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WÜRZBURG
Wenn Flüchtlinge in ein abgelegenes Dorf kommen
Christoph Poschenrieder
Foto: Daniela Agostine, diogenes | Christoph Poschenrieder
Manfred Kunz
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:01 Uhr

Es war eine doppelte Premiere in der Würzburger Stadtbücherei. Mit der ersten Lesung aus seinem neuen Buch „Kind ohne Namen“ eröffnete Christoph Poschenrieder den Literarischen Herbst 2017. Vor knapp 100 Zuhörern präsentierte er Ausschnitte aus dem ersten Drittel des eingängigen, kurzweiligen Romans, der federleicht inhaltliche Brisanz mit lakonischem Humor verbindet.

Entstanden ist das fünfte Prosawerk des Autors, wie er beiläufig erläutert, im Wesentlichen im Spätsommer und Herbst des Jahres 2015 während eines Stipendien-Aufenthaltes in der Bamberger Villa Concordia. Ausflüge ins Umland lieferten Poschenrieder das reale Modell für den Schauplatz: ein abgelegenes namenloses Dorf irgendwo am Ende der Welt, wo nicht nur Schul- und Pfarrhaus verwaist sind, sondern auch etliche Bauernhöfe leer stehen, wo „die E-Mail nur unwesentlich schneller als die Gelbe Post ist“, ein Dorf, das so auch im Spessart, in der Rhön oder in den Haßbergen liegen könnte.

Erzählt wird aus der Perspektive von Xenia, einer Studentin, die nach zwei Semestern Germanistik aus der Großstadt in dieses Dorf, in dem sie geboren und aufgewachsen ist, zurückkehrt. Heimlicher Herrscher ist hier der „Grüne“, ein mysteriöser Burgherr, um den sich manche Gerüchte ranken, und der seine dubiose Gefolgschaft allerlei Geländespiele betreiben lässt.

Kurz nach Xenias Rückkehr wird eine kleine Gruppe von Flüchtlingen im Schulhaus einquartiert. Xenias Mutter organisiert ein nur mäßig erfolgreiches Begrüßungsfest, die Menschen im Dorf tun sich schwer mit den ersten Fremden, die seit dem Ende des Krieges zu ihnen kommen. Und als der Burgherr sich geschäftstüchtig einmischt, wird die Situation vollends ungemütlich, auch für Xenia. Denn die hat sich inzwischen mit dem jungen Ahmed angefreundet und ein Mädchen, das titelgebende „Kind ohne Namen“, zur Welt gebracht.

Poschenrieder liest nüchtern, distanziert, manchmal stockend, wie noch nicht ganz vertraut mit den Qualitäten seines Textes – oder ihnen noch nicht ganz vertrauend. Distanz hält er auch zu den übergroßen Emotionen, die mit den Zuwanderern verbunden sind, wie er auf Publikumsnachfrage zugibt. Es ist das Verhalten der Menschen im Dorf, und wie sie sich mit der für sie völlig ungewohnten Situation und den unbekannten, als Bedrohung empfundenen Menschen arrangieren, das den Autor interessiert. Und gerade weil er das den Leser aus dem Blickwinkel einer Außenseiterin sehen lässt – mag die auch überaus sympathisch erscheinen –, ist es gleichermaßen glaubwürdig wie erschreckend. Beim Blick auf Xenias couragiertes und gewitztes Handeln aber auch überaus Hoffnung verbreitend.

Der Literarische Herbst in der Würzburger Stadtbücherei wird fortgesetzt mit Lesungen von Christoph Peters (12. Oktober) und Nina Bußmann (17 Oktober). Tel. (09 31) 37 24 44.

 
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