Nicht so einfach, einen selbst ernannten, in seinem Arbeitsstuhl verwurzelten „Geistesmenschen“ umzusiedeln. Auch noch nach Zürich! Und dort die „Sozialgeschichte der Orgie“ schreiben? Geht scheinbar gar nicht! Doch der Wohnungstausch ist vertraglich fixiert, und bis zu dessen fatalem Ende entwickelt sich ein höchst unterhaltsames Spiel voll heftiger Emotionen, neckischem Humor und trefflichen Seitenhieben auf Beziehungskrawall und Vernetzungsfanatismus.
Der erfolgreiche Dramatiker Moritz Rinke stellt in seinem Schauspiel „Wir lieben und wissen nichts“ vier Personen auf die Bühne, deren unterschiedliche Charakterzüge einen turbulenten Beziehungs- und Geschlechterkampf provozieren. Dieses streitbare Quartett ist in der Produktion des Euro Studio Landgraf exzellent besetzt und wird von Regisseur Rüdiger Hentzschel in stimmigem Tempo zu beeindruckenden Leistungen geführt. Zu sehen ist das Stück noch heute, Dienstag, 17. März, und morgen, Mittwoch, 18. März, jeweils ab 19.30 Uhr im Theater der Stadt Schweinfurt.
Sebastian (Helmut Zierl) nimmt sich als begnadeten Kunsthistoriker wahr und lebt auch sonst realitätsfern. Er fürchtet Geräuschterror aus Nachbarwohnungen, wird von einer verrückten Romanidee umgetrieben und sträubt sich gegen neue Kontakte: „Fremde Menschen sind wie Spams!“
Champagner-Vögelchen
Mit diesem elektronischen Schweinkram schlägt sich der bekannte Film- und Fernsehstar ebenso exzentrisch wie naiv herum. Zierl nimmt die Zuschauer im gut besetzten Schweinfurter Theater mit in seine naive Scheinwelt, und seine beißenden Attacken gegen den Netzkolonialismus bis in die ärmsten Winkel der Erde erntet spontanen Beifall: „Die haben nichts zu fressen, sind aber vernetzt!“
Seine Lebensgefährtin Hannah versucht den erfolglosen Schreiberling („Dein Leben besteht aus Vorworten!“) mit gütlichem Zureden oder energischem Antreiben aus seiner Lethargie zu reißen. Die überzeugende Elisabeth Degen kann ihren trödeligen Hausmann anschmachten („Ich will das vereinbarte Kind von dir!“), ihn mit lockerer Frivolität eifersüchtig machen oder mit vehementer Lust einem Fremden an die Hose gehen. Bis Roman dies widerfährt, hat sich der netzverrückte Wohnungstauscher bereits als geiziger Choleriker mit verbalen Rundumschlägen unbeliebt gemacht. Uwe Neumann gibt den Meister der Bits und Bites zunächst als lässig-lauten Witzbold, dem aber angesichts der kommunikationstechnischen Ignoranz seines Gegenspielers zunehmend der Hals schwillt.
Die Rolle von Romans Ehefrau Magdalena hat Sandrine Guiraud für die zunächst vorgesehene Teresa Weißbach, die Mutterfreuden entgegensieht, übernommen. Sie ist kein Ersatz, sondern präsentiert sich mit einer Glanznummer.
Als munteres Champagner-Vögelchen spielt sie frech, ein wenig verrückt und ungemein liebenswert. Das amüsante Theatererlebnis erntet freudigen Beifall.
Karten und weitere Informationen unter Tel. (0 97 21) 51 49 55, im Internet www.theater-schweinfurt.de