„Sing my Song“ läuft wieder auf VOX. Für Daniel Wirtz aber ist das Tauschkonzert seit drei Jahren Geschichte. Und ohne Medienpräsenz sind's prompt weniger Fans, die den inzwischen weitgehend Bartbefreiten in der Würzburger Posthalle sehen wollen. 300 kamen beim vorletzten Mal, 2015 waren's 1200, jetzt stehen 350 vor der Bühne. Der 42-Jähre nimmt's gelassen: „Ihr habt euch zwar gedrittelt, kompensiert das aber mit Schönheit. Es ist keine Niederlage, einen großen Club mit nur wenigen Leuten zu bespielen. Das ist einfach nur elitär.“ Das sagt er einfach so und gibt Gas: 25 Titel in gut zwei Stunden sind schließlich ein sportliches Programm.
Das wenig Überraschendes bietet, dafür Qualität. Der Rocker hat die Zügel angezogen, sich mit Pascal Kravetz, der auch schon für Peter Maffay und Udo Lindenberg aktiv war, weitere prominente Verstärkung ins Team geholt. Drei Gitarren auf einen Schlag – das macht den Sound um einiges fetter. Auch wenn's ein bisschen im Widerspruch steht zum kuschligen Ambiente in der weit vorn abgehängten Halle. Aber Wirtz widerspricht ja gern, liebt Widersprüche. Da gibt's gleich nach dem nachdenklichen Schleicher „Ich bleib' hier“ wieder auf die Zwölf: Megafon und bissiges Riff – obwohl's in Worten um seinen kleinen Rotzlöffel zu Hause geht. Wirtz ist gern der harte Kuschelbär. Der schwierige Themen nicht scheut. Es gibt kaum intensivere Songs über die teuflische Krankheit Depressionen in der deutschsprachigeren Rockmusik als „Gib mich nicht auf“.
Mal schraubt der Wahl-Frankfurter das Tempo hoch („Auf die Plätze“, „L.M.A.A.“), mal wird's groovig („Auf Wiedersehen“) – das Material ist vielschichtiger, kompletter geworden mit der aktuellen Platte „Die fünfte Dimension“. Von ihr kommen elf der 25 Songs, die live kantiger klingen und damit einige der jüngeren Damen im Saal vor manch Problem stellen, den richtigen Takt beim Hüftschwung zu finden. Dafür feiert der harte Kern Klassiker wie „Leb wohl“ ab. Wirtz wäre nicht Wirtz, wenn er nicht auch eine Meinung zur Flüchtlingsthematik hätte. Seine Anmoderation zu „Frei“ wird zum Plädoyer für Empathie und Nächstenliebe.
Nach einer ersten kurzen Pause sage und schreibe sieben Zugaben herauszukramen, macht auch nicht jeder, wenn die Hütte nicht voll ist. Wirtz, der musikalisch unüberhörbar eine höhere Liga anstrebt, weiß aber zu Gut, dass er dann ein größeres Stadion auch füllen muss – und gibt den Fans, was die Fans wünschen. Zu „Keine Angst“ holt er die Akustische raus, lässt das Publikum eine ganze Strophe singen. Und weil das mittägliche „original fränkische Schäufele“ verdaut sein will, berichtet er in „Ne Weile her“ noch von den Narben des Lebens und hebt sich „Mon Amour“ fürs Finale auf.