
Elternabend der 4b im Herbst kurz vor dem berüchtigten „Grundschulabitur“: Das Übertrittszeugnis steht bald an. Fünf Eltern finden sich zur Krisensitzung mit der Lehrerin ein – denn nur die kann Schuld haben an den miesen Leistungen der Sprösslinge. „Frau Müller muss weg“ von Erfolgsautor Lutz Hübner wurde bereits von Sönke Wortmann verfilmt – und war als Theaterversion schon 2015 Publikumsliebling auf der Kellerbühne des Chambinzky.
Jetzt kommt das Stück als Neuauflage auf die große Bühne – und begeistert bei der ausverkauften Premiere. „Wir müssen ertragen, was Sie unseren Kindern antun!“, jammert Vater Wolf (mit herrlich muffigem Sachsen-Akzent: Konstantin Wappler). Immerhin sitze er täglich stundenlang an Tochter Janines Hausaufgaben.
Der vertraute Alltag deutscher Elternabende
Auch Marinas (Sylvia Legner) Sohn Lukas hat Probleme: Der Ex-Montessori-Schüler sei sehr sensibel und wahrscheinlich hochbegabt. Vater Patrick (Wernher von Schrader) fürchtet: „Wenn das so weitergeht, landet er noch auf der Realschule – man mag sich gar nicht ausmalen, was das bedeutet!“ Für Lehrerin Frau Müller (Ursula Bertelmann) ist der Mustersohn dagegen „ein klarer Fall von ADHS“. Das sieht Elternsprecherin Jessica (Christina von Golitschek) anders: Nicht die Kinder seien das Problem, sondern die Lehrerin. Und die müsse nun freiwillig die Klassenleitung abgeben.
Damit auch wirklich jeder – nicht nur Katja Grabowskis (Talia von Bezold) Sohn Fritz – die magische Durchschnittsnote von 2,33 erreichen kann. Die stellt den Übertritt ins Gymnasium sicher – danach könne auch Jessicas faule Tochter Laura „auf eine Privatschule gehen, und die werden sie schon irgendwie durchbringen“.
Regisseurin Martina Esser inszeniert erneut routiniert den Alltag deutscher Elternabende: Es ist eine Gratwanderung aus Verzweiflung und Angst um die (materiell) abgesicherte Zukunft der Nachkommen. Vor allem Konstantin Wappler als leicht cholerischer Übervater („Ich bin kein Brüllaffe!“) und Ursula Bertelmann als herzensgute Pädagogin mit bunter Kullerkette, Wallehaar und lila Blouson zeigen amüsant aber klar die Fronten auf.
„Frau Müller muss weg“ ist der Spiegel einer skurril anmutenden gesellschaftlichen Realität – und so begeistert das Stück auch durch seine schonungslose Direktheit: „Wenn ihr gute Menschen sein wollt, geht zu Amnesty – aber lasst es nicht eure Kinder ausbaden“. Lutz Hübner ist zu Recht einer der meistgespielten Autoren auf deutschen Bühnen – und auch im Chambinzky gibt es reichlich Applaus für eine gelungene Neuinszenierung, die sicher an den Erfolg auf der Kellerbühne anknüpfen kann.
Auf dem Spielplan bis 12. April. Karten: Tel. (0931) 51212, theater@chambinzky.com