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Würzburg
Verblüffung in Würzburg: Rohrer, Matuschik, Eckhart im Bockhorn
Wer zwei Tage hintereinander ins "Bockshorn" ging, erlebte Wort- und Lehrreiches. Und unser Autor machte am zweiten Tag eine Entdeckung.
Die Radiomoderatoren Matthias Matuschik und Susanne Rohrer gastierten mit ihrem Programm 'Wir müssen reden!' im Würzburger 'Bockshorn'.
Foto: Thomas Obermeier | Die Radiomoderatoren Matthias Matuschik und Susanne Rohrer gastierten mit ihrem Programm "Wir müssen reden!" im Würzburger "Bockshorn".
Joachim Fildhaut
 |  aktualisiert: 08.10.2019 02:10 Uhr

Kabarettgänger fragen sich oft: War das jetzt ironisch? Spricht die da auf der Bühne in einer Rolle oder meint sie das ernst? Wir antworten: Was ein Künstler privat meint, geht uns nichts an. Auch nicht, inwieweit er die Haltung seiner Figur teilt. Wichtig ist, was richtig ist. Und was immer ein Brettelkünstler aussagt, ob es mehr Eigentlichkeit oder doch eher Zersetzungskraft hat – es sollte bei uns Zuhörern vernünftige Gedanken anregen. Oder sonst etwas mit uns anstellen, das das Eintrittsgeld lohnt.

Zwei interessante Beispiele für diesen Phänomenkomplex traten am vergangenen Wochenende im Würzburger Bockshorn auf: am Freitag die beiden BR-ModeratorInnen Matthias Matuschik und Susanne Rohrer, am Samstag vor noch ausverkaufterem Haus Lisa Eckhart.

Mit der Dreistigkeit von Moderatoren

Das Duo schien sich eines Tages in der Funkkantine gesagt zu haben: Wir mit unserm frechen Mundwerk sollten da mehr draus machen, wie wäre es mit einem Kabarettabend? Anders als die sprunghafte Art vor dem Dudelfunk-Mikro sollten auf der Bühne längere Themenbögen das Publikum bei der Stange halten. Die Textarbeit gelang dem Paar anscheinend mit Leichtigkeit, denn Ideen haben lässt sich ja trainieren. Als Theaterstil nahm das kleine Ensemble mit dem Bandnamen "Matuschik & Rohrer" einfach die beliebte Moderatorendreistigkeit. Diese extrem naheliegende Lösung konnten vielleicht nicht alle Zuschauer in Würzburg gleich nachvollziehen, weshalb Rohrer und Matuschik anfangs als Figuren nicht ganz greifbar waren.

Nun suggeriert mehrminütiges Dranbleiben an einem Thema leicht, dass sich der Sprecher ernsthaft damit befasst hat, dass es ihm wichtig ist. Irrtum! Die Länge kann auch bloß eine dramaturgische Funktion haben; es geht um die Form und um die Aufmerksamkeitsökonomie, weniger um den Inhalt. Solche Grenzen verwischten bei den Radioleuten allerdings. Nicht so schlimm, möchte man nach der eingangs aufgestellten These sagen; auf Ironie oder Überzeugung kommt es ja nicht an.
 

Fotoserie

Botschaft oder Witz? Unklarheit schafft Beliebigkeit

Das stimmt wohl, darauf an kommt es nicht für den Erkenntnisgewinn, den der Zuschauer aus einem Kabarett ziehen kann. Aber für die Figuren! Wenn immer wieder ungewiss bleibt, ob die Rollen oder die DarstellerInnen Rohrer und Matuschik eine Aussage als Botschaft oder als Witz verstanden haben wollen – dann haftet ihrem Programm "Wir müssen reden" eine gewisse Beliebigkeit an.

Die österreichische Poetry-Slammerin und Kabarettistin Lisa Eckhart trat mit ihrem Programm 'Die Vorteile des Lasters' im Würzburger 'Bockshorn' auf.
Foto: Patty Varasano | Die österreichische Poetry-Slammerin und Kabarettistin Lisa Eckhart trat mit ihrem Programm "Die Vorteile des Lasters" im Würzburger "Bockshorn" auf.

Die beliebten Gegenwartsthemen der Münchner griff auch Lisa Eckhart am Folgetag auf: politische Korrektheit und sprachliches wie toilettenbauliches Gendern, Veganer. Wer dagegen anstichelt, gerät nun leicht in den Verdacht des Konservatismus, den Matuschik und Rohrer mit einer ausdrücklichen Verwahrung gegen die AfD zerstreuen zu können glaubten. Die Österreicherin Eckhart erledigte dieselbe Aufgabe in verzwickter Selbstironie mit ihrer Bitte an Deutsche, sie sollten die extrem Rechten nicht Nazis nennen, denn was habe dieses Dreckspack mit ihrem Großvater zu tun?!

Ähnliches geschah am Samstag öfter: drei Perspektivwechsel in zehn Sekunden. Immer klar, was gemeint war, nie, ob die Privatfrau Eckhart nun hinter einzelnen Sätzen "dahinter stand". Das war aber auch egal, weil sie als Persönlichkeit – trotz des unglaublichen Schillerns ihrer ästhetisierten Bühnenfigur – schlicht überzeugte: Die war eine von den Guten. Auch wenn sie ihr hingegebenes Publikum entließ: "Machen Sie die Welt zu einem besseren Ort, indem Sie selbst etwas schlechter werden."

Anregendes von Lisa Eckhart - und eine große Nachfrage

Die Finalpointe bezog sich auf eine Art behaupteten Roten Faden. Eckhart hatte den Abend in Kapitel nach den sieben Todsünden eingeteilt. Das war freilich ein äußerst lockerer Faden. Lisa Eckhart nahm sich die Freiheit zu rasenden Themenwechseln, ständigen Neuansätzen, abgebrochenen Pointen. Sie fiel raus aus dem hochartifiziell stilisierten Vortrag, weckte sekundenlange Zweifel, ob droben auf dem Barhocker nun "die natürliche" Lisa Eckhart saß, und was des Zickzacks mehr war. Dennoch wirkte ihr Programm "Die Vorteile des Lasters" einheitlicher als das "Reden" vom Vortag. Und um einiges anregender.

Wegen der großen Nachfrage tritt Lisa Eckhart am 10. September 2020 in den Mainfrankensälen Veitshöchheim auf. Das Bockshorn hat den Vorverkauf bereits begonnen.

 
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