Zuerst sollte das Gefängnis Sainte-Anne in Avignon in ein Spitzenhotel umgewandelt werden. Jetzt sind in den Zellen der unter Denkmalschutz stehenden ehemaligen Strafanstalt mitten im historischen Zentrum der Stadt über 250 Werke von mehr als 100 Künstlern ausgestellt. So ungewöhnlich der Ort der bis zum 25. November dauernden Ausstellung ist, so ungewöhnlich ist auch der Titel: „Das Verschwinden der Glühwürmchen“ (Original: La disparition des lucioles).
Er verweist auf einen Text von Pier Paolo Pasolini, den der italienische Filmregisseur, Dichter und Publizist wenige Monate vor seinem Tod im November 1975 geschrieben hat. Pasolini spielt in dem Artikel auf den Niedergang der sozialen und politischen Strukturen der italienischen Gesellschaft der sechziger und siebziger Jahre an. Und so stehen Tod, Verschwinden und Einsamkeit im Mittelpunkt der Werkschau, die an kaum einem besseren Ort hätte präsentiert werden können. Das Gefängnis unmittelbar hinter dem Papstpalast steht seit 2003 leer und ist baulich nahezu unverändert geblieben: lange Gänge, die von grellem Neonlicht erleuchtet werden, und Zellen, in denen die Häftlinge ihre Spuren hinterlassen haben. Neben unzähligen Graffiti hängen Pin-ups an den schmuddeligen Wänden.
Die Gemäuer beeindrucken zunächst mehr als die Exponate. Nach der zehnten Zelle hat sich der Blick an die fremde Umwelt gewöhnt. „Dieser Ort verleiht den Werken eine erstaunliche und unerwartete Ausdruckskraft“, erklärte ric Mézil, Kurator der Ausstellung. A wie Ai Weiwei, B wie Jean-Michel Basquiat, C wie Chen Zhen oder K wie Anselm Kiefer: Die Liste der ausgestellten Künstler liest sich wie ein ABC der internationalen Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts.