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SENNFELD
Varieté-Veranstalter Dirk Denzer schafft einmalige Erlebnisse
Einige Künstler des Festivals: der Handstandkünstler Anatoly Zalevsky
Foto: Varietéfestival | Einige Künstler des Festivals: der Handstandkünstler Anatoly Zalevsky
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 27.04.2023 06:25 Uhr

Dirk Denzer macht seit 25 Jahren Varieté – als Bühnenkünstler wie als Regisseur und Veranstalter. Er selbst tritt als Clown, Moderator, Jongleur oder Musiker auf. Mit seiner in Schwebheim (Lkr. Schweinfurt) ansässigen Firma Dirk Denzer Performing Arts veranstaltet er Shows in unterschiedlichstem Rahmen, vom Firmenevent bis hin zum Internationalen Varietéfestival, das 2004 zum ersten Mal stattfand. Von 3. bis 13. Mai steigt nun die sechste Ausgabe. Ein Gespräch über analoge Körperkunst in digitalen Zeiten und die Neugier des Publikums auf Erlebnisse, die nicht auf einen kleinen, flachen Bildschirm passen. Diese Neugier ist so groß, dass Denzer angesichts etlicher ausverkaufter Vorstellungen eine Zusatzvorstellung angesetzt hat.

Erstmals lobt das Internationale Varietéfestival einen Nachwuchspreis für unterfränkische Talente aus – gibt es denn überhaupt Varieténachwuchs in der Region?

Dirk Denzer: Genau das wollen wir ja herausfinden. Wir geben den Preis allerdings nicht nur an junge Varietékünstler, sondern an alle Showtalente. An jeden, der etwas kann, das man auf der Bühne zeigen kann.

Was ist da denkbar?

Denzer: Das kann ein Gedichtvortrag sein, ein Flötenvorspiel, schließlich spielt Livemusik im Varieté eine große Rolle. Ich weiß, es gibt in der Region viele Kinderzirkus-Aktivitäten, viele junge Leute können Einrad fahren. Beim Familientag im letzten Festival hat sich jemand gemeldet und wollte auftreten – er könne auf dem Hochrad Flöte spielen. Alles ist denkbar – Breakdance, Poetry Slam, Jonglage, Zauberkunst.

Haben Sie die heimliche Hoffnung, das ganz große Talent zu entdecken, das dann in Monte Carlo oder Las Vegas auftritt?

Denzer: Darum geht es uns gar nicht. Wir wollen vielmehr Kinder und Jugendliche motivieren, ihre Freizeit sinnvoll zu gestalten – allein oder mit anderen Menschen. Und ihnen dann aber auch eine Bühne geben. Wir wollen sie animieren, weg von der Daumen- und Fingergymnastik auf dem Smartphone hin zu einer ganzkörperlichen Betätigung. Das ist das eigentliche Ziel des Nachwuchspreises. Wir haben Preisgelder von 300, 200 und 100 Euro für die jeweiligen Erstplatzierungen in drei Altersgruppen– wenn ich mir vorstelle, dass vielleicht ein Sechsjähriger 300 Euro mitnimmt und noch dazu am Familientag des Festivals vor 1000 Leuten auftreten kann, das ist doch eine super Sache.

Wir funktioniert das Verfahren?

Denzer: Man kann digitale Videos oder Tondateien einschicken – alle Infos stehen auf unserer Homepage www.varietefestival.de. Die Jury bewertet die Einsendungen und lädt die drei Erstplatzierten ein, beim Familientag aufzutreten – natürlich nur, wenn sie wollen. Das Programm des Familientags steht natürlich längst, wir brauchen das nicht, um es vollzukriegen. Es wird eher schwieriger, die Preisträger zu integrieren, aber das kriegen wir dann schon hin.

Die Künstler, die sonst beim Festival auftreten, sind längst über das Stadium des Talents hinaus. Das sind international bekannte und vielfach ausgezeichnete Profis. Wie bringt man die dazu, in einem Zelt in Sennfeld aufzutreten?

