Jahresenden sind stressige Zeiten für politische Kabarettisten. Zumindest für jene, die sich des Rückblicks verschrieben haben und Bilanz ziehen von dem, was zwölf Monate lang war. Sie müssen früh genug anfangen mit ihrer Jahresverabschiedung, haltbar bis weit in den Januar hinein soll der Rückblick auch sein – aber halt doch auch aktuell. Und gerade aktuell gib's ja politisch viel zu sagen, zu deuten, zu analysieren . . . Aber ob das dann noch Anfang 2018 gilt? Oder nächste Woche?
Da kommt sicher noch was
Wetten, dass „Tilt!“, der traditionelle Rückblick von Urban Priol, am 10. Januar in Veitshöchheim etwas anders sein wird als am Mittwoch – ganz frisch! – bei der längst ausverkauften Vorpremiere im Würzburger Bockshorn? Und dass Priol bei seinem „Tschüssikowski 2017“ im ZDF am 20. Dezember auch Dinge ansprechen wird und muss, von denen selbst ein beschlagener Politanalyst, langgedienter Absurditäten-Entlarver und ausdauernder Hochgeschwindigkeitslogiker noch nichts ahnt.
Aber manches schwant ihm. Dass es um den plötzlichen Rückkehrer des Jahres, den „Blender-Baron“, den „Ex-Geölten“, der bei der CSU im Wahlkampf die Zelte und Marktplätze füllte, in jüngster Zeit wieder verdächtig ruhig wurde . . . Nein, „man sollte noch keine Vermisstenanzeige aufgeben“, sagt Priol über Karl Theodor, den Geläuterten. Und malt sich aus, wie Horst Seehofer den als Trumpf nächste Woche wie einen Springteufel aus der Tasche zieht . . .
Schlüssig wie die Händeraute
Aber, Rückblick mit längerer Haltbarkeit, was wird bleiben von 2017? In der Jahresbilanz des Aschaffenburger Marathonredners tauchen auf: Merkel, Merkel, Merkel und noch mal Merkel, außerdem Angie, Uns-Angela, „ein unbeugsames Es, das nicht aufhört, der Realität Widerstand zu leisten“, eine Frau „mit der Verdrängungsleistung eines Hochseetankers“ und Lady Pattex. Für die selbst Punk Campino – der Kabarettist ist aufs Mark erschüttert – warb. Es war eben kein Fußball-WM-, sondern ein Wahljahr.
Und gleich ob Maut, Trump, G20-Desaster, Dieselskandal, Kohl, Klimawandel, Brexit und Air Berlin: Bei Priol läuft am Ende doch alles so schlüssig gefügt wie ihre Händeraute bei der Frau zusammen, von der es seit zwölf Jahren heißt, sie ist sehr geschickt. „Aber keiner weiß genau von wem.“ Immerhin kennt die Republik nun das Geheimnis, wie die Kanzlerin ihre Kartoffelsuppe zubereitet. Alles stampfen, bis nur noch kleine Stücke übrig sind. „So geht es auch dem Koalitionspartner.“
Nach drei Stunden Erklärung des Unfassbaren, Bizarren und Abstrusen schlägt Urban Priol die Kladde zu. Und stellt die übrigbleibende Frage, die sicher an Silvester noch nicht beantwortet ist: „Wenn der Weg das Ziel ist, wie viel Maut wird er uns kosten?“