, begreift, dass ab jetzt für alle Pracht, alle Macht, ja auch nur fürs blanke Überleben ein Preis zu bezahlen sein wird.
Die Leichtigkeit des Bühnenbilds von Petra Mollérus spiegelt sich in den Stimmen und im Orchester unter der Leitung von Erich Wächter wieder. In Detmold klingt das „Rheingold“ eher nach „Rosenkavalier“ als nach „Götterdämmerung“. Das ist wunderbar – die federnde Transparenz aus dem Orchestergraben (nach ein wenig unsauberem Start) und das großartig singende Ensemble machen den Text fast durchgehend verständlich und erlauben so mozartsche Lebendigkeit auf der Bühne. So gilt der Schlussapplaus zunächst ausdrücklich dem Ensemble, bevor vor allem Rainer Zaun für seinen protzig neureichen Alberich und Johannes Harten für seinen beängstigend verschlagenen Loge Bravi ernten.
Doch auch Mark Morouse als leicht phlegmatischer Wotan, die Rheintöcher Evelyn Krahe (auch als Erda, mit faszinierend dunklem Alt), Catalina Bertucci und Beate von Hahn, die Göttinnen Fricka und Freia (Monika Waeckerle und Marianne Kienbaum-Nasrawi) oder die (Bau-)Riesen Il Hong und Patrick Simper lassen keine Wünsche offen, und so bleiben nach diesem „Rheingold“ die aufregende Freude darüber, wie viel es bei Wagner (wieder) zu entdecken gibt, und vor allem die dringende Hoffnung, dass die restlichen Teile des „Ring“ auch in Schweinfurt zu sehen sein werden.
Weitere Vorstellungen: Freitag und Samstag, 25. und 26. März, 19.30 Uhr. Karten: Tel. (0 97 21) 51 475.