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WÜRZBURG
Waltraud Meier plant Rückkehr nach Bayreuth
Ralph Heringlehner
Ralph Heringlehner
 |  aktualisiert: 03.12.2019 08:58 Uhr

Nach dem Karrierestart am Würzburger Theater stieg Waltraud Meier schnell in die Weltspitze auf. Vor allem als Darstellerin in Richard Wagners Musikdramen feierte die Mezzosopranistin weltweit Erfolge – etwa als Kundry („Parsifal“) und als Isolde („Tristan und Isolde“). In diesem Sommer ist die gebürtige Würzburgerin zweimal in der Region zu Gast: am 2. Juli beim Würzburger Mozartfest und am 24. Juli beim Kissinger Sommer.

Frage: Jüngst war zu lesen, Sie hätten Abschied genommen von Wagner-Rollen auf der Opernbühne . . .

Waltraud Meier: Nicht von allen Wagner-Rollen. Ich habe mit Isolde, Kundry und Sieglinde abgeschlossen. Also mit den sogenannten typischen Sopranpartien. Aber Ortrud bleibt noch. Ich möchte ja, wenn's geht, 2018 in Bayreuth die „Lohengrin“-Premiere singen. Und es gibt ja auch noch andere Wagner-Partien. Waltraute singe ich zum Beispiel noch. Es ist keinesfalls so, dass ich nicht mehr Wagner singe. Beethovens „Fidelio“-Leonore jedoch habe ich abgeschlossen.

Sie singen 2018 bei den Bayreuther Festspielen? Gab's da nicht mal Probleme?

Meier: Es ist ja hinlänglich bekannt, dass da mal was war (lacht). Es hat sich aber noch zu Lebzeiten von Wolfgang Wagner wieder eingerenkt. Wir haben uns geschrieben, sind also in Frieden verblieben. Jetzt freut's mich sehr, dass die jetzige Festspielleiterin Katharina Wagner und auch Dirigent Christian Thielemann auf mich zugekommen sind. Die beiden wollen mich unbedingt als Ortrud haben. Und ja – ich tue mein Bestes.

War es eine leichte Entscheidung, zu sagen: Ich hör' mit Isolde und Kundry auf?

Meier: Natürlich nicht. Ich habe Isolde 22 Jahre lang gesungen, bei Kundry waren's sogar 34 Jahre. Man verwächst mit der Rolle. Ich weiß, ich hätte noch viel dazu zu sagen. Aber ich wollte einfach an einem Punkt aufhören, wo die Balance zwischen der Erfahrung und Reife und den stimmlichen Möglichkeiten noch stimmt.

Kann man denn tatsächlich über Jahrzehnte hinweg immer wieder was Neues in einer Figur entdecken?

Meier: Diese Figuren sind so komplex, so vielschichtig. Jeder Satz muss neu ausgeleuchtet, wieder in einen Zusammenhang gestellt werden. Für mich war das eine endlose Beschäftigung. Ich könnte ewig weitermachen. Es ist halt schad', dass irgendwann, wenn man älter wird, die sängerischen Kräfte nicht mehr ganz so frisch sind wie früher (lacht).

Ihr Terminkalender hat sich durch den Teilrückzug ja nicht wirklich ausgedünnt. Es ging Ihnen also gar nicht in erster Linie darum, mehr freie Zeit zu haben?

Meier: Nicht in erster Linie, aber darum, den Druck ein bisschen rauszunehmen. Den Druck bei diesen Rollen – auch einen Erwartungsdruck vom Publikum – habe ich in den letzten Jahren halt schon gespürt und auch gemerkt, dass das schwer zu managen ist. Ich fühle mich jetzt erleichtert.

Haben Sie je ein ruhiges Leben vermisst?

Meier: Ich glaube, das Leben, das ich geführt habe, hat mir schon ziemlich entsprochen. Ich bin ein selbstbestimmter Mensch. Natürlich hat man Höhen und Tiefen – wie jedermann. Ich habe mein Leben, so wie ich es geführt habe, schon sehr genossen. Und genieße es jetzt fast noch (überlegt) – ja: entspannter.

Ihr Auftritt beim Mozartfest steht unter der Überschrift: „40-jähriges Bühnenjubiläum“.

Meier: Das habe ich neulich in New York gefeiert – auf den Tag genau. Meinen ersten Auftritt hatte ich am 4. Mai 1976 in Würzburg als Lola in „Cavalleria rusticana“. Beim Mozartfest in Würzburg wird nachgefeiert. Das finde ich absolut passend, und es freut mich.

Wie hat sich denn über 40 Jahre hinweg der Beruf verändert?

Meier: Natürlich hat die Schnelllebigkeit auch diesen Beruf erfasst. Erfolg oder Misserfolg verbreiten sich in Windeseile um die ganze Welt. Auch da ist der Druck größer geworden. Es ist manches zudem ein bisschen oberflächlicher geworden.

