Das schönste Geschenk macht sich „Mr. Slowhand“ selbst. Statt wie einst wilde Partys zu feiern, greift Eric Clapton zur Gitarre und spielt sich sein Ständchen: Am 30. März wird der britische Gitarrist und Sänger 70 Jahre alt. Und an gleich sieben Abenden tritt er im Mai zu Geburtstagskonzerten in der Londoner Royal Albert Hall auf. Dort spielt er sich durch sein musikalisches Lebenswerk – es umfasst mehr als fünf Jahrzehnte.
Der Mann, der heute mit Brille und grauem Haar ein eher biederes Studienrat-Image pflegt, muss der Welt nichts mehr beweisen. Er ist einer der letzten Superstars aus der Urzeit des Rock. Dass ein Fan dereinst „Clapton is god“ auf eine Hauswand sprühte, soll zwar auf einen Schreibfehler zurückgegangen sein – angeblich wollte der Mann „Clapton is good“ schreiben –, begleitet den Briten aber noch heute durchs Leben. Der Gitarren-„Gott“ hat den ganzen Wahnsinn des Musikgeschäfts mitgemacht: riesige Erfolge, musikalische Pleiten, Absturz in die Drogen- und Alkoholsucht, persönliche Schicksalsschläge. 1991 starb sein vierjähriger Sohn Conor, als er aus dem 53. Stock eines Apartmenthauses stürzte.
Spieltechnisch haben andere Gitarristen den stillen, aber launischen Musiker zwar schon vor Jahrzehnten abgehängt. Doch bleiben sein ungemein flüssiger Gitarrenton, seine Improvisationsfähigkeit auf dem Griffbrett unerreicht. „Seine Finger sind direkt mit seiner Seele verbunden“, lobt Gitarrenkollege Brian May von Queen.
Wie er zu seinem Spitznamen „Slowhand“ kam, erklärte Clapton so: Mit den Yardbirds habe er damals oft im CrawDaddy Club gespielt, in der Regel Coversongs, die normalerweise drei Minuten lang waren, aber auf fünf bis sechs Minuten gestreckt wurden. Er habe sehr dünne Saiten benutzt, weil man die Töne darauf besser ziehen kann. So sei es ihm häufig passiert, dass eine Saite mitten in einem Stück riss. Während er die neue Saite aufzog, sei das Publikum in ein langsames Klatschen verfallen. Und dieser „Slow Handclap“ habe Giorgio Gomelsky, den Club-Manager, dazu inspiriert, ihn „Slowhand“ zu nennen.
Auf der im Jahr 2011 aktualisierten Liste der „100 Greatest Guitarists Of All Time“ der US-amerikanischen Musikzeitschrift „Rolling Stone“ findet sich Clapton auf Rang zwei, hinter Jimi Hendrix, vor Jimmy Page. Mehr als 70 Millionen Alben hat er verkauft, mit mehreren Bandprojekten und als Solist Rockgeschichte geschrieben. Als einziger Musiker ist er in drei Kategorien in der Rock 'n' Roll Hall of Fame vertreten – zweimal als Bandmusiker, einmal als Solokünstler. 20 Grammys erhielt er, unter anderem für seine Welthits „Layla“ und „Tears in Heaven“, jenen Song, mit dem Clapton seinem toten Sohn ein musikalisches Denkmal setzte. Als erster britischer Musiker überhaupt soll er im Mai in die Blues Hall of Fame der US-amerikanischen Bluesstiftung aufgenommen werden.
Clapton war einer der jungen britischen Musiker, die Anfang der 1960er Jahre den etwas angestaubten Blues neu aufpolierten. Bands wie die Rolling Stones entdeckten die alten Meister aus den USA neu – Robert Johnson, B.B. und Albert King, Muddy Waters, John Lee Hooker. Mit ihrem modernisierten, elektrischen Blues entfachten sie in Europa und im amerikanischen Ursprungsland einen Blues-Boom.
