Sie ist eine der berühmtesten Frauen der Welt. Aber nicht nur, weil sie die Witwe John Lennons ist. Yoko Ono, die am 18. Februar ihr 80. Lebensjahr vollendet, war schon vor dem Beatle Avantgardistin – und blieb es nach seinem Tod am 8. Dezember 1980. John Lennon wurde von einem verwirrten Attentäter vor dem Dakota Building am Central Park in New York erschossen. Dort wohnte er mit seiner Frau Yoko und dem gemeinsamen Sohn Sean, und sie wohnt immer noch dort. Über dem Kamin hängt ein Porträt von Lennon, angefertigt in Andy Warhols Factory. Nur wenige Tage nach dem Mord an ihrem Mann hatte sich Yoko Ono an die Menschheit gewandt und zu einer weltweiten Schweigeaktion aufgerufen.
Das war typisch für Yoko Ono. Die gebürtige Japanerin aus vermögender Familie, die als erste japanische Frau Philosophie studieren durfte, machte zwar an der Uni keine Abschlüsse, aber sich selbst, seit 1952 in Amerika, zur Künstlerin. Viele Jahre galt sie nur als exzentrisch, jetzt aber ist ihr Wert als Ikone der Avantgarde-Kunst in der Stilrichtung Fluxus erkannt worden. Yoko Ono genießt eine Anerkennung, die ihr zuvor nie zuteil wurde.
Betriebsnudel der New Yorker Kunstszene
Sie war so etwas wie die Betriebsnudel der New Yorker Kunstszene. Als Konzeptkünstlerin hatte sie sich einige Aufmerksamkeit verschafft. Bei ihrem „Morgenstück“ 1965 lud sie per Flyer Leute auf das geteerte Dach des Mietshauses, in dem sie wohnte. Dort stand ein Tisch mit Glasscherben, auf die sie Daten geschrieben hatte. Es wurden nur wenige verkauft. 1966 filmte sie Dutzende Hinterteile. Später machte sie das Musikvideo „Walking on thin Ice“, und im Video „Fly“ erkundet eine Fliege, bald gefolgt von Artgenossen, den nackten Körper einer Frau bis ins Schamhaargestrüpp. Ihre Kunstaktionen waren meist privat und intim. So durften ihr in der Performance „Cut Piece“ die Zuschauer die Kleider vom Körper schnipseln.
Ono dekonstruierte den Kunstbegriff, ihr Weg verlief zwischen hohem Anspruch und Mainstream. Sie wollte stets das Publikum beteiligen: Es durfte ihre Leinwände betreten und sollte eine Woche lang husten. Sie wollte, dass die Menschen „das Gefühl, am Leben zu sein“ spürten. Sie nannte das „Instruktionen“.
Der sieben Jahre jüngere John Lennon kam zu einer von Onos Aktionen in London. „Wir schauten uns in die Augen, und sie kapierte es, und ich kapierte es, und der Rest ist Geschichte“, erzählte er später einem Biografen. Ihr Einfluss auf den Beatle war gewaltig, sie brachte angeblich die legendäre Gruppe auseinander. Sie war eine Witch, eine Hexe. Das sahen jedenfalls manche Fans so. In Interviews greift Ono das gern auf und meint, sie sei eine „gute Hexe“ gewesen. Eine Fee ist aus ihr bis heute nicht geworden. Immerhin hat Paul McCartney ihr letztes Jahr versöhnend die Hand gereicht und betont, dass Kumpel John durch sie ein anderer, größerer Künstler geworden sei.
In der Frankfurter Schirn läuft ab 15. Februar eine Retrospektive, die danach auf Europa-Tournee geht. In Berlin wird Yoko Ono mit ihrer Plastic Ono Band am Tag vor ihrem Geburtstag in der Volksbühne auftreten, Sohn Sean Ono Lennon wird dabei sein. An Lady Gaga hat sie den Lennon/Ono-Friedenspreis verliehen, ein neues Popalbum ist in Arbeit. In einer Londoner Galerie hat sie einen Raum eingerichtet, in dem Besucher nur sitzen und lächeln konnten, weitere Arbeiten mit Publikumsbeteiligung sind geplant. Immer geht es um den Weltfrieden. Ono scheut kein Risiko. Sie stellt ihr Leben als fortwährendes Experiment aus. Sie„mag sich sanft geben“, schreibt Jordan Mejias in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, der sie in ihrer Wohnung besuchen durfte, „aber darunter ist ein eiserner Wille zu spüren“. Sie will Aufmerksamkeit.
„Give Peace a Chance“, sangen sie und John Lennon. In einem Hotelzimmerbett in Amsterdam – „Bed-in for Peace“ – zeigten sich die Frischverheirateten zwischen den Laken. Was es genau bedeuten sollte, ist unklar, aber auf jeden Fall war es für den Frieden. Als Ikone des Friedens möchte die alte Dame mit dem kessen Hütchen und der obligatorischen Sonnenbrille gesehen werden. Erst jetzt gibt sie preis, dass sie von ihren kultivierten Eltern nie richtige Zuwendung erhielt, dass sie litt unter ihnen und darum einfach experimentierte. Yoko Ono lebt, ja ist das Experiment immer noch, entwirft Männermode, Schmuck, inszeniert Lichtsäulen und verleiht Pussy Riot den selbst gestifteten Friedenspreis.
Yoko Ono
18. 2. 1933: In Tokio geboren 1930er Jahre: Musikschule, erste öffentliche Auftritte 1940er Jahre: Flucht vor Luftangriffen aufs Land, nach dem Krieg an der Tokioter Universität 1952: Wohnortwechsel nach New York 1956: Heirat mit dem japanischen Komponisten Toshi Ichiyanagi 1960er Jahre: Scheidung, Beginn als Konzeptkünstlerin 1962: Heirat mit dem US-Filmproduzenten Anthony Cox 1963: Tochter Kyoko wird geboren 1969: Scheidung, Heirat mit John Lennon, Gründung der Plastic Ono Band, gemeinsame Auftritte 1972: Teilnahme an der documenta in Kassel 1975: Sohn Sean Ono Lennon wird geboren 1980er Jahre: Pflege des Werks ihres ermordeten Mannes, mehrere Alben 1990er und 2000er Jahre: Diverse künstlerische Aktionen in den USA, Europa und Japan Die Ausstellung „Yoko Ono. Half-A-Wind Show“ in der Schirn läuft vom 15. Februar bis 12. Mai, geöffnet Di und Fr bis So. 10 - 19 Uhr, Mi und Do 10 - 22 Uhr. Ono hat eine neue Arbeit („Moving Mountains“) eigens für die Schau entwickelt. Am 13. Februar gibt es die Wiederaufführung einer Aktion von 1965: Bei „Sky Piece to Jesus Christ“ werden Musiker während des Spielens mit Mullbinden umwickelt.
John Lennon und Yoko Ono im Juni 1968