Hat sich denn das Publikum geändert?

Meier: Ja. Und da sind wir auch selber dran schuld. Wenn Zuschauer protestiert haben, weil sie irgendetwas einfach nicht gemocht haben, wurde ihnen unterstellt, dass sie es nicht verstanden hätten. Jetzt stelle ich fest, dass das Publikum oft gar nicht mehr wirklich nachfragen will, etwa, was das Stück eigentlich erzählt. Das wurde ihm ausgetrieben. Zuschauer nehmen vieles einfach hin und sind schon zufrieden, wenn auf der Bühne viel los ist.

Das ist aber in erster Linie ein Defizit der Regie, oder?

Meier: Ja, natürlich. Aber es liegt auch an den Verantwortlichen, an den Intendanten und so weiter. Die glauben – wahrscheinlich auch unter einem Druck – sie müssen immer Sensationen bieten, egal ob positive oder negative. Hauptsache, man ist im Gespräch. Ich bemängle, dass inzwischen Kritiklosigkeit herrscht, oder Unkenntnis. Die aber nicht nur auf eigenem Versäumen des Publikums beruht. Kritikfähigkeit wurde ihm auch ausgetrieben, weil es für blöd gehalten wurde. Wenn gebuht wurde, hieß es immer: „Die haben's nicht verstanden.“ Es gab aber auch vieles, was wirklich nicht zu verstehen war.

Apropos „Buh“: Sind Sie jemals ausgebuht worden?

Meier: Nein. Und auch das war mit ein Grund, weswegen ich rechtzeitig aufhören wollte (lacht). Nee, nee, nee, das will ich nicht erleben.

Ganz generell: Ich finde, die Buh-Ruferei irgendwie unfair. Wenn's jemandem nicht gefällt, kann er in der Pause gehen. Wie sehen Sie's?

Meier: Buhs für Sänger finde ich wirklich hart. Ein Sänger gibt immer sein Äußerstes und sein Bestes. Man spürt als Sänger auch sehr deutlich, wenn man einen mageren Applaus kriegt und begreift, wenn man ein bisschen sensibel ist, was das bedeuten soll. Buh-Rufe für die Regie sind mittlerweile schon eine Art von Sport. Es gibt ja Regisseure, die sich im „Buh“ sonnen. in dieser Beziehung bin ich ein bisschen emotionslos, ehrlich gesagt.

Sie kennen die großen Bühnen dieser Welt. Nun haben Sie auch beim G 7-Gipfel in Elmau gesungen – vor Obama, Merkel und anderen Staatschefs. War das was ganz Besonderes?

Meier: Finde ich schon. Natürlich will man da nicht irgendwie einen Schnitzer haben. Man will ganz besonders und perfekt sein. Ja, doch, das war schon eine besondere Spannung.

Ihre Auftritte in Würzburg und Bad Kissingen sind sehr unterschiedlich, obwohl – neben anderem – jeweils Mahlers „Des Knaben Wunderhorn“ auf dem Programm steht: einmal mit Klavierbegleitung, einmal mit Orchester.

Meier: Streng genommen findet nur in Würzburg das statt, was man einen Liederabend nennt. Liederabend im klassischen Sinn ist Gesang mit Klavier. In Bad Kissingen ist es ein Konzert, wo ich Orchesterlieder singe. Mahler hat sowohl für Klavier als auch für Orchester vertont.

Nur mit Klavier stelle ich mir schwieriger vor. Da sind sie irgendwie schutzloser.

Meier: Ja, aber es ist auch eine direktere Gestaltungsmöglichkeit. Ich genieße es sehr, nur im Dialog mit dem Pianisten zu sein. Und ich habe in Joseph Breinl einen ganz wunderbaren Pianisten. Wir sind sehr aufeinander eingespielt. Mindestens ein Ohr ist vollkommen auf den anderen gerichtet.

Waltraud Meier

Geboren am 9. Januar 1956 in Würzburg. Sie erarbeitete sich nach dem Debüt in ihrer Geburtsstadt an verschiedenen Theatern ein breites Repertoire. Ihre Weltkarriere startete sie 1983 als Kundry im „Parsifal“ bei den Bayreuther Richard-Wagner-Festspielen. Nach einem Streit mit Festspielleiter Wolfgang Wagner (1919 bis 2010) kehrte sie Bayreuth im Jahr 2000 den Rücken.

Die vielfach ausgezeichnete Künstlerin ist in den großen Opernhäusern zu Haus, von der Londoner Covent Garden Opera über die New Yorker „Met“ und die Mailänder Scala bis zur Wiener Staatsoper und der Bayerischen Staatsoper München.

 
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