Noch bevor der Zauberunterricht beginnt und man in diese geheimnisvolle Welt eintaucht, lässt ein Stück Papier innehalten, das sich als magischer erweisen sollte als jeglicher Zaubertrank: „Wegen der Spannung in diesem Buch wurde mir ganz warm ums Herz. Ich denke, das ist vielleicht eines der besten Bücher, das ein Acht- oder Neunjähriger lesen kann“, steht da in Kinderschrift geschrieben.
Die Notiz stammt von Alice Newton, der damals acht Jahre alten Tochter des Chefs des britischen Bloomsbury-Verlags Nigel Newton. Sie hatte zuvor ein Kapitel von „Harry Potter und der Stein der Weisen“ verschlungen, das beim Vater auf dem Schreibtisch gelandet war. Und sie verlangte nach mehr. Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits acht Verlage das Manuskript der alleinerziehenden Mutter Joanne Kathleen Rowling abgelehnt, doch der Enthusiasmus des kleinen Mädchens überzeugte den Verlagsgründer.
400 Millionen Mal verkauft
Der Rest ist Geschichte. Sieben Harry-Potter-Romane verfasste J. K. Rowling, sie wurden in 68 Sprachen übersetzt und weltweit mehr als 400 Millionen Mal verkauft. Der Zettel, mit dem der beispiellose Erfolg begann, ist nun in der British Library in London ausgestellt. Sie widmet dem Zauberschüler 20 Jahre nach der Erstveröffentlichung eine eigene Schau, aber will noch mehr sein: Die altehrwürdige Nationalbibliothek in der britischen Metropole erkundet mit „Harry Potter: A History of Magic“ die Geschichte der Magie, Traditionen, Mythen und altertümliche Volkssagen, die unter anderem als Ideengeber und Grundlage für Rowlings Fantasiereihe dienten. Die Schau zeigt, was hinter Harry Potter steckt.
Die Räume, mithilfe von Fototapeten im Harry-Potter-Design als alte Bibliotheken dargestellt, sind nach den Fächern im Internat Hogwarts aufgeteilt: Kräuterkunde und Astronomie etwa, Besenflugstunden, Geschichte der Zauberei, Pflege magischer Geschöpfe oder Verteidigung gegen die dunklen Künste – der Besucher durchlebt noch einmal den Unterricht, den man aus den Büchern kennt.
Autorin Rowling hat aus ihrem Privatbesitz Stücke zur Verfügung gestellt, die so noch nie der Öffentlichkeit zugänglich waren. Frühe handschriftliche Entwürfe mit Sternchen und Einfügungen, überschriebenen Passagen und Pfeilen hin zu Anmerkungen zeigen, wie die Ideen nur so aus ihr heraussprudelten. Auf Zeichnungen gab die Britin zudem vor, wie sie sich ihre Charaktere vorstellte.
Wahrsagerei
Doch die Ausstellung geht weiter. Es werden ein bronzezeitlicher Kessel für medizinische Tinkturen, 3000 Jahre alte Knochen aus China, die der Wahrsagerei dienten, oder Darstellungen von Drachen sowie ein Schriftstück, das erstmals „Abracadabra“ als Heilmethode für Malaria erwähnt, präsentiert. Potter-Fans erkennen klar die Zusammenhänge zwischen einerseits der Welt der Magie mit ihrem Aberglauben, okkulten Symbolen, aber auch wissenschaftlichen Erkenntnissen, und andererseits dem Zauberuniversum ihres Literaturhelden.
Die Autorin, sie hat sorgfältig recherchiert. Zwar sind zahlreiche Wesen Rowlings eigene Schöpfungen, sie hat sich dennoch immer wieder in der Historie bedient. Eine Darstellung des sagenhaften Phönix aus dem 13. Jahrhundert etwa zeigt, dass er schon in der mittelalterlichen Mythologie eine prominente Rolle gespielt hat. Und auch der Alchemist Nicolas Flamel, der berühmte Hersteller des Steins der Weisen, ist eine tatsächliche historische Figur, so Chef-Kurator Julian Harrison. Als dieser im Jahr 1418 in Paris starb, verbreitete sich unter den Menschen die Legende, dass Flamel das geheime Buch gefunden habe, in dem beschrieben steht, wie man den Stein der Weisen kreiert. Als sein Grab Jahrhunderte später geöffnet wurde, war es angeblich leer.
„Geschichten über Einhörner, Hexenmeister, Drachen oder mystische Dinge faszinieren Menschen seit jeher, es ist ein globales Phänomen“, sagt Harrison. Deshalb seien auch die Potter-Bücher so universell. Mehr noch: „Während Rowling für sie recherchiert hat, gab sie allem ihren eigenen, besonderen und kreativen Dreh.“
Die Macher der Ausstellung, die bis zum 28. Februar läuft und bereits vor der Eröffnung mehr als 30 000 Tickets verkauft hat, können ihre Begeisterung selbst kaum verbergen. Kuratorin Joanna Norledge fasst es so zusammen: „All das hier“, sie weist in die Räume, wo Besen von der Decke baumeln und Besucher virtuell selbst einen Zaubertrank aus verschiedenen Zutaten mixen können, „macht einfach so unglaublich viel Spaß.“