Wes Craven wusste, was die Leute wollen: „Blut! Es ist immer Blut. Da schreien die Leute“, sagte er mal. „Das hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht verändert.“ So simpel das Rezept klingt, so erfolgreich wurde Craven damit. Der Amerikaner wurde zum erfolgreichsten und einflussreichsten Horrorregisseur, der das Genre revolutionierte und gleich mehrere Klassiker schuf. Jetzt ist er mit 76 in seinem Haus in Los Angeles gestorben. Craven litt an Krebs.
Dass aus ihm einer der wichtigsten Regisseure der jüngeren Vergangenheit wurde, war nicht vorhersehbar. Craven wuchs in Cleveland, Ohio – Großstadt, aber doch Provinz – in einer Familie strenggläubiger Baptisten auf: Alkohol, Tabak, Kartenspiel waren verboten, Kino auch. Der junge Wesley studierte Literatur und Psychologie an der renommierten Johns Hopkins-Universität. Nach Hollywood kam er eher aus Versehen. Aber er blieb und erfand ein ganzes Filmgenre neu.
Die Rache von Opfern
„Last House on the Left“ hieß sein erstes Werk, frei nach einem Film von Ingmar Bergman. Er schrieb das Buch und führte Regie: Ein paar junge Männer vergewaltigen und ermorden zwei Mädchen, die Eltern nehmen blutige Rache. Das war und blieb das Rezept des Wes Craven und wurde dutzendfach kopiert: Rache! Die Rache von Opfern oder deren Angehörigen an Tätern. Und die Täter, die zu Opfern werden, sind meistens Teenager – genau wie die Konsumenten dieser Streifen.
Das gilt auch für die „Nightmare“-Filme: Junge Leute träumen, von einem Massenmörder gejagt zu werden, einige werden tatsächlich im Traum ermordet. Der erste Film kostete 1984 gerade mal 1,8 Millionen Dollar und spielte das 15-fache ein. Neun Filme wurden gedreht, eine Fernsehserie, diverse Comics und Ähnliches entstanden. Hauptfigur Freddy Krüger, der Mann mit den Klingenhänden, der vom Täter zum Opfer zum Täter wird, wurde Kultfigur.
Höhepunkt und Ende der Horrorwelle – dachten nur Leute, die nicht Wes Craven waren. 1996 kam „Scream“, und schon war die Angst wieder da. 15 Millionen kostete der Film, das 17-fache spielte er ein. Kein Wunder, dass „Scream 2“ nicht einmal ein Jahr später kam. Und dann noch „Scream 3“ und „Scream 4“ und in diesem Jahr sogar „Scream“ als Fernsehserie. Drew Barrymore, Courteney Cox, Neve Campbell, David Arquette, Rose McGowan, Liev Schreiber, Patrick Dempsey, Jenny McCarthy – keiner war sich zu schade für die Metzelfilme. Und die Maske des Mörders ist heute auf jeder Halloween-Party zu sehen.
Er konnte auch anders. 1999 drehte er mit Meryl Streep das Melodram „Music of the Heart“. Der Film erzählt die wahre Geschichte einer Lehrerin, die nach einer gescheiterten Ehe Kinder in Harlem für Geigenunterricht begeistert und dabei auch wieder zu sich selbst findet. Aber nein, so richtig wollte das keiner sehen. Die Leute wollten Blut von Craven. Selbst mochte der Altmeister des Horrors keinen Horror. Die Filme der Kollegen guckte er nicht, selbst „Alien“ oder Mel Gibsons Bibelverfilmung „Die Passion Christi“ nicht. Der Grund, gab er zu: Er bekomme Angst.