Es ist eine ungewöhnliche und lange Karriere: Anja Silja debütierte schon 1956 mit 16 Jahren in Braunschweig als Rosina in Rossinis „Barbier von Sevilla“. Sie sang in Bayreuth und an vielen großen Opernhäusern der Welt. 2014 verkörperte sie in Frankfurt die „Mumie“ in Aribert Reimanns „Gespenstersonate“ nach dem Drama von Strindberg. Am 17. April wird die Sopranistin 75 Jahre alt.
Anna Silja Regina Langwagen, so ihr vollständiger Name, wurde 1940 in Berlin geboren. Sie wuchs bei ihren Großeltern auf, war bei Kriegsende nicht in Berlin, sondern auf dem Lande. Ihr Großvater war es, der ihr Gesangstalent entdeckte und sie ausbildete. Mit 13 sang sie an der Staatsoper in Berlin vor. Aber sie war noch zu jung für ein Engagement. Das gelang dann drei Jahre später in Braunschweig. Schon mit 19 verkörperte sie an der Wiener Staatsoper die Königin der Nacht in Mozarts „Zauberflöte“.
Das entscheidende Ereignis wurde die Begegnung mit Wieland Wagner, der nach der NS-Zeit und dem Zweiten Weltkrieg die Bayreuther Festspiele erneuerte. Er engagierte die 20-Jährige 1960 als Senta im „Fliegenden Holländer“. Wieland Wagner wurde nicht nur ihr künstlerischer Partner, sondern – obwohl er verheiratet war – auch ihr Lebenspartner. Anja Silja sagt noch heute: „Es ist und bleibt die Begegnung meines Lebens.“ Bis zu seinem frühen Tod 1966 erarbeitete Silja die großen Wagner-Partien mit ihm.
1968 heiratete sie den Dirigenten Christoph von Dohnányi, auch dies eine Beziehung, bei der die künstlerische Zusammenarbeit eine große Rolle spielte. Dohnányi war damals Generalmusikdirektor in Frankfurt. Die Ehe scheiterte nach rund 25 Jahren, aus ihr gingen drei Kinder hervor.
Anja Silja war auch zu ihren großen Zeiten kein Star im üblichen Sinne, keine Primadonna, die sich mit einem kleinen Repertoire besonders attraktiver Rollen begnügte, wie das prominente Sänger oft tun.
300 Jahre dank Zaubertrank
Sie ist eine Sänger-Darstellerin, keine Belcanto-Sängerin. Sie sang die großen Wagner- und Strauß-Rollen, aber oft auch Hauptpartien in Werken des 20. Jahrhunderts: Kurt Weills „Die sieben Todsünden“, Arnold Schönbergs „Pierrot Lunaire“ oder Alban Bergs „Lulu“ und die Marie im „Wozzeck“. Der „Frankfurter Rundschau“ sagte sie kürzlich in einem Interview: „Was mich an der Oper interessiert, sind bis heute mehr die Figuren, nicht so sehr die Musik.“
Zu Anja Siljas Favoriten wurde der tschechische Komponist Leos Janácek (1854-1928). Bei ihm fand sie die ambivalenten Charakterrollen, die ihrem Verständnis von Musiktheater besonders entgegenkamen. In „Jenufa“ verkörperte sie die Küsterin, die das uneheliche Kind ihrer Ziehtochter Jenufa tötet, um deren Heirat nicht zu gefährden. In „Katja Kabanowa“ spielte sie die reiche, herrschsüchtige Kaufmannswitwe Kabanica.
Und ihre Lebensrolle, wie Anja Silja sagt, ist Emilia Marty in „Die Sache Makropulos“: eine Frau, die dank eines Zaubertranks schon 300 Jahre lebt, ohne zu altern. Doch als das bekannt wird, will sie, obwohl ihr ein neues Mittel zur Verfügung stünde, nicht mehr weiterleben.