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SEATTLE
Wie Jimi Hendrix zum Gott wurde
Neuartige Klangwelten: Vor 70 Jahren wurde der genialste Gitarrist der Rockgeschichte in Seattle geboren
Von unseren Mitarbeitern Olaf Neumann und Holger Spierig (epd)
 |  aktualisiert: 20.03.2018 09:03 Uhr

Am Dienstag, 27. November, wäre der Mann, der für viele der göttlichste aller Gitarrengötter ist, 70 Jahre alt geworden. Er habe die E-Gitarre zu einem ästhetischen Erlebnis gemacht, so Pete Townshend, Gitarrist von The Who.

Hendrix, der als Linkshänder das Instrument verkehrt herum spielte, schien mit ihm geradezu zu verschmelzen. Er war auch einer der ersten Musiker, die das Heulen der Rückkopplung, wenn die E-Gitarre zu nah an den Lautsprecher kommt, konsequent für ihr Spiel nutzten. Mit Effektgeräten, die teils speziell für ihn entwickelt wurden, stieß er in neuartige, psychedelische Klangwelten vor.

Seine Feedback-getränkte Klangorgie der US-Nationalhymne „Star Spangled Banner“, die Hendrix 1969 auf dem Woodstock-Festival spielte, wurde bald zum Proteststück gegen den Vietnam-Krieg verklärt. Hendrix-Biografen halten das inzwischen für widerlegt. Dass der frühere Fallschirmspringer einer Elite-Einheit „im Herzen ein konservativer Patriot“ gewesen sei, stehe außer Zweifel, schreibt Peter Kemper in seiner Hendrix-Biografie. „Die Amerikaner kämpfen in Vietnam für eine freie Welt“, soll Hendrix einmal erklärt haben. Vermutlich habe es den jungen Musiker einfach nur gereizt, sein Können an einer allseits bekannten Melodie zu demonstrieren, vermuten Experten.

Rockmusik für ein weißes Publikum

Was die Politik anging, hielt Jimi Hendrix sich in Songtexten und Interviews bedeckt. Vereinnahmungsversuchen der militanten schwarzen „Black Panther“-Bewegung wich der Sohn eines Afroamerikaners meistens aus. „Ich möchte einfach tun, was ich tue, ohne in Fragen von Rasse und Politik verwickelt zu werden“, antwortete er auf Vorwürfe, dass er für ein weißes Publikum Rockmusik spiele. Nach der Ermordung des schwarzen Bürgerrechtlers Martin Luther King am 4. April 1968 widmete Hendrix ihm jedoch ein Stück, das dem Publikum die Tränen in die Augen getrieben haben soll.

Geboren wurde James Marshall Hendrix am 27. November 1942 in Seattle als Sohn des Tänzer-Ehepaars Al Hendrix und Lucille Jeter und Enkel einer Indianerin vom Stamm der Cherokee. Kindheit und Jugend bedeuteten Armut, Hunger und Schläge des strengen Vaters, bei dem Jimi nach der frühen Scheidung seiner Eltern aufwuchs. „Als ich klein war, musste Jimi immer auf mich aufpassen“, erinnert sich sein jüngerer Bruder Leon Hendrix, selbst Songschreiber und Gitarrist. „Damit es ihm nicht langweilig wurde, fing Jimi an, Leute wie Chuck Berry, Elvis Presley, Robert Johnson und Muddy Waters zu imitieren.“

Die erste E-Gitarre war selbst gebastelt

Seine erste elektrische Gitarre war das Ergebnis einer Bastelarbeit: Hendrix hatte sich für fünf Dollar eine alte Fox-Klampfe und einen billigen Tonabnehmer besorgt, den er einfach auf den Korpus klebte. „Dieses Instrument spielte er dann über unsere Wohnzimmeranlage“, so Leon. „Was gab das für Rückkopplungen! Jimi war schon damals ein kleines Genie. Wäre er zur Uni gegangen, wäre aus ihm ein Wissenschaftler geworden.“

Stattdessen wurde er in einem geklauten Auto erwischt, nur der Eintritt in die Armee bewahrte ihn vor dem Gefängnis. Nach seiner unehrenhaften Entlassung im Sommer 1962 widmete er sich dem Studium von Blues, Rhythm & Blues und Country und übte und übte. Er tingelte durch die Clubs und Kneipen von Louisiana und Mississippi. Sein Talent blieb nicht lange ein Geheimnis, und so wurde er zum begehrten Mietmusiker von Größen wie Curtis Mayfield, Sam Cooke, Ike Turner oder Little Richard.

Hendrix' Durchbruch kam, als ihn der Bassist der Animals, Chas Chandler, als Manager unter Vertrag nahm. Mit dem Bassisten Noel Redding und dem Schlagzeuger Mitch Mitchell entstand 1966 The Jimi Hendrix Experience. Schon die erste Single, „Hey Joe“, wurde ein Hit.



