Die US-amerikanische Geigerin Tai Murray war der Star beim Abschlusskonzert des Kissinger Winterzaubers. Im ordentlich besuchten Großen Saal des Regentenbaus löste die 32-Jährige so gut wie alle Erwartungen ein, die sich an die Musikerin richteten.
In Tschaikowskys Violinkonzert kostete die Geigerin insbesondere die lyrischen Aspekte des Konzerts aus, das man durchaus als „Schmachtfetzen“ bezeichnen kann. Die Solistin tat dies zusammen mit dem Symphonieorchester des Nationaltheaters Prag unter Dirigent Gerd Schaller, der auch heuer wieder den musikalischen Schlusspunkt des Kissinger Winterzaubers setzte. Tai Murray spielte beim Tschaikowsky-Konzert vor allem im zweiten Satz ihre Stärken aus. Hier präsentierte sie sich ganz als ausdrucksstarke Poetin. Butterweich im Ton und dennoch präzise erforschte sie die 1001 Melancholien dieser Art von Musik.
Die Virtuosität in den Ecksätzen meisterte sie zwar. Ihr Spiel wirkte aber an den besonders schwierigen Stellen ein wenig angespannt. Grund dafür war, dass sie bei den Tutti-Stellen klanglich keinen leichten Stand gegenüber den Sinfonikern hatte, was nicht am Orchester oder an der Solistin, sondern an dem an sich recht schön klingenden Instrument lag. Denn Tai Murray spielte – wie zurzeit stets – auf einer Geige von Tomaso Balestrieri von etwa 1765. Dieses Instrument klingt auf den beiden mittleren Saiten recht nasal.
Um sich klanglich gegenüber dem Orchester behaupten zu können, musste die Solistin die Violine deshalb mitunter ziemlich kräftig traktieren. Umso genussvoller war die Kadenz des ersten Satzes, in der die Geigerin rein solistisch und ganz befreit aufspielen konnte. Dies galt auch für ihre spannende Zugabe, eine Violinbearbeitung des Gitarrenstücks „Erinnerungen an die Alhambra“ aus der Feder des spanischen Komponisten Francisco Tárrega. Mit Witz und Können entfachte Tai Murray hier ein Feuerwerk an bogentechnischen Kabinettstücken, die das Publikum zu Beifallsstürmen hinrissen.
In die Nähe von Bruckner
Der in Bamberg geborene Dirigent Schaller verstand sich musikalisch bestens mit der US-Solistin und feuerte das Symphonieorchester des Nationaltheaters Prag nicht nur bei Tschaikowsky, sondern auch in den Werken der tschechischen Nationalkomponisten Bedøich Smetana und Antonín Dvoøák zu tollen Leistungen an. Atemberaubend war, wie akkurat und fetzig die Prager die Ouvertüre zu Smetanas Oper „Die verkaufte Braut“ vortrugen.
In Dvoøáks achter Sinfonie bewies Dirigent Schaller große Interpretationskunst und rückte diese slawische Musik durch wunderbare Tempo- und Lautstärkegestaltungen ganz in die Nähe der Sinfonik von Anton Bruckner. Schöne instrumentale Einzelleistungen, allen voran des Ersten Flötisten, sorgten für weitere Höhepunkte.
Als fällige Zugabe gab es den schmelzend dargebotenen zweiten Slawischen Tanz von Dvoøák in e-Moll aus Opus 72.