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BAD MERGENTHEIM
Vor Konzert in Bad Mergentheim: Adel Tawil über seine Lieblingslieder
Konzert in Bad Mergentheim: Als Partner von Annette Humpe war er bereits mit Ich + Ich erfolgreich, solo setzt er das nahtlos fort. Im Interview erzählt Adel Tawil, wer sein Gott war und wie er auf Bob Dylan stieß.
Cover des Tawil-Soloalbums. Foto: UNiversal
| Cover des Tawil-Soloalbums. Foto: UNiversal
Jürgen Höpfl
 |  aktualisiert: 24.04.2015 14:54 Uhr

Adel Tawil? War das nicht der Sänger von Ich + Ich? Genau das! Gemeinsam mit der Berliner Produzentin Annette Humpe spielte er zwischen 2005 und 2010 als Ich + Ich drei Alben ein, das zweite (2007, „Vom selben Stern“) verkaufte stolze 1,3 Millionen Exemplare. Mittlerweile hat Tawil etliche private Schlagzeilen geschrieben und unter anderem die Soloalben „Lieder“ und „Lieder live“ veröffentlicht. Am erfolgreichsten daraus wurde der Song „Lieder“, in dem der 36-Jährige seine 28 Lieblingslieder vereint. Folgerichtig geht er auf „Lieder-Tour“ – am 10.Juli, führt sie ihn in den Bad Mergentheimer Schlosshof.

FRAGE: Sie waren ja in jüngster Zeit durch die Trennung von Ihrer Gattin Jasmin stark auch auf den bunten Seiten der Zeitungen vertreten, bei Google gibt‘s unter Ihrem Namen derzeit vor allem Einträge zu Ihrer Ehe. Wollen Sie dazu etwas sagen?

ADEL TAWIL: Nein, ich möchte nichts dazu sagen. Es gibt dazu auch nichts zu sagen, denn das ist reine Privatsache. Ich habe immer versucht, mich aus privaten oder politischen Dingen rauszuhalten. Ich mache Popmusik. Das ist das Thema, das mich etwas angeht.

Wobei Sie als Popmusiker ein sehr gutes Beispiel für gelebte Integration sind: Sie sind der Sohn von nordafrikanischen Immigranten und doch Deutscher. Ihre Mutter ist Tunesierin, der Vater Ägypter, geboren und aufgewachsen sind Sie in Berlin-Siemensstadt.

TAWIL: Schön, dass Sie das mit meiner integrativen Rolle so sehen! Denn was momentan gesellschaftlich beim Thema Einwanderung abgeht, finde ich vor allem vom Tonfall her besorgniserregend. Bin ich als Sohn afrikanischer Eltern jetzt in diesem Lande überhaupt noch akzeptiert oder nicht? Da bekommt man schon ein schlechtes Gefühl. Allerdings verstehe ich auch Menschen, die, aus welchen Ängsten oder Sorgen auch immer, auf die Straße gehen und protestieren.

Sind Sie islamisch erzogen?

TAWIL: Ja klar. Aber die Religion hat in meinem Leben oder innerhalb der Familie nie eine großartige Rolle gespielt. Ich bin hier geboren und fühle mich als Deutscher – wäre ich in Ägypten geboren, wäre das vielleicht etwas anderes.

Damit lässt sich ja der Bogen zur Popmusik spannen: „Geh'n wie ein Ägypter“, im Original „Walk like an Egyptian“ von den Bangles, ist eines ihrer erklärten Lieblingslieder.

TAWIL: Das passt ja wohl auch zu einem Halb-Ägypter.

Schöne Idee, 28 Lieblingslieder unter dem Titel „Lieder“ zu vereinen und auf einem Album, das ebenfalls „Lieder“ heißt, zu veröffentlichen – obwohl Sie ja kein reiner Liedermacher sind. Hierzulande bringt man diesen Begriff eher mit Politpoeten wie Hannes Wader oder Konstantin Wecker in Einklang.

TAWIL: Ein solcher Liedermacher bin ich natürlich nicht. Aber ich finde, ich mache schon auch Lieder. Ich bin vom Typ mehr ein Singer-Songwriter, im britischen Sinne von unterhaltsam. Mein Ziel ist es, durch die Musik Leute zu berühren und Inhalte zu transportieren, die mich immer wieder in meinem Leben begleitet haben und die wahrscheinlich die meisten Menschen da draußen auch irgendwann irgendwie mal begleitet haben, Menschen mit ähnlichen Geschichten. Du bist nie allein, lautet die Botschaft.

