
"Manche Häuser haben vor, ihre Türen erst wieder aufzumachen, wenn alles so ist wie vorher. Das wird nicht funktionieren, dann wird niemand mehr vor diesen Türen stehen." Johannes Mnich, Intendant der Tauberphilharmonie in Weikersheim (Main-Tauber-Kreis), hat kein Verständnis für Veranstalter, die während der Corona-Pandemie nur den Kopf einziehen und gar nichts machen.
"Wir sind einer der wenigen Veranstalter, die tatsächlich ein Live-Programm auf die Beine stellen", sagt Mnich. "Wir machen, was geht, und wir halten mit Enthusiasmus und Engagement alle Vorgaben ein. Aber wir sind keine Versuchskaninchen. Bei Konzerten mit Chor oder Bläsern bin ich auch noch zurückhaltend." Die Sicherheit stehe an erster Stelle, ergänzt Elisa Heiligers, zuständig für Marketing und Kommunikation, "aber man darf sich nicht von der Angst beherrschen lassen".
Man müsse sich klarmachen, was monatelange Isolation mit den Menschen mache. Das Bedürfnis nach Kultur und sozialem Kontakt sei inzwischen riesig, eine Zurückhaltung des Publikums beim Kartenkauf nicht festzustellen, im Gegenteil. "Es war ja auch die Kultur, die uns durch die Kontaktbeschränkung gebracht hat. Wir alle haben mehr gelesen, ferngesehen, Musik gehört", sagt Mnich. "Wenn wir als Kulturschaffende in dieser Krise nicht erklären, warum wir wichtig sind, wann dann?"

Es hätte eine fulminante erste Saison werden sollen für das im September 2019 neu eröffnete Konzert- und Veranstaltungshaus in den Tauberauen. Und dann kam Corona. Ab 12. März war Schluss – fast vier Monate lang. Seit einigen Wochen sind auch in Baden-Württemberg wieder Konzerte möglich, zunächst mit 100 Plätzen, inzwischen mit 250, vorausgesetzt, der Abstand von 1,5 Metern wird eingehalten. Im Konzertsaal der Tauberphilharmonie mit sonst 600 Plätzen finden unter diesen Umständen 234 Menschen Platz. Zum Vergleich: In Bayern sind im Saal 200 Plätze erlaubt, egal, wie groß dieser Saal ist.
Sobald wieder etwas ging, hat die Tauberphilharmonie ein Sommerprogramm auf die Beine gestellt – eher kleine Veranstaltungen mit Künstlern aus der Region. Nun liegt das Programm für die kommende Saison ab 10. Oktober mit 36 Terminen vor. Das Motto: "Außergewöhnlich unerwartet". Gemäß dem Anspruch, die Philharmonie möge "ein Haus für alle" sein, ist das Spektrum in Kategorien wie Klassik, Pop, A Cappella und Kabarett groß.

Auf eigenen Wunsch, weil er von Haus und Publikum so begeistert war, kommt der Entertainer Götz Alsmann wieder (26. Juni). Zwischen Klassik und Pop bewegt sich das Vision String Quartet (5. November). Es gastieren das Made in Berlin Quartet um Jungstar Ray Chen (27. Januar) oder die Bamberger Symphoniker. Letztere spielen am Faschingsdienstag (16. Februar) kostümiert den "Karneval der Tiere" und fordern auch das – mutmaßlich mehrheitlich junge – Publikum auf, verkleidet zu kommen.
Johanns Mnich, selbst Pianist, hat zwei große Namen seines Fachs im Programm: Igor Levit, der mit Hauskonzerten in Netz und nicht zuletzt politischen Statements Furore gemacht hat (17. Juli). Und Marc-André Hamelin (6. Februar), dessen technische Versiertheit einst den Studenten Levit in dreitägige Verzweiflung gestürzt hat, wie Mnich erzählt. Mit der Jazzrausch Bigband gibt es einen Tanz in den Mai – "so es denn geht" (Mnich) –, mit Naturally 7 ein prominentes A-Cappella-Septett aus New York.
Einen riesigen Vorteil in Sachen Aerosole hat die Tauberphilharmonie: die hochmoderne Lüftungsanlage. Frischluft kommt aus dem Boden und wird sofort nach oben abgesaugt. "Wir haben 234 Plätze und pusten Luft für 700 Leute in den Saal", sagt Mnich. Bei den ersten Konzerten wurde noch passend zu den Online-Bestellungen bestuhlt, in denen die Besucher angaben, wie sie sitzen wollten oder durften, also in Paaren, Gruppen oder einzeln. Ein riesiger logistischer Aufwand. Für die 234 Plätze ab Oktober wird es wieder Reihenbestuhlung geben, freizulassende Plätze sind dann am schwarzen Display zu erkennen. Eines allerdings bleibt erstmal gleich: Nach jedem Konzert müssen alle Flächen desinfiziert werden.
Anmerkung: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, in Bayern seien Kulturveranstaltungen im Saal nur mit 100 Plätzen erlaubt. Das ist überholt, seit 15. Juli sind 200 erlaubt.