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BERLIN
Wenn Kunst mit Quote paktiert
dpa
 |  aktualisiert: 07.01.2016 14:53 Uhr

Vordergründig mag das neue Buch von Botho Strauß wie eine Abrechnung erscheinen, eine elitäre Abrechnung mit dem Siegeszug des Massengeschmacks in der Kultur. Er attackiert den „Markt des breit getretenen Quarks“ in der Literatur, „dessen Autoren in digitalen Massen sich vordrängen“, er sieht die Kunst liebedienerisch paktieren mit Quote und breitem Publikum.

„Von Massenbewegungen fasziniert, unterschlägt der intellektuelle Götzendienst vor dem Populären die banale Erfahrung, dass diese Anrufung, immer der Quote nach, stete Anpassung nach unten verlangt“, schrieb Strauß schon in einem Vorabdruck aus dem neuen Werk „Lichter des Toren – Der Idiot und seine Zeit“ im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“.

Selbstbetrachtung des Einsamen

Doch das ist nur eine Seite. Strauß' neues Buch ist auch eine melancholische Selbstbetrachtung des Einsamen: „Mehr Mannesschatten als Mann, was da jeden Nachmittag durch die verschneiten Felder schreitet“, schreibt er, und fast sieht man den 68-Jährigen durch die selbst gewählte Abgeschiedenheit der brandenburgischen Uckermark streifen. Er ist der „Stillekoster – er kann nahezu ein Dutzend Stillen unterscheiden“.

Die Welt der Informierten treibt Strauß um, sie erscheint ihm absurd: „Wer sich an technischen Neuerungen berauscht, ist ein Schwachkopf.“ Doch seine Schelte an der digitalisierten Moderne wirkt seltsam und ein wenig wohlfeil – man nimmt es ihm nicht recht ab, wenn er sich über Androidsystem, Blu-ray-Beamer, High-End-Verstärker auslässt.

Spott über Mitteilungsdrang

Um wie vieles gelungener sind seine wie nebenher einfließenden Beobachtungen: „Das Aussenden beherrscht überbordend die Welt, die Leistungen des Empfangens lassen eher nach“, schreibt er mit leisem Spott über den allgemeinen Mitteilungsdrang der Twitter- und Facebook-Süchtigen, zitiert den portugiesischen Mystiker Teixeira de Pascoaes: „Schreiben können viele, lesen aber nur wenige.“ Wer es kann, kann Strauß' neues Buch lesen – es lohnt.

Botho Strauß: Lichter des Toren. Der Idiot und seine Zeit (Diederichs, 176 Seiten, 20 Euro)

 
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