Wie rutschte dann das Adventslied „Maria durch ein‘ Dornwald ging“ in die Liste Ihrer 28 Lieblingslieder?

TAWIL: Das ist eine sehr persönliche Geschichte. Im Schulchor musste ich bei der Weihnachtsfeier in der vierten Klasse zum allerersten Male als Solist auftreten und habe gezittert und alle Ängste erlebt, die möglich waren. Dann habe ich es aber geschafft – wow!!! – und das Hochgefühl nie mehr vergessen.

Michael Jackson war Ihr Gott, singen Sie.

TAWIL: Nicht nur meiner. Er war schon sehr prägend, das Vorbild überhaupt, so wollten wir alle tanzen und aussehen. Bis zu jenem Tag, ab dem Michael Jackson so aussah, dass keiner mehr so aussehen wollte wie er.

Bob Dylan passt zwar nicht ganz dazu, steht aber mit „Like a rolling Stone“ ebenfalls in Ihrer Liste.

TAWIL: Die Nummer ist ja wohl einer der größten Popsongs, die jemals geschrieben wurden. Ich muss aber zugeben, dass ich bei Dylan ein Spätberufener bin. Ihn hat mir mal Annette Humpe nahegebracht, als wir bei ihr nachts am Küchentisch saßen und philosophierten.

Annette Humpe, Ihre Partnerin beim Ich + Ich- Projekt, ist seit ihrer Zeit bei der Gruppe Ideal in häufig wechselnden Rollen zu einer der langlebigsten Erfolgsfrauen des deutschen Pop geworden.

TAWIL: Und sie hat mich um 2002 'rum gerettet, wie ich das jetzt mal formuliere. Meine Anfangszeit in der Boyband The Boyz war von Plastikpop dominiert und sehr fremdbestimmt. Wir hatten sogar zu unterschreiben, dass wir keine Freundin haben dürfen. Das war natürlich nicht der Weg, den ich mir so vorgestellt hatte. In dieser Zeit gabelte mich die Annette auf und hat mich richtig wachgemacht, ich müsse endlich meinen eigenen Weg gehen, nicht nur rumsitzen und warten, dass was passiert. Und vor allem nicht immer nur Ja und Amen zu allem sagen.

Gab es mal eine Zeit, in der man sich Sorgen um den Berliner Jungen Adel machen musste?

TAWIL: Na ja, ein bisschen schon, aber letztlich nicht. Ich hatte ziemlich viele Flausen im Kopf, habe eine Schule mit Graffiti besprüht, war aber nie mit Drogen in Berührung oder straftätig. Ich habe immer gewusst, wo Schluss ist, auch, weil meine Eltern dahinterstanden, die mich gut erzogen haben. Ihnen bin ich dafür stets dankbar, und Annette Humpe für die spätere Entwicklung.

Mit Annette Humpe hatten Sie bei Ihrem gemeinsamen Projekt Ich + Ich zwar hohe Verkaufszahlen und erfolgreiche Nummern – erreichten aber irgendwie nie den höchsten Grad an Anerkennung seitens der etwas kritischeren Geister im Lande.

TAWIL: Das stimmt schon, wir wurden am Anfang sogar belächelt, nach dem Motto, was will denn der junge Kerl mit der älteren Frau da. Qualität setzt sich aber dauerhaft durch, und auf die Qualität unserer Texte und Inhalte haben wir sehr genau geachtet. Außerdem ist und bleibt es einfach so, dass man mit Musik selten den Geschmack aller möglichen Hörer erreichen wird.

Ihre Solowerke nach der Ich + Ich-Zeit klingen von den damaligen Hits nicht weit entfernt.

TAWIL: Meinen Sie? Ich finde, dass ich speziell in Rhythmus und Arrangement meinen Weg konsequent weiterbeschritten habe. Auch bei den Texten habe ich doch etwas anderes zu sagen.

Irgendwie ist es ja auch nicht ganz leicht, zwischen den Vorlieben der Jüngeren und dem Anspruch der Älteren zu pendeln. Wo wollen Sie in fünf Jahren stehen?

TAWIL: Das wird man sehen. Ich lasse die Dinge mal auf mich zukommen und bleibe so lange auf der Suche.

Allein durch Ihre Stimme haben Sie einen eigenen und unverwechselbaren Charakter – Adel Tawil erkennt man sofort.

TAWIL: Dafür muss ich mich ja nicht schämen. Schön ist es jedenfalls, keine Schublade zu sein.

Adel Tawil: „Ich lasse die Dinge auf mich zukommen.“
Foto: dpa | Adel Tawil: „Ich lasse die Dinge auf mich zukommen.“
 
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