„Wenn Musik der Liebe Nahrung ist, spielt weiter!“ Das vielleicht bekannteste Zitat aus Shakespeares „Was ihr wollt“ und im Grunde so etwas wie eine Anleitung zum Theatermachen. Anders gesagt: Theater kann und soll auch unterhalten. Mehrmals formuliert Intendant Markus Trabusch diesen Anspruch bei der Vorstellung des Spielplans des Mainfranken Theaters für die Spielzeit 2017/2018.
Jedenfalls mangelt es nicht an Hits des Repertoires: „Barbier von Sevilla“, „Cosi fan tutte“, „Csárdásfürstin“, „Der Brandner Kaspar und das ewig' Leben“, „Draußen vor der Tür“, „Woyzeck“, „Pinocchio“, „Cinderella“, „Sacre du Printemps“ und eben „Was ihr wollt“, das die Spielzeit am 1. Oktober eröffnet. Das Motto, der rote Faden der Saison, lautet freilich nicht „Unterhaltung“, sondern „Aufbrüche, Umbrüche, Revolutionen“.
Die Zahlenkombination 17/18 gibt das Thema im Grunde vor
Was wiederum die Zahlenkombination 17/18 beinahe unausweichlich vorgibt: 100 Jahre nach Ende des Großen Krieges, der nur so lange so hieß, bis ein noch größerer Krieg kam, liegt das Thema nahe. In der Kunst allerdings sind die Umbrüche vielfältig und allgegenwärtig, was wiederum bedeutet, dass der Spielplan sich nicht zeitgebunden um das Ende des Ersten Weltkriegs dreht.
Beispiel „Was ihr wollt“: Das Stück spielt in dieser eigenartigen Zwischenzeit „zwischen den Jahren“ (ein anderer Titel lautet „Dreikönigsabend“), die Personen wissen mitunter selbst nicht, wer sie eigentlich sind, und zum Schluss ist für alle alles anders, als es vorher war.
Es geht um geschichtliche, politische, soziale Umbrüche in der Außenwelt, gespiegelt in Oper, Schauspiel, Ballett oder Sinfonik, und es geht um Umbrüche in den Stücken selbst, in Handlungen, Entstehungsprozessen, Stilmitteln oder Künstlerbiografien. Mozarts „Cosi“ etwa entstand 1789 – noch so eine unausweichliche Jahreszahl. Das Stück selbst ist das vielleicht privateste und zeitloseste: „organisierter Partnertausch auf der Basis einer unmoralischen Wette“, so Trabusch.
Rossinis „Barbier“ wiederum fällt in die Zeit der Restauration nach Napoleon – das Bürgertum begehrt auf gegen die alten Feudalprivilegien.
Verdi machte äußerst pingelige Regievorgaben
Nach Meyerbeers „Hugenotten“ schreibt Operndirektor Berthold Warnecke mit Giuseppe Verdis „Die sizilianische Vesper“ die Reihe „Grand Opéra“ fort. Die erste Arbeit für Paris steht auch für einen Umbruch in Verdis Schaffen. Erstmals legt er ein detailliertes Regiebuch bei – mit Vorgaben so „pingelig“ (Warnecke), wie man sie seither nur von Lloyd Webber kenne.
Diese haben freilich heute eher historischen Wert, der junge amerikanische Regisseur Matthew Ferraro wird sich wohl kaum daran halten. Mehrfach inszenieren Regisseurinnen und Regisseure aus der laufenden Spielzeit auch in der kommenden: Sigrid Herzog („Entführung“) macht den Shakespeare, Martin Kindervater, dessen „Warten auf die Barbaren“ am 11. Mai Premiere hat, führt bei „Woyzek“ Regie.
Dirk Diekmann, dessen „Terror“ 17/18 wieder aufgenommen wird, übernimmt „Draußen vor der Tür“ und Ramin Anaraki („Antigone“) den „Pinocchio“, der sich als „möglichst aufwendige Produktion“ (Trabusch) an das junge Publikum richtet.
Eine fiktive Begegnung zwischen Susan Sontag und Leni Riefenstahl
Das „Hugenotten“-Team Tomo Sugao (Regie), Julia Katharina Berndt (Bühne) und Pascal Seibicke (Kostüme) gestaltet „Nixon in China“, eine 1987 uraufgeführte Oper von John Adams, einem der Vordenker der Minimal Music.
Nach dreijähriger Abstinenz inszeniert auch der Intendant wieder Musiktheater: Markus Trabusch („Nathan der Weise“) führt Regie beim „Barbier“. Für den sinfonischen Spielplan nennt Generalmusikdirektor Enrico Calesso zwei Beispiele des Umbruchs: Brahms' vierte und Mahlers fünfte Sinfonien als Vorreiterinnen der Wiener Schule. Auch interessant: „Der Blick zurück in kritischen Zeiten“, wie Calesso sagt. Etwa mit Weberns Bearbeitung einer Fuge aus Bachs „Musikalischem Opfer“ oder Regers Mozartvariationen.
(Zeit-)Geschichtliches kommt mit Stijn Devillés „Riefenstahl und Rosenblatt sind tot“ zum Tragen, einer fiktiven Begegnung zwischen Leni Riefenstahl und Susan Sontag.
Die Legende von den Toten unter dem Kaisergärtlein
Oder mit „Magnolienzeit“. Das Stück wird sich mit den Mitteln des Theaters mit der Legende auseinandersetzen, dass unter dem Würzburger Kaisergärtlein die Toten ruhen, die nach dem verheerenden Luftangriff des 16. März 1945 nicht identifiziert werden konnten.
Erstmals wird es zwei Ballettproduktionen von Anna Vita im Großen Haus mit voller Orchesterbegleitung geben: einen Abend mit Bartóks „Herzog Blaubarts Burg“ und Strawinskys „Sacre“, eines der Schlüsselwerke der Moderne, und einen Abend mit Prokofjews „Cinderella“, entstanden mitten im Zweiten Weltkrieg als Vision eines Siegs des Guten.
Zwei neue Sängerinnen aus Gera und München
Während in den Ensembles von Schauspiel und Ballett weitgehend Ruhe eingekehrt ist, gibt es zwei neue Namen im Musiktheater: Die Sopranistin Akiho Tsujii kommt aus Gera, die Mezzosopranistin Marzia Marzo vom Opernstudio der Staatsoper in München. Nicht mehr dem Ensemble angehören wird die Sopranistin Anja Gutgesell.
Die Spielzeitbroschüren 17/18 gibt es im Foyer, an der Kasse des Mainfranken Theaters und im Internet unter www.theaterwuerzburg.de
Vorverkaufsbeginn für die kommende Saison ist der 1. Juli.