zurück
Verborgene Kunstschätze: Kloster Frauental - ein Säulenwald mit Mumien
Verborgene Kulturschätze: In unserer Serie stellen wir ungewöhnliche – und wenig bekannte – Ausstellungen vor. Heute: Kloster Frauental. In der ehemaligen Niederlassung der Zisterzienserinnen liegen zwei Kirchen übereinander. In der unteren haben sich Leichname unverwest erhalten.
Bilderbuch-Gotik: Die Atmosphäre der Unterkirche nimmt gefangen. Im Text: Teil einer uralten Wandmalerei.
Foto: Klaus Hein/Tourist-Info Creglingen, hele | Bilderbuch-Gotik: Die Atmosphäre der Unterkirche nimmt gefangen. Im Text: Teil einer uralten Wandmalerei.
Von unserem Redaktionsmitglied Ralph Heringlehner
 |  aktualisiert: 21.12.2015 13:52 Uhr

Fünfmal bellt das Glöckchen aus dem Fachwerkturm. Der helle Ton fliegt über die Dächer der 200-Seelen-Siedlung, hinaus ins saftig grüne Tal. Abendstimmung in Frauental. Still ist es hier und friedlich. Wer die Augen schließt und die von der Sommersonne warmen Mauern der Klosterkirche berührt, glaubt, die Vergangenheit spüren zu können. Als wäre er in der Zeit gereist. Würde aus dem Kirchenschiff das Vespergebet der Nonnen klingen, der Besucher wäre nicht sonderlich überrascht – obwohl die letzte Frauentaler Zisterzienserin 1547 starb.

Das Kloster ist heute ein Museum – jedenfalls zum Teil. Ein weiterer Teil dient der kleinen Gemeinde noch immer als Gotteshaus. Denn eigentlich besteht die Klosterkirche aus zwei Kirchen, die teilweise übereinander liegen. Eine Besonderheit. „Hier ist alles besonders“, sagt Margret Gröger. Die Führerin des Museumsvereins steht im Chor der sogenannten Oberkirche, dem ältesten Teil des 34 Meter langen Kirchenschiffs. Begonnen wurde mit dem Bau kurz nach 1232, am Übergang zwischen Romanik und Gotik. Die schmalen Halbsäulen in den sechs Ecken des Chorraumes zeigen den Blattschmuck aus dem frühen 13. Jahrhundert. Vom Hauptaltar sind noch die gemauerten Fundamente zu sehen.

Das lässt Freiraum für Spekulationen: Stand hier vielleicht ursprünglich der berühmte Riemenschneider-Altar, der jetzt die Attraktion der nur wenige Kilometer entfernten Creglinger Herrgottskirche ist? Das Meisterwerk des Würzburger Bildschnitzers ist ein Marienaltar – das würde zu einem Zisterzienserinnenkloster passen. Und das „Creglinger Lichtwunder“, bei dem die Riemenschneider-Madonna, von der Sonne beschienen, nahezu magisch beleuchtet erscheint, hätte auch in der Frauentaler Kirche funktioniert, glaubt Margret Gröger. Vielleicht wurde der wertvolle Altar aus dem Kloster weggeschafft, um ihn in Sicherheit zu bringen – Frauental wurde 1525 im Bauernkrieg zur Hälfte zerstört. Beweisen lasse sich das aber nicht. „Alles Spekulationen“, wehrt Margret Gröger ab.

Lieber begibt sie sich auf sicheres Terrain und steigt die Treppe hoch in den Westteil der Oberkirche. Dass die Hälfte des Gotteshauses quasi im ersten Stock liegt, ist auch eine Besonderheit der ehemaligen Klosterkirche. Hier, auf der sogenannten Nonnenempore, feierten die Ordensschwestern den Gottesdienst (Laien mussten unten bleiben). Wer heute hier oben beim Besichtigen der Vitrinen, Modelle und Dokumente die Geschichte Frauentals vom Kloster zum Dorf nachvollzieht, steht auf der Decke der Unterkirche. Doch vor dem Abstieg dorthin nimmt ein weiß verputzter Raum vor dem Westfenster die Aufmerksamkeit gefangen. Die Nonnen betraten das kojenartige Gebilde durch einen mittlerweile zugemauerten, spitzbogigen Durchgang. Draußen waren sie zuvor durch den doppelstöckigen Kreuzgang gelaufen – auch der war eine dieser Besonderheiten des Klosters im Steinachtal.

„Wozu dieser Raum diente, wissen wir nicht mehr“, erklärt die Klosterführerin. Der Boden aus rotem Backstein legt die Vermutung nahe, dass er als Wärmestube für die frommen Frauen diente. Das Kloster war, wie seinerzeit üblich, unbeheizt. „Es wird richtig kalt hier in der Kirche“, weiß Margret Gröger. Heute sind in dem weißen Raum steinzeitliche Funde aus der Gegend ausgestellt.

Der Weg in die Unterkirche führt zurück in den ebenerdigen Teil der Oberkirche und durch einen Torbogen unterhalb der Nonnenempore. Es ist ein Weg in eine andere Welt. Der Besucher tritt aus der weiten Oberkirche in einen dichten Wald aus achteckigen Säulen, die sich zur Decke hin zu einem Kreuzrippengewölbe verästeln. Uralte Wandmalereien um den Altarbogen (Jesus und die zwölf Apostel), das schräg durch die kleinen Westfenster fallende Licht und die tiefe Ruhe, die das Kirchlein ausstrahlt, lösen wieder diesen Zeitreise-Effekt aus . . .

Die erst nach der Oberkirche entstandene Unterkirche war ursprünglich Grablege des Adelsgeschlechts der Hohenloher. Und links neben dem Altar wurde 1742 der Amtmann Johann Christoph Meyer zur letzten Ruhe gebettet, sieben Jahre später seine Frau Elisabeth Margarete. Durch gläserne Sargdeckel sind ihre Leichen heute zu sehen – unverwest. Selbst die Kleidung ist erstaunlich gut erhalten. Wahrscheinlich wurden die Toten durch Säurefluss aus dem Gewölbe wie Mumien konserviert. Auch ein Kinderleichnam ist erhalten. Dessen Sarg ist verschlossen. Die Mumien sorgen bei der Besichtigungstour für eine Art Gruseleffekt. Den hat die Klosterkirche aber gar nicht nötig, um den Besucher zu fesseln und in eine längst vergangene Zeit zu schicken.

Frauental liegt zwischen Aub und dem Tauberstädtchen Creglingen, dessen Ortsteil es ist. Öffnungszeiten des Klostermuseums: Anfang März bis 1. November, Mittwoch bis Sonntag 14-17 Uhr.

Der Leichnam des 1742 gestorbenen Amtmannes Johann Christoph Meyer hat sich, natürlich mumifiziert, erhalten.
| Der Leichnam des 1742 gestorbenen Amtmannes Johann Christoph Meyer hat sich, natürlich mumifiziert, erhalten.
Das Museum vermittelt einen Eindruck von den Zerstörungen am Kloster im Bauernkrieg 1525.
| Das Museum vermittelt einen Eindruck von den Zerstörungen am Kloster im Bauernkrieg 1525.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Ausstellungen und Publikumsschauen
Klosterkirchen
Klöster
Mumien
Nonnen
Still GmbH
Zisterzienser
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen