Die Frage war natürlich nicht, ob? Die Fragen lauteten: Wie? Und was? Wie holt Frank-Markus Barwasser den jüngsten Irrsinn in dieser mittlerweile ziemlich durchgeknallten Welt auf die Bühne? Was lässt er seinen Erwin Pelzig dazu sagen? Weil für Pelzig „die Wahrheitssuche viel anspruchsvoller ist als das Wahrheitsfinden“ und weil Barwasser seinen Küchenphilosophen den richtig großen Themen Vertrauen und Angst, Gerechtigkeit und Wahrheiten nachspüren lässt, konnte er ihn die AfD, Pegida und die Terroranschläge von Paris recht elegant aufgreifen lassen. Selbst der Karnickelvermehrungsspruch des Papstes und die Griechenlandwahl vom Sonntag streifte Barwassers Karohemd-Fetischist kurz.
Vor fast drei Jahren stellte der aus Würzburg stammende Kabarettist sein Programm „Pelzig stellt sich“ vor, seitdem hat sich viel getan. Es gibt unter anderem eine neue Bundesregierung – aber für Pelzig ist das nicht wirklich wichtig, weil auch die Nachfolger der „schwarz-gelben Komatruppe“ größtenteils „fachlich maximal unbefangen“ sind. Auch wenn Pelzig sich noch nie damit zufrieden gab, auf die Politik und ihre Darsteller einfach einzudreschen – natürlich bekommen sie auch bei ihm ihr Fett weg. Grundsätzlich aber ist für ihn Politik „die fröhliche Moderation der eigenen Bedeutungslosigkeit“. Die wirkliche Macht hätten ja sowieso die Märkte und deren Gestalter.
Pelzig, der sich als „digitaler Einwanderer mit analogem Migrationshintergrund“ sieht, sagt, er sei vorsichtig geworden mit Wahrheiten, weil es so viele gebe. Die Wahrheit von Soziologen, von Politologen, von Geheimdiensten, die des Islams und des Internets und die von Pegida, dieser „Bewegung der verkürzten Gedankengänge“, „diese gottlosen Ossis“.
Wenn man sich nach seinem fast zweieinhalbstündigen Auftritt vor 1200 Menschen in der rappelvollen Aschaffenburger Stadthalle mit Barwasser (54) unterhält, kann man ahnen, dass ihn die jüngsten Ereignisse mehr umtreiben, als er Pelzig auf der Bühne sagen lässt. „Pegida müsste eigentlich noch ausführlicher vorkommen.“ Aber es ist nicht so einfach, Passagen aus einem Programm herauszunehmen, das zwar sowieso ständig aktualisiert wird, aber auf einem bisweilen fast philosophischen Fundament fußt, ohne es der Grundsätzlichkeit zu berauben.
Dass Barwassers Programm die Grenzen herkömmlichen Kabaretts phasenweise hinter sich lässt und theaterhafte Züge annimmt, wird besonders augenscheinlich, wenn Pelzig seine alten Kumpels mitspielen lässt, Hartmut und Dr. Göbel. In vier sich in der Intensität jedes Mal steigernden Trios beweist Barwasser neben Schauspieltalent seine Kunst, Gedanken zu drehen und zu wenden und so lange zu drechseln, bis sie von jeder Seite beleuchtet sind. Lösungen serviert er trotzdem nicht. „Ich habe immer noch Fragen“, sagt Pelzig, „und fast nie Antworten.“ Er erzählt von einer Umfrage, in der Moslems Märtyrer als Berufswunsch angegeben haben. Für den Cordhutträger wär' das nichts: „Fast nix zu tun und schaffst Dich trotzdem zu Tod.“ Und auf die Frage, ob Paris auch in Deutschland passieren könne, fällt Pelzig eine Gegenfrage ein: „Könnte es hier auch regnen?“
Später, hinter der Bühne, sagt Barwasser, dass ihn das Attentat auf „Charlie Hebdo“, das Satiremagazin, „überhaupt nicht überrascht hat“, und dass es erstaunlich sei, „wie schnell sich alle wieder erholen nach so einem Schock“. Allerdings sei ihm richtig klar geworden, „wie wenig Mut bisher einer brauchte, um hierzulande auf die Bühne zu gehen“.
Mit „Pelzig stellt sich“ gastiert Barwasser am 28.1. in Würzburg (Congress Centrum), am 3.2. in Grafenrheinfeld (Kulturhalle), am 4.2. in Bad Kissingen (Regentenbau) – alle diese Vorstellungen sind ausverkauft. Karten gibt's für seine Auftritte am 27.4. in Bad Orb (Konzerthalle), am 28.4. in Groß-Umstadt (Stadthalle), am 29.4. in Bad Windsheim (Kur- und Congress-Center), am 29.6. in Veitshöchheim (Mainfrankensäle), am 30.6. in Fulda (Orangerie), am 18.9. in Erlangen (Stadthalle). Die nächste Ausgabe von „Pelzig hält sich“ läuft am 3. März (22.45 Uhr, ZDF).