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MÜNCHEN
Wie RTL II zum Inbegriff von Müllfernsehen wurde
Unterschichtenfernsehen? Verona Feldbusch (Archivbild vom 14. April 1998) moderierte für RTL II die Erotiksendung „Peep“.
Foto: dpa | Unterschichtenfernsehen? Verona Feldbusch (Archivbild vom 14. April 1998) moderierte für RTL II die Erotiksendung „Peep“.
dpa
 |  aktualisiert: 08.01.2016 17:49 Uhr

„Stopp, sonst kriegt sie gleich eins auf die Schnauze“, brüllt Andreas und knallt Tauschmutter Andrea die Tür vor der Nase zu. Eine Frau, die es bei Fans der Sendung „Frauentausch“ inzwischen als „Erdbeerkäse-Nadine“ zu Ruhm gebracht hat, sinniert: „Fernsehen bildet, weil man viel daraus lernen kann – zum Beispiel Kochen lernen, Kindererziehung, Kinderkrankheiten.“ Es sind Szenen wie diese, die RTL II ein zweifelhaftes Image eingebracht haben.

Von Trash-TV (Müllfernsehen) sprechen Kritiker oder vom Unterschichtenfernsehen, und viele Menschen sind wohl dieser Meinung. Für Skandale und Skandälchen war der Sender, der an diesem Mittwoch, 6. März, vor genau 20 Jahren auf Sendung ging und den Geburtstag mit der Jubiläumsshow „20 Jahre RTL II – Die Zukunft ist jetzt“ um 20.15 Uhr feiert, von jeher gut (lesen Sie dazu die graue Infobox rechts).

Westerwelle im Container

„Mit RTL II verbinde ich die Chance, wieder ein paar Dinge im Fernsehen zu probieren, die sich andere nicht getraut haben“, sagt Jubiläumsshow-Moderatorin Sonja Zietlow. Unvergessen der Aufschrei, der durch die Republik ging, als „Big Brother“ mit Zlatko und Jürgen im Jahr 2000 zum ersten Mal den Weg ins deutsche Fernsehen fand – und Guido Westerwelle (FDP) später zu den Insassen in den Container ging. Der Rechtswissenschaftler Werner Frotscher verfasste sogar ein verfassungsrechtliches Gutachten zu „Big Brother“. Fazit: Tätig werden müsse die Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (LPR) zwar nicht. „Gleichwohl bleibt ,Big Brother' in verfassungsrechtlicher wie soziologischer oder gesellschaftspolitischer Hinsicht in der Diskussion.“

Das stellte die Sendung auch unter Beweis. So bescheinigten Medienwächter einer „Big Brother“-Folge 2010 Jugendgefährdung, weil die Kamera beim Duschen zweier Frauen „ausschließlich auf deren Brüste“ gerichtet gewesen sei. „RTL II ist ein Sender, der immer wieder versucht, seine Nische zu finden und etwas zu machen, was es vorher in Deutschland noch nicht gab“, sagt Michael Fingerling, LPR-Programmreferent.

Dort beantragte RTL II vor mehr als 20 Jahren die bundesweite Zulassung, auch heute noch ist die LPR darum für den in Grünwald bei München ansässigen Sender zuständig – und das geht nicht ohne Reibungen vonstatten. Der Sender beschäftigt die Medienwächter in schöner Regelmäßigkeit. Zuletzt war es beispielsweise das Format „X-Diaries – Love, Sun, Fun“ über feiernde Touristen, das Jugendschützern wegen zu viel Sex und Alkohol missfiel. An einem der letzten großen Aufreger war auch die Frau des Ex-Verteidigungsministers beteiligt: Stephanie zu Guttenbergs Sendung „Tatort Internet“ machte im Herbst 2010 Jagd auf pädophil veranlagte Kriminelle und wurde scharf kritisiert. Doch der Sender hat dem Publikum auch Kultformate beschert wie die US-Erfolgsserien „Game of Thrones“ oder „Californication“, die ihren Weg über RTL II ins frei empfangbare deutsche TV fanden.

Auch Eigenproduktionen wurden Kult. Heute sind das etwa die „Scripted Reality“-Sendungen „Berlin – Tag & Nacht“ (mit inzwischen mehr als 2,5 Millionen Facebook-Fans) oder deren Ableger „Köln 50667“. Vor mehr als zehn Jahren löste die Sendereihe „Popstars“ (später bei ProSieben), die die No Angels hervorbrachte, den Boom der Castingshows in Deutschland aus.

Und dann gab es da ja auch noch „Peep“. Zuerst moderierte Amanda Lear das Erotik-Magazin, dann Dieter Bohlens Ex-Frau Verona Feldbusch (heute Pooth) und schließlich Bohlens Ex-Freundin „Naddel“, Nadja Abd el Farrag. Das Jugendmagazin „Bravo TV“ wurde mit Heike Makatsch als Moderatorin 1996 sogar für den Grimme-Preis nominiert – eine von insgesamt fünf Nominierungen in der Sendergeschichte.

„Bravo TV“ ging damals zwar leer aus, dafür gab es die renommierte Auszeichnung im selben Jahr für den RTL-II-Thriller „Der Sandmann“ mit Götz George. „Das war eine Zeit, in der es dem Privatfernsehen noch besser ging und die Sender selbst in Qualität investiert haben“, sagt Ulrich Spies vom Grimme-Institut. Die Zeiten seien aber wahrscheinlich vorbei, auch wenn RTL II als einer der wenigen Privatsender immer wieder beeindruckende Dokumentationen zeigte. Künftig werde der Sender sich wohl vor allem auf das junge Stammpublikum konzentrieren – und auf „Konfektionsware“. „Ich glaube kaum, dass es wieder dahin zurückgeht“, sagt Spies mit Blick auf „Der Sandmann“. „Das war eine rühmliche Ausnahme Mitte der 90er Jahre.“

RTL II

Wichtige Stationen der Sendergeschichte: 1993: Am 6. März geht RTL II auf Sendung. 1995: Am 7. Mai startet das Kult-Erotikmagazin „Peep“. 1996: RTL II bekommt den Grimme-Preis für den Thriller „Der Sandmann“ mit Götz George. 1997: Am 25. Januar findet das erste „The Dome“-Konzert statt. Inzwischen gab es 64 Ausgaben. 2000: „Big Brother“ geht am 28. Februar mit Bewohnern wie Zlatko und Jürgen auf Sendung und löst eine hitzige Diskussion aus. Im selben Jahr bringt die PR-Kampagne für die Show „Expedition Robinson“ RTL II eine Rüge des Deutschen Werberats ein. Auf Plakaten ist ein nacktes Paar mit sichtbaren Geschlechtsteilen abgebildet. 2001: Am 5. Februar startet „Popstars“ und löst den Casting-Boom im deutschen Fernsehen aus. Die Sieger werden zur Band No Angels. 2003: Die Doku-Soap „Frauentausch“ startet am 14. Juli. Sie gilt vielen als Inbegriff des Trash-TV. Inzwischen haben nach Senderangaben mehr als 600 Familien mitgemacht. 2010: Die Show „Tatort Internet“, die pädophile Kriminelle jagt, mit Stephanie zu Guttenberg startet am 7. Oktober und ruft Medienwächter auf den Plan. 2011: Am 12. September startet die Soap „Berlin - Tag & Nacht“, die inzwischen mehr als zweieinhalb Millionen Fans bei Facebook hat. Text: dpa

 
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