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Würzburg
Warum Smudo an das Gute glaubt
'Was ist ein bahnbrechendes Werk?' Smudo bei einer Pressekonferenz im Sommer 2018.
Foto: Daniel Reinhardt, dpa | "Was ist ein bahnbrechendes Werk?" Smudo bei einer Pressekonferenz im Sommer 2018.
Von Olaf Neumann
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:58 Uhr

Im nächsten Jahr feiern Die Fantastischen Vier den 30. Geburtstag der Band. Die Hip-Hopper, von der Gesellschaft für deutsche Sprache mit dem Medienpreis für Sprachkultur und dem Jacob-Grimm-Reise ausgezeichnet, sind derzeit auf Tour und kommen am 19. Dezember nach Würzburg (das Konzert ist nahezu ausverkauft). Ein Gespräch mit Smudo alias Michael Bernd Schmidt (50) über Kunst, Politik und den Wert von Nicoles "Ein bisschen Frieden".

Frage: Der Song "Endzeitstimmung" aus dem Studioalbum "Captain Fantastic"  beschreibt das, was viele Menschen bei der derzeitigen Weltlage empfinden. Sie auch?

Smudo: Oh ja! Es ist eigentlich nicht unsere Art, politische Songs zu machen. Mit der Nummer haben wir aber scheinbar vielen Fanta-Fans aus der Seele gesprochen. Es ist kein pamphletartiger Song, sondern er drückt ein einfaches Gefühl aus: Die Wut über diesen Populismus, diese einfachen Parolen und diese apokalyptische Stimmung mit ihren Verschwörungstheorien. Ständig ist es fünf vor zwölf, seit Jahrzehnten schon. Das hält ja keiner aus! Dieses Gefühl wollten wir unbedingt mal vertonen.

Wird Kunst wichtiger in politisch turbulenten Zeiten?

Smudo: Kunst im Allgemeinen ist ein sozialer Kitt, der Menschen mit gemeinsamen Werten, Weltanschauungen, Meinungen, Herkunft, usw. eint, wie das viele kulturelle Codes machen. In diesem Sinne hat Musik eine Aufgabe. Ich glaube aber nicht, dass ein Lied die Welt verändern kann. Es drückt eher aus, wie in einer gewissen Gruppe die Stimmung ist. Nicoles "Ein bisschen Frieden" hat nicht die Abrüstung gebracht, aber das Lied spiegelt ein Gefühl wider, das viele Menschen damals hatten, und der Erfolg signalisierte, dass weite Bevölkerungsteile diese Sehnsucht nach Frieden teilen. Insofern hatte das Lied eine Signalfunktion und verbindende Wirkung. Es hatte auf jeden Fall eine gewisse Aussagekraft. Deshalb finde ich es zum Beispiel auch wichtig, gegen Nazimusik vorzugehen. Sie befördert feindseliges, trennendes Denken.

Wie verwandelt man Gefühle wie Wut oder Schmerz in gute Kunst?

Smudo: Ich finde es ein bisschen zu primitiv, wenn man sagt: "Haut sie platt!" Wir machen lieber humorvolle Musik zu traurigen Themen, das nennen wir "Fantalismus". Zum Beispiel zum Thema Internet im Song „Tunnel“: Man kann sich heute regelrecht dumm googeln. Es gibt Leute, die glauben wirklich den größten Mist, zum Beispiel, dass die Erde eine Scheibe ist oder dass Flugzeuge Gift versprühen. Dabei dachte ich immer, das Internet macht uns alle schlau!

Sind Menschen wirklich "Affen mit Waffen"? Glauben Sie letzten Endes an die Vernunft des Menschen?

Smudo: Ich glaube letzten Endes an das Gute. So viel Optimist bin ich dann doch, auch wenn es mir nicht immer leicht fällt. "Affen mit Waffen" ist ein apokalyptisches Lied, aber es spielt auch hier ein bisschen Humor mit rein.