Denzer: Das ist oft einfach Glücksache. Wir haben zum Beispiel diesmal die einzige lebende Legende in der Jonglierkunst dabei: Kris Kremo. Der hatt alle großen Shows weltweit gespielt und war in allen großen Zirkussen zu Gast. Der war schon in den 50er Jahren beim Circus Krone.

Wie alt ist der denn?

Denzer: Er verrät natürlich sein Alter nicht, ich schätze mal, über 65. Aber er ist immer noch grandios, ich habe ihn letztes Jahr im Tigerpalast gesehen: hammermäßig. Es ist ein totaler Glücksfall, dass er zu uns kommt. Ich bin schon länger mit ihm in Kontakt und hatte ihn jetzt nochmal angeschrieben. Er ist derzeit im GOP Varieté-Theater Bonn engagiert und hat am Montag spielfrei. Manche ruhen sich an so einem Tag aus, wenn sie sechs Tage die Woche auftreten, aber er hatte von dem Festival schon öfter gehört und hat gesagt, er kommt. Normalerweise könnten wir uns den gar nicht leisten.

Das heißt, Sie profitieren inzwischen auch von einem gewissen Ruf in der Branche?

Denzer: Ich glaube, dass das Internationale Varietéfestival Sennfeld/Schweinfurt inzwischen bekannter ist, als wir das eigentlich ahnen. Ich sehe das an den täglichen E-Mails von Künstlern aus der ganzen Welt.

Das heißt, die Künstler bewerben sich ihrerseits?

Denzer: Ja, die schicken Youtube-Links. Es gibt für diese Kunstform kaum Festivals und auch sonst ganz wenige Auftrittsorte. Und noch viel weniger, die von den Künstlern so positiv bewertet werden wie unser Zelt – von der Bühne, vom Design, von der Videowand, von der Backstage-Atmosphäre her, die wir kreieren.

Grob vereinfacht könnte man vielleicht sagen, es gibt im Varieté drei Richtungen: Komik, Magie, Akrobatik...

Denzer: Da muss ich widersprechen. Wir haben viel, viel mehr. Wir haben Seifenblasenkunst, Schattenspiel, Bewegungskünste weit weg von der Akrobatik, Modern Dance, wir haben die ganzen neuen urbanen Darbietungen. Ich habe kürzlich eine Show gesehen, die machen nur Street Art, vom Skateboard bis zum Hip-Hop-Dance. Grundsätzlich stimmt die Einteilung in drei Kategorien schon, aber es ist natürlich viel breiter.

Wie stellt man so ein Programm zusammen – die Menschen wollen lachen, staunen, rätseln und gespannt sein. Und das alles am besten am selben Abend.

Denzer: Zunächst mal greife ich auf langjährige Erfahrung zurück, das ist immerhin schon das sechste Festival. Außerdem machen wir ja auch sonst ständig Varietéshows. Es ist eher eine Gefühlssache, das hat viel mit Intuition zu tun. Vielleicht wie beim Malen: Da ist eine leere Leinwand, da setzt du halt einen Strich drauf und gibst den ersten Impuls, und dann kommst du in einen Flow. Die Programme arbeiten das ganze Jahr schon im Kopf und setzen sich dann zusammen – das passiert dann meistens nachts. Die neue Show „Spirit Dreams“ arbeitet bei mir schon drei Jahre – auf Spaziergängen, in der Natur. Der eigentliche Ablaufplan entsteht dann meistens in fünf Minuten.

Gibt es dabei Grundregeln?

Denzer: Jede Show lebt von der Dramaturgie – welche Nummer wann? Das ist genau wie in der Musik: welches Instrument wann, welches Solo wann? Das ist dann keine rationale Überlegung, sondern eine atmosphärische und eine emotionale.

Nun hat sich seit der ersten Ausgabe 2004 technisch viel getan. Das Smartphone spielte damals noch nicht diese Rolle, heute hat jeder immer seine Bilder und Videos bei sich. Schlägt sich das auch im Varieté nieder? Gibt es Trends oder Moden?

Denzer: Diesem Trend der neuen Medien haben wir im letzten Festival mit einer Show Rechnung getragen. Da hatten wir einen Multimedia-Art-Performer aus Las Vegas eingeladen, der dazu noch ganz schön unser Budget belastet hat. Wir waren im Team alle vom Video total begeistert und dann auch von der Show. Aber das Publikum eigentlich gar nicht. Tags zuvor hatten wir einen Hutjongleur, der hat acht Minuten Jonglage gemacht, ohne Musik, ohne alles – da hat das Zelt deutlich mehr abgerockt als bei diesem Multimedia-Art-Performer, von dem wir uns alle so viel erhofft hatten. Ansonsten glaube ich, dass wir mit „Spirit Dreams“ vor dem Trend liegen: Eine Show mit spirituellen Botschaften, so was gab's im Varieté überhaupt noch nicht.

Ich höre heraus, dass Varieté somit eher zum Gegengewicht einer technisierten, digitalisierten Welt wird.

Denzer: Ja, genau deswegen kommen die Leute auch zu uns. Deshalb waren die Hauptshows auch so schnell ausverkauft. Weil wir ein Erlebnis bieten, das in der digitalen Welt nicht möglich ist.

Das Festival im Überblick

Das 6. Internationale Varietéfestival findet vom 3. bis 13. Mai im Zelt auf der Freizeitanlage Sennfeld (Lkr. Schweinfurt) statt. Es werden 150 Künstler aus aller Welt und allen Bereichen der Varietékunst erwartet: Magie, Comedy, Jonglage, Artistik, Musik, Akrobatik. Sie bestreiten unter der Regie von Dirk Denzer folgende Programme: Varieté Traumreisen – eine Varietéreise rund um die Welt, Do., 3., Fr. 4., Sa., 5. Mai, 20 Uhr Familientag mit Erlebnisvarieté – ab 14 Uhr Programm rund um das Festivalzelt (nicht bei Regen). Anschließend Varietéshow im Zelt um 16 Uhr (Einlass 15.30 Uhr)

Magische Momente – ein Programm mit artistischen, akrobatischen und magischen Elementen. Mo., 7. Mai, 20 Uhr

WOW!!! – Comedy und Artistik. Mit dem Comedian Housch ma Housch und den in Monte Carlo mit Gold ausgezeichneten Künstlern Anatoly Zalevsky (Handstandakrobat), Duo Abakarova and Sychev (Luftartistik), das Jonglage Duo Strahlemann und Söhne und die Luftartistin Katerina Abakarova. Di., 8., und Mi., 9. Mai Spirit Dreams – spirituelle Elemente kombiniert mit Artistik, Balance- und Performancekunst, Stelzentheater, Luftakrobatik, Magie und Livemusik. Do., 10., und Fr. 11. Mai Abschlussgala – die Highlights des Festivals in einer Show vereint. Sa., 12. Mai, 20 Uhr. Zusatzvorstellung der Abschlussgala So., 13. Mai, 15 Uhr

Nachwuchspreis Das Varietéfestival lobt erstmals in Kooperation mit dem Bezirk Unterfranken einen Nachwuchspreis für Show- und Varietétalente im Alter von 3 bis 16 Jahren aus, in den Altersgruppen 3-8 Jahre, 9-12 Jahre und 13-16 Jahre. Die ersten drei Plätze erhalten jeweils 300, 200 beziehungsweise 100 Euro Preisgeld und einen Kurzauftritt beim Familientag. Bewerbung mit Tonaufnahme oder digitalem Video oder Youtube-Link bis 15. April: nachwuchspreis@varietefestival.de

Weitere Informationen zu Festival und Wettbewerb unter www.varietefestival.de Eintrittskarten unter www.mainticket.de oder Tel. (09 31) 60 01 60 00

Linda Sanders
Foto: Varietéfestival | Linda Sanders
Christof Engels
Foto: Varietéfestival | Christof Engels
 
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