Im Juni 1967 löste Jimi Hendrix beim kalifornischen Monterey Pop Festival einen Tumult aus, als er seine Stratocaster effektvoll in Flammen setzte. Der – womöglich karriereentscheidende – Gig war durch Paul McCartney zustande gekommen. „Wir hatten auf Tour immer viel Spaß zusammen, stiegen in den besten Hotels in Beverly Hills ab und konnten alle Mädchen haben“, erinnert sich Leon Hendrix.

Doch das Leben als Superstar und die langen, auszehrenden Tourneen forderten ihren Tribut. Hendrix wirkte oft übermüdet. Er klagte darüber, dass das Publikum nur noch nach Sensationen in der Show giere, die Musik selbst aber kaum noch beachte. Wie viele andere Rockstars geriet auch Hendrix in einen Teufelskreis. Er wurde nur noch mit Aufputschmitteln wach, fand nur noch mit Schlaftabletten Ruhe. Der Auftritt beim „Love + Peace Festival“ auf der Ostseeinsel Fehmarn am 6. September 1970 wurde zum Fiasko.

Das geschundene Genie betrat die Bühne mit einem Tag Verspätung. Es sollte sein Schwanengesang werden. Wenig später, in der Nacht zum 18. September, wurde Hendrix von seiner deutschen Lebensgefährtin Monika Dannemann leblos in der gemeinsamen Londoner Wohnung gefunden. Der laut Musikmagazin „Rolling Stone“ größte Gitarrist „aller Zeiten“ hatte Schlaftabletten genommen, Alkohol getrunken – und war an seinem Erbrochenen erstickt. Die Marketingmaschine lief sofort danach an und drückte Hunderte von obskuren Alben in teilweise miserabler Tonqualität in die Läden. Erst ein Vierteljahrhundert später bekam Al Hendrix die Rechte an den Songs seines Sprösslings zugesprochen. Wert damals: 70 Millionen Dollar. Das Familienoberhaupt konnte aber nicht verhindern, dass sich sein Sohn Leon und seine Stieftochter Janie darüber zerstritten, wer von den Tantiemen aus posthum veröffentlichten Songs profitieren soll.

Und noch immer lässt sich mit der Legende Geld verdienen: Eine britische Firma will Hendrix auferstehen lassen – als virtuellen Star in 3D. Sogar „Live“-Auftritte sind geplant . . .



Die wichtigsten Originalalben von Jimi Hendrix

Zu Lebzeiten: Are You Experienced? (mit Jimi Hendrix Experience, 1967). Das Debütalbum der Jimi Hendrix Experience enthält unter anderem „Foxy Lady“ und „Red House“. Die US-Fassung erschien mit neuem Cover und veränderter Titelliste, so fehlen „Red House“, „Can you see me“ und „Remember“, stattdessen finden sich die A-Seiten der Singles „Purple Haze“, „The Wind cries Mary“ und „Hey Joe“. Axis: Bold As Love (mit Jimi Hendrix Experience, 1967). Mit „Little Wing“ und „Castles made of Sand“ sind auf dem zweiten Experience-Album zwei oft gecoverte Balladen.

In Zusammenarbeit mit den Tontechnikern Eddie Kramer und Roger Mayer entstanden psychedelische Gitarrensounds, die den Ruf von Jimi Hendrix als experimenteller Studiomusiker begründeten. Smash Hits (mit Jimi Hendrix Experience, 1968). Das Greatest-Hits-Album enthält die vier erfolgreichen Singles des Debüts. Wieder gibt es eine US-Fassung mit abweichender Titelliste. Noch vor „Electric Ladyland“ wird hier der Song „Burning of the Midnight Lamp“ auf einer Langspielplatte veröffentlicht.

Jedoch ist kein Lied von „Axis: Bold As Love“ enthalten. Electric Ladyland (mit Jimi Hendrix Experience, Doppel-LP, 1968). Das Album entstand bei Sessions mit vielen Gastmusikern, darunter Al Kooper, Dave Mason, Buddy Miles, Steve Winwood sowie Brian Jones. Es enthält unter anderem „All along the Watchtower“, die Coverversion eines Dylan-Songs. „Voodoo Chile“ und „Crosstown Traffic“ befinden sich ebenfalls auf dem Album. Band Of Gypsys (mit der Band Of Gypsys, 1970). Das Album wurde am Silvesterabend 1969 im Fillmore East mit Billy Cox am Bass und Buddy Miles am Schlagzeug aufgenommen. „Machine Gun“, ein Protest gegen den Vietnamkrieg, ist der bekannteste Song. Posthum: The Cry of Love (1971) Rainbow Bridge – Original Motion Picture Soundtrack (1971) War Heroes (1972) Loose Ends (1974) Text: Wikipedia
 

 
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