Es gibt eine endliche Anzahl von Witzen im Universum, hat David Byrne, der große Philosoph und Analytiker des zeitgenössischen Amerika, einmal gesagt. Das trifft auch und gerade auf das Genre der Sitcom zu: Irgendwann wird das Reservoir an Gags erschöpft sein. Es gibt Sitcoms, die gar nicht erst versuchen, in die Randbereiche des bekannten Witzeuniversums vorzudringen. Die einfach die bewährten Muster in neuen Konstellationen wiederholen. Und es gibt Sitcoms, die so virtuos mit dem mehr oder weniger bekannten Repertoire jonglieren, dass tatsächlich Neues zu entstehen scheint. „How I met your Mother“ ist eine solche Sitcom.
Der Titel „How I met your Mother“ erklärt die hochkomplexe Erzählstruktur der Serie, die seit 2005 in den USA und seit 2008 in Deutschland (auf ProSieben) läuft: Der Architekt Ted Mosby erzählt im Jahr 2030 seinen beiden Kindern im Teenageralter, wie er 20 Jahre zuvor deren Mutter kennengelernt hat. Der erste komische Moment der Serie ist sozusagen stilbildend: Während der Vater ganz erfüllt ist von seiner Mission, seine Kinder an der Vergangenheit teilhaben zu lassen, fragt der Sohn nur: „Ist das eine Art Strafe oder so?“
Es ist diese Spannung zwischen großem Gefühl und trocken fatalistischem Witz, von der „How I met your Mother“ lebt. Wir springen also zurück in die Gegenwart und in dieser Gegenwart auch noch dauernd hin und her. Kaum eine Folge wird linear erzählt, immer gibt es Minirückblenden, zeitliche Verzahnungen und nicht zuletzt auch falsche Fährten. Gerade haben wir erlebt, wie die Figuren eine verfahrene Situation mit Verantwortungsbewusstsein und Ehrlichkeit gelöst haben, da kommt auch schon die Stimme aus dem Off: „So jedenfalls hätten wir es machen sollen. Was wir tatsächlich taten, war dies. . .“ Selbstredend geht die Angelegenheit dann diesmal gründlich schief.
Ted bildet also mit seinem College-Freund Marshall, dessen Frau Lily, dem notorischen Frauenhelden Barney und der Fernsehjournalistin Robin eine Fünferclique. Sie sind zwischen Mitte 20 und Mitte 30, leben in New York, und das Leben scheint ein Füllhorn unerschöpflicher Möglichkeiten zu sein. Doch so einfach ist es natürlich nicht. Ted ist ein Romantiker, der sich nichts sehnlicher wünscht, als endlich die Eine kennenzulernen, zu heiraten und mit ihr Kinder zu kriegen. Was überhaupt nicht in die Zeit passt: Nach den wilden, gesetzlosen Siebzigern und Achtzigern und dem großen Aids-Schock danach unterliegen die Rituale zwischen Mann und Frau einem hochkomplizierten Reglement, neben dem die deutsche Steuergesetzgebung lachhaft simpel wirken würde.
Paradoxerweise war es vermutlich nie einfacher, jemanden ins Bett zukriegen: Männer wie Frauen begreifen die Liebe als eine Art Wettbewerb der Willigen, in dem zum Erfolg kommt, wer seine Karten am besten ausspielt. Ted ist der klassische Screwball, der sich permanent in diesem vieldeutigen Regelwerk verliert – ihn verwirrt die Leichtigkeit, mit der die Menschen (Liebes-)Beziehungen eingehen, die ihnen letztlich nichts bedeuten. Andererseits ist er – während er auf die Richtige wartet – nicht bereit, auf Sex zu verzichten. Und so stilisiert er jede neue Beziehung zur möglicherweise endgültigen, was in aller Regel für beide Beteiligten eine Menge Stress bedeutet. Und für den Zuschauer eine wohldosierte Mischung aus Komik, Gefühl und Spannung.
Die Charaktere sind wunderbar komplex gezeichnet: Marshall (Jason Segel), das Riesenbaby aus Minnesota, ein herzensguter Kerl, dessen dunkle Seiten man nicht unterschätzen sollte; Lily (Alyson Hannigan), die Kindergartenlehrerin, klein und süß, vermutlich aber die Härteste von allen; Robin (Cobie Smulders), die Kanadierin mit dem Näheproblem – als Angehörige einer Eishockeynation macht sie bei Männern nichts so an wie Narben ober fehlende Zähne; Barney (Neil Patrick Harris), der One-Night-Stand-Junkie, der – natürlich – doch nur in die Arme genommen und geliebt werden möchte. Und schließlich Ted (Josh Radnor), der witzige, charmante Kerl, der immer alles richtig machen will und deshalb permanent Menschen ziemlich verletzt.
Natürlich steht „How I met your Mother“ in der Nachfolge von „Friends“, einmal gibt es sogar eine liebevoll ironische Anspielung darauf, als sich die Clique in einem Coffee Shop trifft anstatt in ihrer Stammbar – und den neuen Treff sofort wieder verwirft. Aber wenn „Friends“ die These vertritt, dass Freundschaft der beste Panzer gegen eine feindselige Welt ist, erklärt „How I met your Mother“ den Sex zum stärksten Handlungsmotiv überhaupt. Barney, der lange Robin heimlich liebt, weigert sich, jedwede Beziehung einzugehen: „Mit einer Frau zu sprechen, mit der ich bereits Sex hatte, ist, als machte man einen Ölwechsel bei einem Mietwagen.“
Marshall dagegen glaubt, wahre Liebe sei der einzige legitime Grund, Sex zu haben. Worauf ihm seine Frau Lily ziemlich mühelos 50 weitere Gründe aufzählt. Dazwischen Ted, der intellektuelle Grübler, der sich sozusagen mit einem Bündel widersprüchlicher Gebrauchsanweisungen durchs Leben bewegt. Zum Schluss scheint alles doch noch gutgegangen zu sein, sonst könnte Ted ja nicht aus der Zukunft berichten. Aber dieses Wissen nimmt der Serie nichts von ihrer Spannung. Im Gegenteil.