Sind Sie in Frieden mit sich selbst?

Smudo: Ich denke, ja.

Haben Sie noch einen großen Traum?

Smudo: Ich habe keinen konkreten Traum. Aber es ist nicht so, dass ich vor lauter Zufriedenheit nicht mehr wüsste, was ich machen soll. Das ist aber Privatsache. Und mit den Fantas wollen wir das 30-jährige Jubiläum noch angreifen und uns dazu etwas einfallen lassen.

Die Fantastischen Vier bei der Verleihung des Jacob-Grimm-Preises für Verdienste um die deutsche Sprache (von links): And.Ypsilon, Smudo, Michi Beck und Thomas D.
Foto: Göran Gehlen, dpa | Die Fantastischen Vier bei der Verleihung des Jacob-Grimm-Preises für Verdienste um die deutsche Sprache (von links): And.Ypsilon, Smudo, Michi Beck und Thomas D.

Verplempern Sie Ihre Zeit manchmal auch mit weniger anspruchsvollen Dingen?

Smudo: Natürlich! Mit Nichtstun. Wenn es geht - was selten genug passiert - mit Ausschlafen. Müßiggang ist herrlich und in meiner aktuellen Lebenssituation der pure Luxus!

Welchen Tribut fordert die Kunst? Ist ein bahnbrechendes Werk ohne Weiteres zu haben?

Smudo: Ich bin, glaube ich, schon zu lange im Unterhaltungskunstbetrieb tätig, um dem allgemein eine große Ehrfurcht abzugewinnen. Was ist ein bahnbrechendes Werk? Hier und da finde ich Lieder auch wirklich toll oder genial oder bewundere die Schaffenskraft der Kollegen, aber das hat viel mit meinen persönlichen Gefühlen zu tun. Das tatsächliche Machen ist gar nicht so schwer, also das Handwerkliche. Musik ist für mich dann toll, wenn sie locker und leicht wirkt. Dass da viel Arbeit hintersteckt, ist eine andere Sache. Oder wenn eine Produktion so viel Tiefe hat, dass man sie sich auch in zehn, 15 Jahren noch anhören kann.

Woran erkennt man solch eine Produktion?

Smudo: Das weiß der Künstler in der Gegenwart wohl auch nicht immer. Oft ist es auch dem Zufall geschuldet. Wenn ein Künstler viel veröffentlicht, ist vielleicht auch ein Klassiker dabei. Als Campino für "Tage wie diese" einen Texter-Preis bekommen hat, sagte er, der Song sei eigentlich eine Gesamtarbeit, an der auch diejenigen beteiligt gewesen seien, die für die Stimmung im Studio gesorgt haben. Wenn er wüsste, wie man solch einen Klassiker hinbekommt, würde er es öfter machen. Weise Worte. Sie haben den Hit seinerzeit nicht kommen sehen.

Heutzutage werden Konzerte über den Bildschirm eines in die Höhe gereckten Smartphones im Videomodus verfolgt. Haben Sie sich mittlerweile daran gewöhnt?

Smudo: Das ist immer noch ein bisschen komisch. Früher gingen die Hände hoch, heute sind es die Bildschirme. Wenn ich selber auf ein Konzert gehe, filme ich nicht mit. Aber von der Bühne aus gesehen ist es auf jeden Fall ein großer optischer Unterschied. Aber was soll man denn sonst machen, wenn man keine Konzerte mehr macht? Ich las mal in einem Interview von Fettes Brot, dass sie sich auch schon mal getrennt hätten und nach dem Abschlussgespräch auf dem Heimweg tauchte die Frage auf: „Was mach' ich denn jetzt? Was kann ich denn sonst machen?“ Wir sind jetzt seit 30 Jahren ganz gut und erfolgreich dabei. Es ist nicht so, dass ich nicht beschäftigt wäre, aber die Fantas sind mein Kernding. Die anderen Aktivitäten haben sich daraus ergeben.

 
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