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Wie das Internet die Literaturkritik verändert
dpa
 |  aktualisiert: 10.12.2013 17:40 Uhr

2013 starb der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki. Seinen Ruf erwarb er sich mit Rezensionen im gedruckten Feuilleton, prominent wurde er durch die TV-Sendung „Das literarische Quartett“. Als er im September starb, sprachen viele vom Ende einer Ära. Nicht nur, dass ein scharfzüngiger, streitlustiger, wiedererkennbarer Intellektueller wie „MRR“ eine Ausnahmeerscheinung war. Auch die Literaturkritik hat sich in seinen letzten Lebensjahren verändert. Das Internet – ein Medium, mit dem sich Reich-Ranicki nie anfreunden konnte – hat eine „Demokratisierung der Literaturkritik“ eingeläutet, glaubt Anna Rokosz (Foto dpa). Die Philologin aus Göttingen hat ein Buch geschrieben über „Literaturkritik zwischen Bestsellerlisten und Laienrezensionen“. Ihre These: „Das Diktieren des Geschmacks von oben“ gehöre der Vergangenheit an. Im Interview wirft sie einen Blick in die Zukunft der Literaturkritik.

Frage: Wie wichtig sind ausführliche, mit einem hohen Anspruch an den Text geschriebenen Rezensionen heute noch?

Anna Rokosz: Diese geschriebenen ausführlichen anspruchsvollen Rezensionen sind sicherlich weiterhin wichtig und werden auch nicht völlig verschwinden. Jedoch üben sie auf den Leser nicht mehr einen ganz so großen Einfluss aus wie früher und treten zunehmend mit anderen Formen der Rezensionen in Konkurrenz.

Welche Rolle spielen Fernsehformate heute in der Literaturkritik?

Rokosz: Große TV-Formate, die sich mit Literaturkritik beschäftigen, werden auch weiterhin ihr Publikum haben. Beispielsweise wird ja auch ein erfahrener Kritiker wie Denis Scheck von vielen Menschen im TV gesehen. Allerdings gewinnt, wie in vielen Bereichen, das Internet auch bei der Literaturkritik immer mehr an Bedeutung.

Welche neuen Formate, Bücher vorzustellen und zu bewerten, haben sich inzwischen etabliert?

Rokosz: Meiner Meinung nach werden Formate wie Kundenrezensionen auf Plattformen wie Amazon für den Buchmarkt immer wichtiger. Auch Literaturblogs erfreuen sich zunehmend immer größerer Beliebtheit. Die Verkaufszahlen von Smartphones nehmen immer mehr zu, so dass nun eine Vielzahl von Menschen auch von unterwegs permanent auf Kaufempfehlungen und Literaturkritik zugreifen kann. Auf diese Weise sind Rezensionen leicht und kostengünstig zu erhalten, und man hat die Möglichkeit, seinen eigenen Kommentar zu dem Buch hinzuzufügen.

Sind Laien-Rezensionen, zum Beispiel auf Amazon, inzwischen einflussreicher als die Texte der Berufs-Kritiker?

Rokosz: Ich glaube, dass tendenziell Laien-Rezensionen für den erfolgreichen Verkauf eines Buches immer mehr an Bedeutung zunehmen, selbstverständlich ist es aber auch weiterhin wichtig für ein Buch, eine gute Bewertung aus der Fachpresse zu erhalten.

Welche Gefahren und welche Chancen sehen Sie in dieser Entwicklung?

Rokosz: Die Chance ist sicherlich darin zu sehen, dass sich jeder Mensch an dem Prozess der Literaturkritik beteiligen kann und nicht nur die Meinung einiger weniger einflussreicher Kritiker veröffentlicht wird. Natürlich muss man auch bedenken, dass, wenn eine sehr, sehr große Zahl von unterschiedlichen Kritiken zu einem Buch erscheinen, es natürlich auch schwieriger wird, die relevanten Informationen für den Nutzer herauszufiltern.

 
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