Die Entwürfe von Ken Adam bestimmen in über 70 Filmen das Szenenbild. Seine dreidimensional umgesetzten, spektakulären Raumvisionen haben sich ins Gedächtnis eingegraben. Es sind bedrohliche Verliese, Hallen, die an Kathedralen erinnern, oder gigantische Machtzentralen des Bösen, in denen James Bond im Auftrag ihrer Majestät die Welt rettet. Für manche Kinobesucher wirkten die Räume so real, dass sie sie auch außerhalb der Filmstudios für existent hielten.
So wollte Ronald Reagan, kaum war er US-Präsident, unbedingt den „War Room“ sehen. Pech für den Schauspieler: Die Schaltzentrale aus Stanley Kubricks Weltuntergangs-Satire „Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ (1963) gibt's nur im Film, nicht im Weißen Haus oder Pentagon. Ken Adams Filmwelten sind getreu seiner Design-Philosophie „bigger than life“, größer als das wirkliche Leben. Unter diesem Titel zeigt die Deutsche Kinemathek in Berlin eine Auswahl aus seiner Sammlung von Originalentwürfen, die er 2012 dem Museum für Film und Fernsehen überlassen hat.
Der von Adam entworfene „War Room“, der Reagan so beeindruckte, ist der Archetyp einer Kommandozentrale: Über einem runden Tisch schwebt bedrohlich ein Lichtring, hängen riesige Weltkarten an schräg in den Raum ragenden Wänden. Kreis, Dreieck und Rechteck in scheinbar grenzenlosen Räumen ohne Zentralperspektive gehören zur Formensprache des Production Designers – auch Szenenbildner oder Art Director genannt.
Adams visuelle Visitenkarte prägte Filmproduktionen in London, Hollywood oder Rom, zum Beispiel die ersten sieben James-Bond-Filme (u. a. „Goldfinger“ und „Moonraker“). Zuletzt arbeitete er mit István Szabó in „Der Fall Furtwängler“ (2001). Sechsmal war er für einen Oscar nominiert, zweimal erhielt er die begehrte Trophäe: für die beste Art Direction in „Barry Lyndon“ (1975), einer weiteren Zusammenarbeit mit Kubrick, und für „King George – Ein Königreich für mehr Verstand“ (1994).
Schon in der Kindheit zeigte sich das Zeichentalent des Klaus Hugo Adam. Unter diesem Namen wurde er 1921 in Berlin geboren. Adam wuchs in einem großbürgerlichen Haushalt auf. Sein Vater, Fritz Adam, war Inhaber des bekannten Sport- und Modegeschäfts „S. Adam“ in der Leipziger Straße, ein Werbeprofi, der wusste, was ins Auge fällt. Er ließ zum Beispiel Stummfilmstars seine Sportmoden vorführen. In der Villa der Adams im Tiergarten trafen sich die Berühmtheiten des Berlins der 1920er Jahre. Diese Welt brach 1934 zusammen. Die jüdische Familie versuchte, in London ein neues Leben aufzubauen: Man lebt nur zweimal . . .
In London wurde Adam zuerst Architekt, dann – als erster und bis 1944 einziger Deutscher – Pilot der Royal Air Force, für die er im Zweiten Weltkrieg waghalsige Kampfeinsätze flog. 1948 begann die Filmkarriere von Ken Adam in den Londoner Studios in Twickenham – als Zeichner. Bald schon galt er als Mann für unmögliche Aufträge. Acht Jahre später brachte sein 20. Film ihm die erste Oscar-Nominierung ein – „In 80 Tagen um die Welt“ (Regie: Michael Todd). Und fürs erste James-Bond-Abenteuer („007 jagt Dr. No“) zeichnete er Filmgeschichte – mit dem Tarantel-Zimmer. Es ist ein Ort des Schreckens, aus dem es kein Entrinnen gibt, spartanisch eingerichtet mit vergittertem Oberlicht in der Decke. Im Käfig sitzt eine Tarantel, die alleine schon Phobien auslöst.
„Ich wollte eine Wirklichkeit erfinden, die für das Publikum realer ist als die Wirklichkeit. Die Bond-Filme waren dafür ideal. Es gab keinen Zwang durch das Drehbuch. Nur der Himmel war die Grenze“, beschrieb Ken Adam seine Vorstellungen: Bigger than life eben. Zudem tauchten in dieser Bond-Szene weitere Hauptdarsteller auf: Licht und Schatten. Sir Ken Adam (seit 2003) wurde berühmt dafür, mit wenigen Strichen Licht zu zeichnen, davon kann man sich in den vielen Entwurfszeichnungen in der Deutschen Kinemathek in Berlin ein Bild machen.
Sein breiter, markanter Strich mit dem Flomaster-Filzstift ist unverkennbar, man spricht sogar vom „Adam Style“ – gezeichnete Dynamik und Expressivität. Räume mit oft verqueren Perspektiven. Ken Adam erweiterte die Darstellungsmöglichkeiten im Film, schuf ein eigenständiges Design. Er war aber nicht nur für die große Vision, sondern auch für die Details zuständig.
In Adams Filmwelten planen Bösewichte den Weltuntergang. Sie sind oft düster, expressiv, unheimlich. Alles Normale wirkt klein und verloren. Wer solche Ideen hat, dreht nicht gerne „on location“, draußen, vor Ort. Adam liebt Studios, wo er seine Ideen verwirklichen kann, ohne Einschränkungen: „Im Studio ist man Gott. Alles lässt sich bauen, und es wird nur dunkel, wenn man es wünscht.“
Ken Adam in Berlin und im Internet
Rund 4000 Originalzeichnungen umfasst die private Sammlung von Ken Adam, hinzu kommen Fotos, Filme, biografische Zeugnisse und Auszeichnungen. 2012 schenkte der heute 93-Jährige die Unterlagen der Deutschen Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen am Potsdamer Platz in seiner Geburtsstadt Berlin. Bis zum 15. Mai 2015 ist in der Deutschen Kinemathek in Berlin eine Auswahl von 320 Exponaten in der Ausstellung „Bigger Than Life. Ken Adam’s Film Design“ zu sehen. Geöffnet ist sie jeweils Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 und an den Donnerstagen von 10 bis 20 Uhr. Information zur Ausstellung im Internet: www.deutsche-kinemathek.de sowie www.facebook.com/ MuseumfuerFilmundFernsehen
Ab 2015 veröffentlicht die Deutsche Kinemathek das Ken-Adam-Archiv in einer Online-Präsentation. Die Website gewährt laut Kinemathek Zugang zu allen originalen Objekten des Archivs und macht sie interaktiv erlebbar. Zu finden ist sie im Internet unter der Adresse: www.ken-adam-archiv.de