„Ich ahne, dass es etwas uns Unbegreifbares gibt.“ Das sei „in einer metaphysischen Dimension“ angesiedelt, aber „keine Macht, die ich anbete, die mich schützt, der ich vertraue, auf die ich hoffe, kein Gott, der richtet, belohnt und bestraft.“ Gerhard Wimberger formuliert so etwas wie ein Glaubensbekenntnis des Agnostikers, eines Menschen, der die Antwort auf die Frage nach der Existenz Gottes offenlässt, weil sie sich nicht rational beantworten lässt.
Wohl aber die Frage danach, wie wichtig Religion heute noch ist. Der Titel des Wimberger-Buches zeigt, wohin die Reise geht: „Glauben ohne Christentum“. Der Österreicher ist von Beruf Komponist. Das Nachdenken über Gott, das Philosophieren über Welt und Mensch treibt den heute 89-Jährigen aber seit jeher um.
Als Mitglied der aufklärerischen Giordano Bruno Stiftung sucht er nach Weltmodellen, die ohne Verehrung eines höheren Wesen auskommen – und vor allem ohne religiöse Dogmen. Denn die, so Wimberger, behindern das Denken, weil sie es kanalisieren wollen und geistige Tabuzonen festlegen, sie reißen Gräben auf, führen zu Kriegen.
Das größte Problem der christlichen Religion sieht Gerhard Wimberger in ihrem Alter. Vor 2000 Jahren – Teile des Alten Testaments sind sogar noch wesentlich älter – wurde in völlig anderen Strukturen gedacht als heute. Warum, so fragt Wimberger, sollten wir uns noch heute an einer Weltsicht orientieren, die Wunder einschloss und Krankheiten durch Dämonenaustreibung zu heilen versuchte? „In der Zeit Jesu herrschten andere Vorstellungen vom Wert menschlichen Wissens“, stellt Wimberger fest und findet, dass „diese alte Religion in der Zeit, in der wir heute leben, völlig unglaubhaft und zum geistigen Fossil geworden ist“.
Er zeigt zudem, auf welch tönernen Füßen die Historizität des Christentums steht. Trotz aller Forschung sei nicht klar, was Jesus selbst gesagt hat und was ihm später in den Mund gelegt wurde. Die Evangelien – deren Autoren lange nach Jesus lebten und weit entfernt von den Orten seines Wirkens – widersprechen sich zudem mehrfach.
Neu sind Gerhard Wimbergers Argumente nicht. Man kennt sie von anderen Religionskritikern, die der belesene Komponist gerne und ausführlich zitiert – von Ludwig Feuerbach über Jacques Monod bis Karlheinz Deschner. Aber er fasst in seinem Buch Erkenntnisse und Argumente schlüssig und kompakt zusammen.
Gerhard Wimberger: Glauben ohne Christentum – Eine Vision (Tectum, 130 Seiten, 14,95 Euro)