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BERLIN
Was und wie berühmte Literaten twittern
Spielwiese mit Rasteroptik: Schriftstellerin Sibylle Berg (im Bild das Profilfoto ihres Twitterkanals) zwitschert gern und oft.
Foto: Sibylle Berg | Spielwiese mit Rasteroptik: Schriftstellerin Sibylle Berg (im Bild das Profilfoto ihres Twitterkanals) zwitschert gern und oft.
dpa
 |  aktualisiert: 05.11.2012 17:48 Uhr

„so hopp, ohren waschen, butterbrot mit banane, klaps und ab auf die Strasse ihr kleinen Rüben.“ Anstrengend klingt, was Sibylle Berg schreibt. Aber nie belanglos. Mit Orthografie hat die Schriftstellerin („Vielen Dank für das Leben“) im schnellen Medium Twitter wohl auch nicht viel am Hut. Seit Jahren füllt sie mehrmals täglich ihren Account. Ein ganzes Leben in 140 Zeichen.

Für Sibylle Berg ist der Kurznachrichtendienst Twitter zugleich Spielwiese und literarisches Ausdrucksmittel. Einige Schriftsteller nutzen das Netzwerk, um auf direktem Weg mit den Lesern zu kommunizieren. Andere machen Werbung. Manche schreiben geistreiche Aphorismen, viele zwitschern jedoch ebensolche Banalitäten wie andere Twitterer auch.

Seit 1996 lebt die in Weimar geborene Berg in Zürich. „lautes Quitschen: ICH BIN SCHWEIZERIN!!! Tanz, hoppel, Mähneschüttel“, kommentiert sie im Sommer 2012 ihre neu erlangte Staatsbürgerschaft. Die Tweets sind kleine Einblicke in die Welt der 50-Jährigen. „uff, 1 Seite – ich gebe auf“, schreibt sie über den Softporno-Bestseller von E. L. James. „wer das shades of grey ohne sprachmagenkrampf lesen kann, glaubt auch auf kloopapier stehen haikus“, lästert sie.

Ein alkoholreicher Abend

E. L. James selbst gehört zu den banalen Twitterern: „Sei freundlich, sei tapfer, sei stark, aber vor allem sei mitfühlend“, schreibt sie inklusive Emoticon-Herzchen. Poesie? Wohl eher Poesiealbum. „Kater in Deutschland . . . O.o“, twittert sie nach einem wohl alkoholreichen Abend auf der Frankfurter Buchmesse mit einem angehängten Überraschungs-Smiley. Tiefgang? Fehlanzeige.

Viel redseliger ist Skandal-Schriftsteller Bret Easton Ellis („American Psycho“). Ohne Scheu knüppelt das Enfant terrible der Zwitscherer auf die gesamte Kulturwelt ein. Vor den Augen von rund 350 000 Followern nennt er den österreichischen Goldene-Palme-Gewinner Michael Haneke („Das weiße Band“) einen „der größten Regisseure ohne jemals einen großartigen Film gedreht zu haben“.

Und der vom Feuilleton gefeierte David Foster Wallace („Unendlicher Spaß“) sei „das beste Beispiel eines Gegenwartsautoren, der nach entsetzlicher Größe lechzte, aber sie einfach nicht erreichen konnte“. Seine Tweets sind knallharte Statements ohne Erklärungsabsicht. Etwas tiefsinniger nutzt der Berliner Theatermann René Pollesch das Netzwerk: „Das Leben muss als Komödie enden, sonst geht das Abendland nicht unter.“

Die Dramentheorie des Schweizers Friedrich Dürrenmatt quetscht er so in eine Nussschale. Aber nicht nur die Hochkultur, sondern auch den täglichen Medienbetrieb kommentiert Pollesch: „Wenn man nicht hinsieht, merkt man erst wie beschissen die Stimmen dieser Juroren sind“, schreibt er über das Casting-Format „The Voice of Germany“. Knapp über 1100 Menschen folgen ihm.

Eine davon ist die Schriftstellerin Else Buschheuer („Ruf!Mich!An!“). Knapp 18 000 Follower wollen über ihren ironisch gedeuteten Alltag lesen: „was genau will mir ebay mit “else buschheuer, verpassen sie nie wieder den oma-tag“ sagen?“ Nebenher mausert sie sich zur Filmexpertin. Wer gutes Fernsehen will, braucht kein TV-Magazin: Die Leipzigerin empfiehlt Tag für Tag die besten Streifen. Solchen Service am Leser bieten nur wenige Autoren.

Der brasilianische Romancier Paulo Coelho gibt sich hingegen eher pastoral: „Menschen (auch wir) sind oft uneinsichtig, unvernünftig und egozentrisch . . . Vergib ihnen, damit sie uns vergeben können.“ Der Bestseller-Autor („Der Alchimist“) twittert auf Englisch oder Spanisch. „Liebe deinen Feind. Aber vergiss nie: Er ist nicht dein Freund.“ Sechs Millionen Menschen wollen solche Sinnsprüche lesen. Der britische Autor Salman Rushdie („Die Satanischen Verse“) stellt sich in den Dienst der Leser. Er hält sie über die Verfilmung seines literarischen Durchbruchs „Mitternachtskinder“ auf dem Laufenden – Scherz inklusive: „ein buch oder einen film herauszubringen ist ganz okay, aber der 3:2-Sieg Tottenhams über Man.U. unbezahlbar.“

 
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