
Ob's angebracht ist, diese beiden Abende zu vergleichen, nur weil sie nacheinander am selben Ort stattfanden? Zwei unterschiedliche Konzerte in einem Artikel, two in one? Immerhin gab's zwei Mal Musik, zwei Mal gemacht von einer Gruppe älterer Herren. Und zwei Mann betreiben diese Altherrenbands, die alles andere sind als Altherrenbands, ihr Metier sichtlich und hörbar mit großem Vergnügen und Können. Und obwohl sie alle seit Jahren und Jahrzehnten unterwegs sind und es nicht mehr nötig hätten, touren, tingeln und spielen sie zusammen – aus schierer Freude und Spaß.
Der gemeinsame Ort also: Volkach, Weinfestplatz. „Die Welt ist klein, warum sollen wir nicht in Volkach sein?“, reimt Helge Schneider, der Großmeister des gepflegten sinnfreien Schwachsinns und schaut über die Zuschauer hinweg in die Lichterreihen unter den Bäumen: „So ein schöner Platz hier, das könnte man fast schon Weinfestplatz nennen.“
Tags zuvor, am Freitag, ist es Eric Bazilian, der Sänger und Gitarrist von The Hooters, der den deutschen Sommer rühmt. Und das „Time after Time“, der Hooters-Song, der durch Cyndi Lauper weltberühmt wurde, geht smart über in die Mainschleifen-optimale Zeile „Eine gute Flasche Wein, und ich bin nicht allein.“
1300 Zuhörer, stehend, am ersten, fast 30 Grad warmen Abend des langen Open-Air-Wochenendes bei der Folkrock-Power-Pop-Rock'n'Roll-Band aus Philadelphia. 1400 Zuhörer und Zuschauer, sitzend, bei zwei, drei Grad weniger und Helge Schneider mit Band.

So viel zu den Äußerlichkeiten. Während Nonsense-Maestro Schneider groß in Plauder- und Erzähllaune ist, sich viel Kamillentee reichen lässt und seinen Musikern sprunghafte Anweisungen für den Dschääääääääzz gibt („Gitarrensolo reicht!“), halten sich die fünf Hooters nicht mit Trödeln auf. Nach dem programmatischen Statement „I'm Alive“ geht ein Radiohit nahtlos in den nächsten über. „Wir haben viel Musik für euch, lasst uns weitermachen“, sagt Eric Bazilian. Und kurz muss man sich mal klarmachen, dass es diese Band, die da so motiviert und frisch und druckvoll rockt, tatsächlich seit 37 Jahren gibt.
„500 Miles“, „All You Zombies“, „Give The Music Back“, „Boys of Summer“, „Private Emotion“, „Johnny B.“, „Twenty-Five Hours A Day“ – und als hätten sie nicht genug eigene, große Balladen und Mitsing-Welthits, stimmt Gitarre-Mandoline-Spieler Tommy Williams den Beatles-Klassiker „Lucy in the Sky“ an.
Und da ist dann doch wieder eine Parallele zum anderen Abend, dem mit Dada-Jazzer Schneider. Verlässlichkeit. Der Zuhörer weiß, was er bekommt, alles ist schon zigdutzendtausendmal gehört, alles bekannt, bewährt. Und doch improvisieren The Hooters ein bisschen, gönnen sich feine Jam-Parts, wechseln die Instrumente mit Mandoline, Akkordeon, Flöte und Harmonika und arrangieren Oldies live so um, dass selbst abgenudelte Ohrwürmer knackig und hinhörenswert bleiben.
Und, klar, bei Helge Schneider will man mit allem rechnen. Das sozialkritische Lied vom kleinen armen Meisenmann leitete er mit Auslassungen über Eisvögel und Angeln („eine rein männliche Angelegenheit“) ein. Dann durfte Sergej Gleithmann, der zuvor wie der Teekoch brav auf dem Stuhl saß oder die Riesengitarre Vihuela in die Luft streckte, seine meisenmäßige Tanzeinlage darbieten.
Blieb die Frage, ob nach „Sommer, Sonne, Kaktus“, der „Wurstfachverkäuferin“ und dem „Telefonmann“ auch noch das „Katzeklo“ kommen würde. Aber nee, es gab das supersexy „Käsebrot“. Und auch wenn die älteren Herren auf der Bühne in ihren grauen Anzügen wie eine Altherrenband wirken mögen, spätestens ein Satz wie „Der Bauer macht sich mit einem langen Zimmermannsnagel die Nase sauber am Frühstückstisch“ disqualifiziert für den Kaffeenachmittag im Seniorentreff.
So ein Satz und alle folgenden muss auf die große Bühne! Die größte Überraschung des Doppelabends in Volkach hatten als Zugabe die Hooters: Eine kraftvolle Version von Peter Schillings „Major Tom“. Das Raumschiff? Volkach, völlig losgelöst.