„Wir wollen nicht einfach viele Cranachs zeigen, sondern verdeutlichen, wie der Hofmaler systematisch zur Verbreitung der Reformation beigetragen hat“, sagt Kurator Timo Trümper. Der promovierte Kunstwissenschaftler ist verantwortlich für die Gothaer Ausstellung „Cranach im Dienst von Hof und Reformation“, die bis 19. Juni täglich von 10 bis 17 Uhr zu sehen ist.
Mit zahlreichen internationalen Leihgaben im Herzoglichen Museum eröffnet sie das Themenjahr „Bild und Botschaft“, mit dem sich Thüringen in die kirchliche Dekade zum Reformationsjubiläum 2017 einbringt. Ein zentrales Werk im Rundgang ist das Gemälde „Gesetz und Gnade“, mit dem Lucas Cranach der Ältere (1472-1553) ein Schlüsselwerk der protestantischen Kunst schuf. Das Bild stelle Martin Luthers Auffassung von der Erlösung des Menschen allein durch Gnade der Vorstellung von der Verdammnis der Hölle gegenüber, sagt Trümper. Damit sei das Gemälde von 1529 „die einzige Bild-Erfindung des Protestantismus“.
Dass Cranach Luthers Rechtfertigungslehre einst in mehreren Varianten gestaltete, wird im Ausstellungsbereich „Katholische Verdammnis und protestantische Erlösung“ durch die Gegenüberstellung mit der Fassung aus der Prager Nationalgalerie deutlich – „ein seltener Glücksfall“, ist Trümper überzeugt. Erläuterungen zu diesem zentralen Aspekt der lutherischen Theologie können an einem Computerterminal abgerufen werden.
Eine weitere hochkarätige Leihgabe ist das Gemälde „Kurfürst Johann Friedrich im Kreis der Reformation“ (um 1538) aus dem Toledo Museum of Art im US-Bundesstaat Ohio. Als sich nach dem Wittenberger Thesenanschlag von 1517 die Herausbildung einer neuen Kirche andeutete, war er bereits 45 Jahre alt. Vor diesem Hintergrund werden schließlich auch Arbeiten des Künstlers aus vorreformatorischer Zeit gezeigt. „Cranach begegnet uns darin als Maler in altkirchlicher Manier“, sagt Trümper. Die Zeit des Umbruchs illustriert das Ausstellungskapitel „Propaganda der fliegenden Blätter“ mit polemischen Drucken und Schriften ebenso wie mit Porträts von Luther und anderen Reformatoren. Viele Exponate belegen, dass Cranach sich schon frühzeitig an den publizistischen Auseinandersetzungen um Kirche, Papst oder Ablasshandel beteiligte.
Mit diesen Arbeiten sei er „zum Propagandisten der neuen Lehre“ geworden, betont der Kurator. Auch das Motiv „Judith mit dem Kopf des Holofernes“ gehört in diesen Bereich: Die Figur der gottesfürchtigen Judith aus dem Alten Testament könne als Schutzpatronin des protestantischen Schmalkaldischen Bundes gedeutet werden. Nicht zuletzt sei die Darstellung von Luthers Hochzeit mit der geflohenen Nonne Katharina von Bora damals so etwas wie „ein politisches Signal“ gewesen, sagt Trümper. Als Hofkünstler kommt Cranach in der Gothaer Ausstellung mit Arbeiten zur repräsentativen Ausstattung der kurfürstlichen Residenzen in den Blick. In Cranachs Werkstatt entstanden dafür zahllose Gemälde nach mythologischen und biblischen Themen. Die allegorischen Lehrbilder sind im Rundgang vereint unter Überschriften wie „Macht der Frauen und Privilegien des Adels“ oder „Kunst zur christlichen Belehrung zwischen Tradition und Erneuerung“. Hinzu kommen Jagd- und Turnierszenen, die nicht zuletzt der Selbstdarstellung des Hofes nach außen dienten.
Schließlich lieferte Cranach Entwürfe für Porträtmedaillen, mit denen das Antlitz der Fürsten im Bild weit verbreitet werden sollte. Gerade am Beispiel der Kurfürstenporträts wird deutlich, wie der Hofmaler parallel zu seinen Arbeiten für die Reformation auch andere Botschaften vermittelte.