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Würzburg
Warum für den Liedermacher Pippo Pollina die Liebe ein hochpolitisches Thema ist
Kaum beginnt der Schrecken von Corona zu verblassen, wirft der Krieg seinen Schatten über Europa. Für Pippo Pollina ein Grund mehr, auf der Bühne die Werte Europas zu vertreten.
Pippo Pollina: 'Wir Europäer müssen endlich zu einer gemeinsamen Position finden.'
Foto: Dita Vollmond | Pippo Pollina: "Wir Europäer müssen endlich zu einer gemeinsamen Position finden."
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 27.04.2023 12:33 Uhr

Spätestens seit Pippo Pollina 1993 für ein ganzes Jahr mit Konstantin Wecker auf Tour ging, hat der italienische Liedermacher auch in Deutschland viele Fans. Entdeckt wurde er Mitte der 1980er Jahre, als er in Luzern Straßenmusik machte. Heute zählt Pippo Pollina, geboren 1963 auf Sizilien, europaweit zu den bekanntesten italienischen Cantautores mit politischem Anspruch. Geprägt von den Erfahrungen mit der Mafia auf seiner Heimatinsel, setzt er sich mit poetischen Mitteln für den Frieden und gegen Machtmissbrauch und Korruption ein. Pippo Pollina lebt seit über 20 Jahren in der Schweiz und spricht ausgezeichnet Deutsch. Am 13. März stellen er und sein Palermo Acoustic Quintet das neue Album "Canzoni Segrete" ("Geheime Lieder") in der Würzburger Posthalle vor.

Ein Gespräch über Liebe, Politik und natürlich über den Krieg.

Frage: Sie haben immer für Frieden, für Freundschaft, für Liebe gesungen. Jetzt ist wieder Krieg in Europa – wie erleben Sie das?

Pippo Pollina: Das ist natürlich eine ganz schreckliche Zeit. Und für uns Europäer eine wichtige Gelegenheit, uns den Wert des Friedens wieder stärker bewusst zu machen. Jetzt muss alles getan werden, dass dieser Krieg aufhört, und dass so etwas nicht wieder passieren kann. Es ist überhaupt nicht denkbar, dass Krieg wieder zu einem Mittel von Regierungen wird. Und es ist eine schreckliche Erkenntnis, dass es immer noch möglich ist, sowas auch nur zu denken.

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Haben wir in Europa den Frieden zu selbstverständlich genommen? Haben wir zu wenig getan für den Frieden?

Pollina: Nach der Wende ist Deutschland in einer anderen Zeit angekommen. Wir haben uns von der Teilung Europas verabschiedet und gedacht, dass wir jetzt keine Angst mehr haben müssen, dass so etwas passiert. Aber Frieden ist ein Ziel, das wir täglich neu erreichen müssen. Was jetzt passiert, hat seine Ursachen in der Geschichte. Putin und andere mächtige Menschen in Russland, auch einige Oligarchen, haben den Kalten Krieg erlebt. Russland war eine der drei Großmächte, die diesen Krieg geführt haben. Vielleicht wäre eine neutrale Zone ein Kompromiss, damit ein gewisses Gleichgewicht gewahrt wird. Trotzdem kann man nicht akzeptierten, dass aus der Unzufriedenheit eines Landes heraus Gewalt entsteht. Erst muss der Krieg aufhören, und dann muss eine Ordnung geschaffen werden, die für alle akzeptabel sein kann.

Pippo Pollina (rechts) im Sommer 2019 mit Werner Schmidbauer und Martin Kälberer auf der Bühne des Würzburger CCW.
Foto: Johannes Kiefer | Pippo Pollina (rechts) im Sommer 2019 mit Werner Schmidbauer und Martin Kälberer auf der Bühne des Würzburger CCW.
Aber die Ukraine will nicht neutral sein. Und es sieht so aus, als würde Putin das Land mit seinem Angriff noch näher an den Westen bringen.

Pollina: Ich war vor zwei Jahren in der Ukraine und habe mit vielen Menschen gesprochen. Damals haben sich schon viele in Richtung Westen orientiert, und die EU hat etwas skeptisch reagiert. Man hatte wohl Angst, Russland zu provozieren. Auf jeden Fall aber müssen wir Europäer zu einer gemeinsamen Position finden, und die kann nicht die gleiche sein wie die der USA. Wir müssen eine unabhängige Politik entwickeln, die zum vierten Pol der weltpolitischen Debatten wird – neben USA, Russland und China. Aber solange wir uneins sind und uns immer nach amerikanischen Bedürfnissen richten, werden wir Opfer der Geschichte bleiben.

In Italien lebt die größte ukrainische Gemeinde in Europa außerhalb der Ukraine. Bekommen Sie mit, wie da die Beziehungen sind?

Pollina: Ich habe das auch mit Interesse gelesen. Ich glaube, da sind im Laufe der Jahre viele Beziehungen entstanden. Und viele Menschen leiden unter dem Schreck, den dieser Krieg ausgelöst hat. Aber hier ist es wie überall: Wenn man persönliche Kontakte hat, nimmt man viel stärker Anteil. Es gibt auch viele Italiener, die haben überhaupt keinen Bezug zu diesem Krieg. Für die ist er genauso weit weg wie Afghanistan.

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Auf Ihrer neuen CD gibt es ein Lied mit dem Titel "Tutto chiuso" ("Alles geschlossen"), das sich auf Corona bezieht. Jetzt können Sie endlich wieder auf Tour gehen, und ein Krieg überschattet alles.

Pollina: Vielleicht machen uns die Ereignisse ja wieder stärker bewusst, dass die Kultur in der politischen Debatte eine Rolle haben muss. Ich freue mich total, wieder nach Deutschland zu kommen. Das ist meine dritte Heimat. Durch unsere Konzerte leisten wir auch einen kleinen Beitrag, unsere Werte zu verbreiten. Und vielleicht ist es heute wichtiger denn je, unterwegs zu sein und diese Werte zu besingen.

Ihr neues Album ist ein sehr persönliches. Es beschäftigt sich mit dem Älterwerden, mit dem Abschied nehmen. Wird Sie der Krieg dazu bringen, wieder politischer zu singen?

Pollina: Über die Liebe zu singen, bedeutet auch, über Politik zu singen. Liebe ist der Schlüssel zum Frieden. Liebe für die Menschen, für unsere Freunde, für unser Land, für unsere Ideale, für unsere Kinder – das ist der Motor für alles. Die Welt der Gefühle ist ja nicht getrennt von der sozialen Welt. Diese beiden Welten treffen sich ununterbrochen. Und deshalb ist und bleibt das eine politische Sache.

Pippo Pollina & Palermo Acoustic Quintet: Sonntag, 13. März, Posthalle Würzburg, Einlass 19 Uhr, Beginn 20 Uhr. Karten: www.posthalle.de, an den bekannten Vorverkaufsstellen und an der Abendkasse.

 
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