zurück
BERLIN
Von deutscher Nazi-Vergangenheit bis Karl May
Filmmogul: Artur Brauner in seinem Zuhause vor einem Bild seiner Frau Maria in jungen Jahren.
Foto: dpa | Filmmogul: Artur Brauner in seinem Zuhause vor einem Bild seiner Frau Maria in jungen Jahren.
epd
 |  aktualisiert: 30.07.2013 18:48 Uhr

Er ist, auch wenn er auf die 100 zugeht, immer noch ein gern gesehener Gast auf den Partys in Berlin – ob bei der Verleihung der Deutschen Filmpreise oder beim Sommerfest der Filmproduzenten. Artur Brauner, Filmproduzent und Immobilienunternehmer, ist eine Legende. Am Donnerstag, 1. August, wird er 95. Und er mischt sich immer wieder in die öffentliche Diskussion ein, hat etwa den ARD-Film „George“ angegriffen. Götz George spielt darin seinen Vater Heinrich, Brauner kritisierte im „Focus“, Götz George wollen seinen Vater „glorifizieren“. Heinrich George wirkte etwa im antisemitischen Hetzfilm „Jud Süß“ mit. In Sachen nationalsozialistischer Vergangenheit ist Brauner hellhörig. Er wurde 1918 im polnischen Lodz als Sohn eines jüdischen Holzhändlers geboren.

Flucht aus dem KZ

Den Holocaust überlebte er, weil er sich in Wäldern versteckte und gegen Kriegsende aus einem Konzentrationslager floh. 49 Verwandte seiner Familie wurden in Ghettos und Lagern von den Nazis umgebracht. In den vergangenen Jahrzehnten widmete Brauner sich verstärkt Filmen, die an die NS-Zeit erinnern: „Sie sind frei, Dr. Korzak“ (1973) über den polnischen Arzt Janusz Korczak, „Die weiße Rose“ (1982) über den Widerstand, „Bittere Ernte“ (1985) über die jüdische Studentin Rosa und „Hitlerjunge Salomon“ (1989) über den jüdischen Hitlerjungen Sally Perel.

„Babij-Jar – Das vergessene Verbrechen“ (2003) behandelt das Massaker an den Juden von Kiew, „Der letzte Zug“ (2006) hat einen Transport in das KZ Auschwitz zum Thema. 2011 schließlich entstand nach einer Idee Brauners „Wunderkinder“. Es geht um drei musikalisch begabte Kinder in der Ukraine, zwei davon jüdisch, deren Freundschaft durch die Nazi-Besetzung auf die Probe gestellt wird. Insgesamt hat Artur Brauner rund 250 Filme produziert. Mit seiner Firma CCC-Film wurde er in den 50er Jahren zu Deutschlands wichtigstem Produzenten. Es waren Zeiten, in denen das bundesdeutsche Publikum noch ausgelaugt war von den mageren Nachkriegsjahren, aber emsig am Wirtschaftswunder arbeitete und sich im Kino ein paar schöne Stunden machen wollte. Brauner gab ihm jene Illusionen, die für eine kurze Zeit Trost und Ablenkung versprachen.

Kein anderer Filmproduzent hat den deutschen Nachkriegsfilm geprägt wie er – und kaum ein anderer hatte so wenig Skrupel wie er, die Zuschauer auch mit seichter Unterhaltung zu versorgen. Er baute eine der modernsten und größten europäischen Atelieranlagen in Berlin-Spandau auf, die zeitweilig über 500 Mitarbeiter beschäftigte. Brauner war in allen Genres zu Hause, die einigermaßen Erfolg in den Kinos versprachen. Er vertraute auf die großen Namen kassenkräftiger Stars und auf Drehbücher, die ihre Herkunft von Boulevardstücken und simplen Schwänken nicht verleugnen konnten.

Ambitionierte Literaturadaptionen

Brauner hängte sich an alle Wellen, die gerade als en vogue im Kino galten, ob es Musicals, „Problemfilme“, Karl-May-Verfilmungen oder Wallace-Krimis waren. Für einige Sex-Klamotten war er sich auch nicht zu schade. Seine Lieblingsprojekte in den 50er und 60er Jahren aber waren ambitionierte Literaturadaptionen und Neuverfilmungen klassischer Kinostoffe aus den 20er und frühen 30er Jahren. Dahinter steckte nicht nur die Absicht, mit dem Remake eines ehemaligen Kassenknüllers noch einmal Profit zu machen. Brauner wollte auch an eine Tradition anknüpfen, die dem deutschen Film einmal Weltgeltung verschafft hatte – und die noch unbefleckt gewesen war von der Unterhaltungsmaschinerie der Nazi-Zeit. Er verfilmte den „Tiger von Eschnapur“ noch einmal und auch „Die Nibelungen“.

Schon damals gab es den unbequemen Artur Brauner: den, der einem Filmball wegen der Anwesenheit des Nazi-Regisseurs Veit Harlan fernblieb; den, der aus der Emigration zurückgekehrte Regisseure wie Robert Siodmak oder Fritz Lang und Schauspieler wie Peter van Eyck oder Fritz Kortner beschäftigte. Und den, der nicht müde wurde, die Deutschen immer wieder an ihre braune Vergangenheit zu erinnern.

Schon in seinem zweiten Film, „Morituri“ (1947/48), der eigene KZ-Erlebnisse verarbeitete, begann seine Beschäftigung mit der NS-Diktatur. Aber auch in unpolitischen Genres wagte Brauner, der der Regisseursgeneration der 60er und 70er Jahre als typischer Repräsentant von „Papas Kino“ erschien, manchmal etwas: Mit der von Robert Siodmak inszenierten Hauptmann-Adaption „Die Ratten“ (1955) gelang ihm eines der wenigen Meisterwerke des Adenauer-Kinos, ein düsterer Film mit expressiven Bildern. Brauner ist seit 1947 mit seiner Frau Maria verheiratet und hat vier Kinder. Tochter Alice arbeitet mittlerweile an seiner Seite.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Antisemitismus
Artur Brauner
Filmpreise
Focus
Fritz Lang
Götz George
Heinrich George
Joseph Süß Oppenheimer
Karl May
Konzentrationslager
Kriminalromane und Thriller
Nationalsozialisten
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen