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WÜRZBURG
Ungewohnte Töne aus der Vergangenheit
Eine herkömmliche Gitarre – in heutiger Zeit ausreichend, um Werke in herkömmlicher Stimmung zu interpretieren. Doch in der Renaissance und im Barock war eine Vielzahl anderer Stimmungen gebräuchlich. Diese wurden nun an der Summer School der Würzburger Musikhochschule mit Hilfe eines neuartigen Instruments erforscht, der mikrotonalen Gitarre.
Foto: Rebecca Suta | Eine herkömmliche Gitarre – in heutiger Zeit ausreichend, um Werke in herkömmlicher Stimmung zu interpretieren. Doch in der Renaissance und im Barock war eine Vielzahl anderer Stimmungen gebräuchlich.
Elke Tober-Vogt
 |  aktualisiert: 27.04.2023 04:47 Uhr

Das Ergebnis eines außergewöhnlichen Projekts gab es im Museum für Franken auf der Festung Marienberg zu hören: Im Rahmen der dritten Summer School der Hochschule für Musik Würzburg hatte sich, dem diesjährigen Motto „GuitarPlus Microtonal“ entsprechend, eine international zusammengesetzte Gitarrenklasse mit historischen Stimmungen beschäftigt. Erarbeitet worden war ein Programm mit Liedern und Gitarrenmusik aus Renaissance und Barock.

Jürgen Ruck, Professor für Gitarre an der Hochschule, verfolgt mit dieser Reihe an Konzerten, Vorträgen und Seminaren eine akademische Zielsetzung mit Forschungsanspruch. Im Teilnehmerfeld – knapp 50 Gitarristen, Komponisten und Musikwissenschaftler – finden sich Dozenten aus der Türkei, Finnland, Dänemark, Spanien, der Schweiz und natürlich Deutschland ebenso wie das Hezarfen Ensemble Istanbul und internationale Studenten.

Nach seinem mehrtägigen Workshop erläuterte Johannes Keller von der Schola Cantorum Basiliensis die historischen Stimmungen, in denen Werke von Milano, Mudarra, Weiss, Bach, Narváez, Dowland und anderen erklangen.

Bis zur Entwicklung der Temperierten Stimmung, die alle zwölf Töne in genau gleiche Abstände einteilt, gab es verschiedene Stimmungen, die teilweise auf die zu spielenden Kompositionen abgestimmt waren und es erlaubten, bestimmte Intervalle nach ihrer harmonischen Funktion einzusetzen. So wurde etwa ein Fis als Leitton minimal höher gespielt als ein Fis an anderer Stelle – man spricht in diesem Fall von Mikrotonalität.

Mit immer komplexerer Harmonik etwa ab dem Spätbarock waren die alten Stimmungen nicht mehr praktikabel und gerieten in Vergessenheit. Die Studenten der Summer School konnten nun speziell für die Mikrotonalität angefertigte Instrumente mit in sich millimetergenau verschiebbaren Bünden einsetzen, um die alten Stimmungen wieder hörbar zu machen.

Optisch verändert sich so ein Bundstäbchen auf der Gitarre dann in eine Zickzacklinie, oder das Griffbrett wird zu einem unübersichtlich bebundeten Durcheinander, was dem Ausführenden die Griffgenauigkeit erheblich erschwert.

Die Mitteltönige Stimmung, die auf reinen Quinten basierende Pythagoreische Stimmung, die „Tempérament ordinaire“-Stimmung nach Rousseau, eine Barockgitarre in gleichstufig temperierter Stimmung – all das galt es nachzuvollziehen.

Das Publikum muss sich allerdings von der heutigen, an die genau gleiche Einteilung in zwölf Halbtöne gewöhnte Hörästhetik freimachen und einlassen auf ungewohnte, differenzierte, mitunter regelrecht verstimmt klingende Klangerlebnisse einer vergangenen Welt. So erhielten die Hörer eine Idee von der ursprünglichen Komposition – die Studenten gestalteten einen lehrreichen und doch stimmungsvollen Abend der leisen Töne auf hohem Niveau, wofür es reichlich Applaus gab.

Weitere Konzerte am 14., 15., 18. und 19. August. Informationen: www.hfm-wuerzburg.de

 
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