Erst die Fremde lehrt uns, was wir an der Heimat besitzen“, schrieb der Schriftsteller Theodor Fontane 1861. Fontanes Weisheit wurde häufig gerühmt. Heute jährt sich sein Geburtstag zum 200. Mal.
Der oben angeführte Gedanke ziert jedoch nicht einen seiner großen Romane, sondern das Vorwort zu einer seiner Reisebeschreibungen, deren Bedeutung weit seltener hervorgehoben wird. Dabei lieferten ihm seine Reisen, etwa die eingangs zitierten „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“, zahlreiche Motive für die berühmten belletristischen Alterswerke wie „Effi Briest“ oder „Der Stechlin“.
Der in Berlin lebende Dichter und Journalist schätzte es, wenn man bei „Streifereien in der Fremde“ Bemerkenswertes aus der Vergangenheit finden konnte, das „die Schöpfungen und Erinnerungen einer großen Zeit um dich her“ vor dem inneren Auge entstehen ließ und ihn selbst zu künstlerischen Werken inspirierte.
Nach Ankunft in Bad Kissingen: „Gang durch die allerliebste Stadt“
Dass man auch in Franken bedeutende Orte der Erinnerung findet, ist klar. Aber dass Fontane Nordbayern häufiger bereist und dort „großer Zeiten“ gedacht hat, weiß man in diesem Umfang erst seit der Veröffentlichung seiner Notizbücher. Sie sind heute im Internet, sogar als Abbildungen der originalen handschriftlichen Bleistifteinträge, zugänglich. Darüber hinaus findet man in Fontanes Gesamtwerk zahlreiche fränkische Orts- und Personennamen, die Einblick in die Weltsicht des Meisters ermöglichen. Schwerpunkte der Reisen Fontanes in Franken waren – neben Fahrten durch Bamberg und Nürnberg auf einer Rückreise nach Berlin 1856 – Bad Kissingen sowie die Gegend um Coburg und Lichtenfels. „Gang durch die allerliebste Stadt. Kursaal, Brunnenhalle. Die Brücken“, notierte er nach seiner ersten Ankunft am 29. August 1867 in Bad Kissingen in Thomas Mann?scher Manier – wobei der große Lübecker diese Art, preußisch-abgekürzt und doch inspirierend Tagebuch zu führen, wohl von seinem Berliner Vorfahren übernommen hat. „Thee getrunken“, schreibt Fontane am gleichen Tag. – „Den Fontane-Artikel beendet... Nach dem Thee Briefe“, notierte Mann in ähnlicher Form am 18. Dezember 1919 in seinem Tagebuch.
Da Fontane in der „Fremde“ weiterhin an der Geschichte seiner preußischen Heimat interessiert war, ließ er sich in Bad Kissingen ausführlich den Friedhof um die Marienkapelle zeigen, der 1866 Schauplatz eines Gefechts im sogenannten Deutschen Krieg zwischen bayerischen und preußischen Soldaten gewesen war. Auch gefallene fränkische Kriegsteilnehmer wurden hier bestattet, und sogar deren Grabdenkmäler wurden vom preußischen Dichter ausführlich gewürdigt: „Friedrich Freiherr v. Reitzenstein-Hartungs, K. B. Hptm. im 12. Inf. Reg. König Otto v. Griechenland geb. d. 4. November 1823 auf dem Felde der Ehre geblieben d. 10. Juli 1866 im Gefechte bei Kissingen. (Schönes Monument in grauem Marmor.)“
Der erwähnte König Otto von Griechenland lebte von 1862 bis 1867 im Exil in der Bamberger Neuen Residenz. Bad Kissingen suchte Fontane noch öfter auf und unternahm von dort 1889 einen Abstecher nach Bayreuth, wo er die Richard-Wagner-Festspiele besuchte.
Mit Wagners Opern setzte er sich intensiv auseinander, teils skeptisch, teils inspiriert von den darin entworfenen Frauenfiguren. „Oberammergau, Bayreuth, München, Weimar – das sind die Plätze, daran man sich erfreuen kann“, schrieb er 1894.
Notizen Fontanes aus Unterfranken findet man noch unter den Stichworten Rhön, Bad Neustadt an der Saale, Nüdlingen, Winkels, Garitz, Bad Brückenau, Münnerstadt, Hammelburg, Würzburg – wo er wiederum die Marienkapelle (Käppele) erwähnte –, Uettingen und Aschaffenburg.
Bei einem zweiten Aufenthalt in Franken im Sommer 1873 weilte Fontane in der Gegend um Coburg und im Obermaingebiet. „Coburg. Hotel Leuthäuser. Grüner Baum. Traube. (Alle drei mit Stern)“, notierte er. Auch dass seine Kollegen Friedrich Rückert und Jean Paul hier lebten, würdigte er mit ausführlichen Beschreibungen ihrer Häuser. Die Veste bezeichnete er später als „die Hauptsache“.
Er lobte das Kloster Banz und die schöne Aussicht
Auch das Stichwort „Rosenau“ – bezogen auf das vom preußischen Architekten Karl Friedrich Schinkel umgebaute Schlösschen an der Itz – wurde notiert. Südlich von Coburg kam er dann ins Obermaintal: „Lichtenfels. Gasthof zur Krone. Weiter rechts auf der Höhe die ansehnl. Gebäude des alten 1803 aufgehobenen Benediktinerklosters Banz; vom Altan schöne Aussicht; Eigenthum des Herzogs Max; reiche Sammlung von Versteinerungen; schöne Kirche mit zahlreichen Reliquien; bescheidene Restauration. Gegenüber links die reichgeschmückte Klosterkirche ,Vierzehnheiligen‘“.
Den ehemals „brandenburgischen“ Gebieten um Kulmbach, Nürnberg und Erlangen, das ab 1793 zu Preußen gehörte, hat sich Fontane dagegen kaum gewidmet.
Nachzutragen wäre seine Erwähnung der „Feuerprobe der Kaiserin Kunigunde“, wobei er die Gemahlin Kaiser Heinrichs irrtümlich dem „Gegenkaiser Rudolf“ zuordnete. Über die Kölner Marienkirche in der Kupfergasse, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, notierte Fontane: „Das hält noch eine Weile.“ Bei den Marienkirchen in Franken, dem Würzburger Käppele oder der Bad Kissinger Marienkirche hätte er recht gehabt.