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WÜRZBURG
Uwe Timm bekennt sich zu Sehnsucht nach einer Insel im Wattenmeer
Uwe Timm
Foto: dpa | Uwe Timm
Von unserer Mitarbeiterin Ursula Düring
 |  aktualisiert: 23.10.2013 16:10 Uhr

Es ist das rätselhafte Begehren, das Menschen überfällt und alles in Unordnung bringt. Das bisherige Welten auf den Kopf stellt. Uwe Timm sitzt im ausverkauften Lesecafé der Würzburger Stadtbücherei, vor sich seinen neuesten Roman, „Vogelweide“. Schon vor der Lesung im Rahmen des Literaturherbstes klingt seine Referenz an mittelalterliche Literatur, an Walther von der Vogelweide und Wolfram von Eschenbach – Timms Hauptfigur heißt Eschenbach – an. Aber auch an Goethes „Wahlverwandtschaften“, in denen Menschen das Abenteuer einer „analogen“ Begegnung bewältigen müssen, sich nicht hinter der Anonymität einer Partnerschaftsbörse verstecken können.

Uwe Timm wertet die unterschiedlichen Begegnungsmöglichkeiten nicht. Er beobachtet und erzählt. Seit vierzig Jahren hat der gelernte Kürschner seine Lust daran nicht verloren, ist als freier Schriftsteller erfolgreich. Auch an diesem Abend fesselt er sein Publikum mit einer Geschichte, die unerwarteten Wendungen des Lebens nachspürt.

Uwe Timm, randlose Brille mit roten Bügeln, helles Hemd, helle Hose, sehr kurze, in die Stirn gezogene graue Haare, liest, als entstünden seine Gedanken gerade in diesem Moment. Ohne Hast, langsam, beinahe nachdenklich artikuliert der gebürtige Hamburger. Er stellt Eschenbach vor, der nach dem Bankrott seiner Software-Firma als Vogelwart auf einer kleinen, sandigen Insel im Wattenmeer gelandet ist. Der einen Anruf von Anna bekommt, der Frau, die an der radikalen Änderung seines Lebens beteiligt ist. Der Blick des Autors taucht unbeirrt in die Buchseiten. Sieht man vom leisen Räuspern und vorsichtigen Hustern der Zuhörer ab, ist es mucksmäuschenstill.

Beinahe unbeweglich, meditativ liest Timm die Anfangsseiten, zeichnet präzise ein Bild der Gewohnheiten Eschenbachs. Bevor er nach einer zweiten Textstelle sucht, wirft er einen kurzen Blick ins Publikum. Er blättert hin und her, bis er die Szene gefunden hat, in der Eschenbach gemeinsam mit seiner Freundin Selma Anna und deren Mann kennenlernt. Eine Liebesgeschichte bahnt sich an, keine Affäre. Timms angenehme, männliche Stimme füllt den Raum, über dem beinahe spürbar die Spannung liegt. Bis ein Handy laut und störend in die Stimmung einbricht.

Uwe Timm zeigt sich als humorvoller Gast, lässt sich durch das sich wiederholende Klingeln nicht aus der Ruhe bringen, liest die dritte Textstelle beinahe locker, doch nicht weniger eindrucksvoll. Im kurzen Publikumsgespräch nach der Lesung betont Timm sein Interesse an der Beobachtung menschlicher Beziehungen und bekennt sich zu einer Sehnsucht nach der Stimmung jener sandigen Insel in seinem Roman, obwohl er seit Jahrzehnten gern und überzeugt in München lebt.

 
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