Im Zentrum stand Clapton, der als Wunderkind an der Gitarre galt. Seine Mutter, Patricia Molly Clapton, war bei seiner Geburt erst 16. Sein Vater war ein in England stationierter kanadischer Soldat, der bei der Geburt das Land bereits wieder verlassen hatte. Als uneheliches Kind wuchs Clapton ab seinem zweiten Lebensjahr bei seinen Großeltern mütterlicherseits in Ripley in der Grafschaft Surrey auf. Diese verheimlichten ihm seine Abstammung und ließen ihn in dem Glauben, seine Mutter sei seine Schwester.
Er war gerade 18, als er 1963 bei den Yardbirds einstieg. Zwei Jahre später wechselte er zu John Mayall's Bluesbreakers, einer Talentschmiede auch für Gitarristen wie Jeff Beck und Jimmy Page von Led Zeppelin. Als Mitglied von Cream, einer der ersten Supergroups, revolutionierte Clapton zwischen 1966 und 1968 dann die Rockmusik: Den Blues spielte das Trio mit brachialer Lautstärke und minutenlangen Improvisationen. Es folgte ein Engagement bei einer weiteren, aber sehr kurzlebigen Supergroup namens Blind Faith (mit u. a. Steve Winwood und Cream-Schlagzeuger Ginger Baker). Ab 1970 erweiterte Clapton sein Spektrum mit Elementen aus Folk, Country und Reggae. In den 1980er Jahren schwamm er auf der radiotauglichen Popwelle mit Hits wie „Pretending“. Es war nicht seine beste Zeit: Die 70er und 80er habe er im Drogenrausch vergeudet, schreibt Clapton in seiner Biografie „Mein Leben“. Neuen Aufwind verspürte er 1992 nach der Veröffentlichung seines erfolgreichen Unplugged-Albums für den Musiksender MTV mit der Akustikversion von „Layla“ drauf.
Seit Mitte der 90er Jahre betreibt er Traditionspflege und besinnt sich auf seine Wurzeln: Er spielte Alben mit klassischen Bluestiteln ein, kooperierte mit der Legende B.B. King. „Der Blues hat mich inspiriert und mir Trost bei allen Prüfungen und Sorgen meines Lebens gegeben“, sagte Clapton nach der Veröffentlichung des Albums „From the Cradle“ (1994). Nun gelang es ihm auch, seine Suchtprobleme zu überwinden. Clapton gründete 1995 auf der Karibikinsel Antigua die Drogenklinik „Crossroads“ für einheimische und fremde Süchtige. Zur Unterstützung seines Anti-Drogen-Projekts organisierte er Benefizkonzerte und versteigerte einen großen Teil seiner wertvollen Gitarrensammlung.
Vater von drei kleinen Töchtern
Viele Freunde sind in letzter Zeit gestorben, darunter sein langjähriger Kumpel J.J. Cale, von dem die Clapton-Erfolge „After Midnight“ und „Cocaine“ stammen. Genervt vom Tourstress, kündigte er schon vor einigen Jahren an, dass „mit 70 Schluss“ sein könnte. Er wolle zwar nicht die Musik an den Nagel hängen, aber nur noch einzelne Konzerte spielen, sagte der Vater von drei kleinen Töchtern der Tageszeitung „Die Welt“: „Heute will ich nicht mehr in Hotels wohnen. Ich will auch nicht mehr zum Flughafen fahren. Ich will am liebsten zu Hause sein.“ Clapton ist seit 2002 in zweiter Ehe mit der 31 Jahre jüngeren Melia McEnery verheiratet. Mit ihr hat er drei Töchter. Eine weitere Tochter (*1985) und Conor (1986–1991) stammen aus parallel zu seiner ersten Ehe (1979-1988) mit George Harrisons Ex-Frau Pattie Boyd unterhaltenen Beziehungen zu Yvonne Kelly und Lory Del Santo.
Um die Zukunft des Blues muss man sich keine Sorgen machen: „Die Gitarre ist in sicheren Händen“, sagte Clapton dem „Rolling Stone“. Immer wieder gebe es neugierige Gitarristen, die dieses Genre für sich entdeckten – so, wie einst Eric Clapton selbst, der vor einem halben Jahrhundert die nur noch schwach flackernde Fackel des Blues in die Hand nahm und auflodern ließ. Text: dpa, gl