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BERLIN
Wie Rosa von Praunheim zum Pionier der Schwulenbewegung wurde
Rosa von Praunheim
Foto: dpa | Rosa von Praunheim
dpa
 |  aktualisiert: 21.11.2012 20:05 Uhr

Rosa von Praunheim hält nichts von falscher Bescheidenheit. „Manche bezeichnen mich als den beliebtesten und manche als den unbeliebtesten schwulen Filmregisseur Deutschlands“, verkündet er im Internet. Mit seiner Dokumentation „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ wurde der Berliner Künstler Anfang der 70er Jahre zum Pionier der Schwulenbewegung. Seither hat er mehr als 70 Filme gedreht – schrill und schräg, satirisch und provokant, aber oft auch überraschend ruhig und poetisch.

Am Sonntag, 25. November, wird Rosa von Praunheim 70. Und wie sich das für einen Paradiesvogel wie ihn gehört, gerät auch der Geburtstag zum Event. In einer Mammutaktion hat er nochmals 70 Filme gedreht. Mit einer Auswahl wird er bei Arte (25. November/23.10 Uhr) in einem großen Themenabend gewürdigt. Sein Berliner Heimatsender RBB (24. November/20.15 Uhr) widmet „Rosas Welt“, wie die neuen Porträts und Kurzdokus heißen, gar 700 Minuten. So viel Sendezeit hatte noch nie ein Dokumentarfilmer im deutschen Fernsehen.

„Ich fühle mich nicht wie 70, eher wie sieben“, sagt Praunheim. „Ich bin noch sehr kindisch oder kindlich.“ Als er 1970 seinen Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers . . .“ drehte, hatte er die Welt noch im Furor verändern wollen. „Der Film entstand aus Wut über die Feigheit der Schwulen, die nichts für ihre eigene Emanzipation getan haben“, erinnert er sich. „Als junger Mensch fühlte ich mich da sehr allein und war wütend.“ Bezeichnenderweise lief die Dokumentation erst 1973 in der ARD, der Bayerische Rundfunk schaltete sich aus der Ausstrahlung aus. Dennoch entstanden in der Folge bundesweit mehr als 50 Schwulengruppen. Die noch bis 1969 strafrechtlich geächtete Liebe zwischen Männern erkämpfte sich schrittweise Anerkennung. „Dass Kunst so etwas leisten kann, ist sehr, sehr selten“, sagt Praunheim.

Zwanzig Jahre später sorgte der Kultfilmer erneut für einen Eklat, als er die TV-Lieblinge Hape Kerkeling und Alfred Biolek in der RTL-Krawallshow „Explosiv – Der heiße Stuhl“ ohne deren Wissen als homosexuell outete. „Ich wollte Leute, die ein bisschen Einfluss hatten, in die Pflicht nehmen“, sagt er. „Aber im Grunde war es etwas Unanständiges.“

Die eigene Homosexualität lebt Praunheim, seit er 19 ist. Das hinderte ihn nicht daran, 1969 für zwei Jahre die Schauspielerin Carla Aulaulu zu heiraten. „Das war ein Gag. Damals gab es Geld für junge Ehepaare, und wir haben das in Filme gesteckt.“ Schon der erste längere Spielfilm, „Die Bettwurst“ (1970) über seine geliebte Tante Luzi, wurde ein großer Erfolg und ist bis heute Kult.

Auch später spielen neben Schwulenthemen und dem Kampf gegen Aids immer wieder starke Frauen eine wichtige Rolle, etwa Lotti Huber („Affengeil“), Evelyn Künneke und zuletzt Eva Mattes. In dem viel beachteten Film „Meine Mütter“ (2008) begab sich der als Holger Radtke geborene Adoptivsohn eines ostpreußischen Ehepaars auf die Suche nach seinen leiblichen Eltern in Riga. Für die Stricher-Dokumentation „Die Jungs vom Bahnhof Zoo“ erhielt er dieses Jahr den renommierten Grimme-Preis.

Praunheim lebt mit seinem halb so alten Lebensgefährten Oliver, seinem früheren Lebensgefährten Mike, zwei Würgeschlangen, vielen weißen Mäusen und seinen zahllosen bunten Hütchen in einer WG im gutbürgerlichen Berliner Stadtteil Wilmersdorf. In einem selbst geführten Interview zu seinem 70. Geburtstag („Rosa fragt Rosa“) sinniert er augenzwinkernd über sein jüngstes Filmpaket: „Ich war mir oft nicht sicher, ob das, was ich mache, Klasse hat. Vielleicht macht es jetzt die Masse.“

 
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