Als Udo Jürgens sein „biologisches Alter“ mit „ungefähr 50“ angab, war er 70. Nun hat der Entertainer mit einigen hochaktuellen Songs sein 53. Album eingespielt – mit fast 80. Es heißt „Mitten im Leben“, und es soll nicht sein letztes sein. „Dass ich dieses Album schreiben konnte, in diesem Alter, das erfüllt mich mit einer unheimlichen Hoffnung für die nächste Zeit meines Lebens“, sagt der österreichische Chansonnier.
Man hört und staunt: eine Stimme, die so fest entschlossen, so energiegeladen, manchmal gar scharf klingt wie einst in „Aber bitte mit Sahne“ oder „Ein ehrenwertes Haus“. Fast ein halbes Jahrhundert nach seinem Sieg beim Eurovision Song Contest mit „Merci Cherie“ sagt Jürgens selbstbewusst: „Vom Gesang her habe ich nicht das kleinste bisschen eingebüßt. Im Gegenteil: Ich singe wesentlich entspannter als früher.“ Er sei heute gar schneller als einst: Das ganze neue Album habe er in nur ein paar Stunden eingesungen.
Internet-Lausch-Kritik
Nicht nur wie, sondern auch mit dem, was er singt, ist er sich und seinen Fans treu geblieben: Einmal mehr erweist Jürgens sich als der große Geschichtenerzähler, der mit offenen Augen durch die Welt geht und der Gesellschaft – mal ernst, mal humorvoll – den Spiegel vorhält. Hoch aktuell ist seine Internet-Lausch-Kritik „Der gläserne Mensch“: „Du hast deine Mails noch nicht verschickt, da lesen sie andere schon . . . wir werden voll überwacht, BND, NSA – wir alle stehen unter Generalverdacht.“
Auf mehr als 130 Millionen Euro wird das Vermögen geschätzt, das der unweit von Zürich in einer Villa lebende Musiker mit mehr als 700 Kompositionen und weit mehr als 100 Millionen verkaufter Platten verdiente. Der materielle Erfolg hat ihm jedoch keineswegs den Blick für skrupellose Gebaren in der Finanzbranche verstellt: „Mit Reis und Mais zu pokern, ist diesen Kreisen täglich Brot“, heißt es im Song „Die riesengroße Gier“. „Die Menschen hungern, und die Börse hungert nach dem Höchstgebot.“ Wie kaum ein anderer hat es Jürgens stets – und auch diesmal wieder – geschafft, ernste Themen unterhaltsam anzugehen und zugleich mit eingängigen Melodien und Rhythmen darzubieten.
So mancher der neuen Songs hat Hitpotenzial, etwa die ironische Abrechnung mit dem sogenannten starken Geschlecht im Starter „Der Mann ist das Problem“. Ein ganz großer Wurf wie einst „Griechischer Wein“ ist eher nicht dabei, aber hörens- und nachdenkenswert sind die zwölf Titel des neuen Albums allemal und immer wieder.
Und was will er, der bald Achtzigjährige, in seinem Leben noch erreichen? Eine Antwort gibt er im Song „Mein Ziel“: „Ich reiß' sicher keine Bäume mehr aus, doch ich will und werde noch welche pflanzen. Mein Ziel ist, immer noch ein Ziel zu haben und endlos weit über Grenzen zu gehen.“ Gut drei Wochen nach seinem 80. Geburtstag am 30. September startet der Entertainer in Heilbronn mit dem Orchester Pepe Lienhard zu seiner 25. Konzerttournee durch das deutschsprachige Europa.