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Turiner Grabtuch in Franken
Rätselhafte Gerüchte: Es kursieren noch immer fantastische Geschichten, dass das Turiner Grabtuch einst in Franken und Tauberfranken aufbewahrt wurde – in Burgerroth, in Oberwittighausen, in Standorf.
Christine Jeske
 |  aktualisiert: 26.04.2023 23:33 Uhr

Wer das berühmteste Leinentuch der Welt sehen möchte, blickt momentan nach Norditalien. Im Dom von Turin wird wieder einmal das in der katholischen Kirche als Ikone verehrte, über 4,30 Meter lange und 1,10 Meter breite Stück Stoff ausgestellt, in dem vor fast 2000 Jahren der Legende nach der Leichnam Jesu eingewickelt war.

Seit auf dem Negativ einer Fotografie aus dem Jahr 1898 erstmals verblüffende Details auf dem Tuch erkennbar wurden, geht es nicht mehr nur um den Glauben allein, sondern auch um den wissenschaftlichen Nachweis, ob es sich tatsächlich um das Abbild des Gekreuzigten handelt und wie es entstanden ist. Im Frankenland kommt noch eine weitere Komponente hinzu. Dort kursieren wilde Gerüchte, dass im Mittelalter das Grabtuch in drei kleinen fränkischen Kirchen aufbewahrt worden sei, zum Beispiel in der spätromanischen Kunigundenkapelle außerhalb des zur Stadt Aub gehörenden kleinen Ortes Burgerroth im Landkreis Würzburg.

Kirchenpfleger Manfred Deppisch erzählt die Geschichte mit einem Lächeln. Eine Besucherin habe ihn einst darauf aufmerksam gemacht, dass es im Sockelbereich einen versteckten Hinweis gebe. Zumindest gibt es dort Merkwürdiges zu entdecken: An der südwestlichen Ecke des sagenumwobenen Kirchenbaus, dort, wo die Steine des Sockelgesimses im rechten Winkel aufeinanderstoßen, ist es zu sehen: An der Schmalseite haben die Sockelsteine eine abgeschrägte Deckplatte; an der Längsseite sind sie dagegen profiliert mit Kehle und Wulst.

Die asymmetrische Gestaltung scheint gewollt. An der Nordseite der Kunigundenkapelle endet das umlaufende Profil abrupt, und es taucht die abgeschrägte Deckplatte wieder auf. Den Übergang markiert ein steinerner Knoten: Es ist das verschlungene Ende des Turiner Grabtuchs, das einst in der Kapelle für kurze Zeit aufbewahrt wurde – so zumindest das Gerücht. Was die Steinmetze tatsächlich im Sinn hatten, ist nicht bekannt. Auch schriftliche Hinweise auf das Grabtuch gibt es keine.

„Das sind Vermutungen der Freunde des Turiner Grabtuchs, ich halte davon nichts.“
Ingrid Seubert Mesnerin in Oberwittighausen

Erbaut wurde die Kunigundenkapelle in der späten Stauferzeit um 1230, vermutlich von Heinrich von Hohenlohe-Brauneck und seinem Sohn Konrad. Er war ein Kreuzritter und soll das Grabtuch im Auftrag des Stauferkaisers Friedrich II. in der Kunigundenkapelle versteckt haben – angeblich vor dem Bischof von Würzburg. Als es dort nicht mehr sicher gewesen sei, habe er es Erzählungen zufolge, die seit langem kursieren und deren Ursprung nebulös ist, in die Ulrichskapelle nach Standorf bei Creglingen transportieren lassen.

Die Ulrichskapelle ist achteckig. Erhalten haben sich in Tauberfranken bis heute drei Oktogonkirchen: neben Standorf die Sigismundkapelle in Oberwittighausen und die Achatiuskapelle in Grünsfeldhausen – letztere wird nicht mit dem Grabtuch in Verbindung gebracht. Alle drei sollen über keltischen Wasserheiligtümern erbaut worden sein. Doch das ist eine eigene Geschichte.

Wie bei der Kunigundenkapelle, gelten Kreuzritter aus dem Landadel als die Bauherren der Achteckkapellen. Als Dank dafür, dass sie unversehrt vom Heiligen Land in ihre Heimat zurückgekehrt waren, hätten sie die Achteckanlagen errichtet. Als Vorbild gilt die Grabeskirche in Jerusalem.

Die Sigismundkapelle in Oberwittighausen wurde wegen des geheimnisvollen Portals einige Zeit als ältestes Oktogon angesehen. Früheste Angaben nennen als Baubeginn die Zeit um 1150. Allgemein wird die Entstehungszeit jedoch eher um 1220/30 vermutet, wie bei den anderen Oktogonen auch. Rätselhafte Wesen zieren das Portal: Drachen, Wellen, ein Wassermann, darüber eine Nixe mit Schuppenkleid, ein Krokodil, Sterne, ein kopfloser Bischof, ein Pilger, ein Löwen-ähnliches Tier mit Menschenkopf und gleich zweimal der Gehörnte. Auch im Inneren gibt es Besonderheiten: Dazu gehört die Grabplatte, die heute aufrecht an der Wand steht. Die in den Stein geritzte Darstellung eines Mannes wirkt wie eine Karikatur. Er trägt eine Kutte mit fast bodenlanger Kapuze – eine sogenannte Gugel.

Der Mund steht seltsam offen, wirkt verzerrt. Ist es ein Mönch? Oder ist es doch – wie das Gerücht besagt – der Tempelritter André de Joinville, der einst das Turiner Grabtuch gestohlen haben und zur Strafe als Einsiedler in der Sigismundkapelle gelebt haben soll? „Das sind Vermutungen der Freunde des Turiner Grabtuchs“, sagt die Mesnerin Ingrid Seubert, „ich halte davon nichts.“

In der evangelischen Ulrichskapelle in Standorf ist es die rechteckige Platte mit Hügel- beziehungsweise Scheibenkreuz, die die Fantasie beflügelt. Sie sei ein typischer Grabstein der Templer. Die Vermutung, dass sich in einem Hohlraum unter dem Hügelkreuz beziehungsweise unter der Kapelle das Turiner Grabtuch befunden haben soll, verärgerte Pfarrer Thomas Burk bereits vor Jahren. Sie ist Teil einer noch viel bunteren Geschichte, die einst ein in Standorf ansässiger Hobbyforscher gerne zu Gehör brachte. Sie handelte von heidnischen Kultstätten, heilkräftigen Wassern, germanischen Säulen und vielen Dingen mehr, die halt völlig unorthodox im Raum standen und somit aus der Welt geschafft wurden. Heute ist zwar der Besuch der Ulrichskapelle möglich – Führungen sind untersagt.

Die Geschichte des Grabtuchs und die Kapellen in Franken

In Edessa wird um 400 erstmals die Geschichte von einem Tuch erwähnt, auf dem das Abbild Jesu zu sehen sein soll. König Abgar habe es einst von einem Jünger Jesu erhalten. 525 taucht das „von Gott geschaffene Bild“ in einem Stadttor auf. 944 belagert Kaiser Romanus die Stadt und nimmt es mit nach Konstantinopel. Beim vierten Kreuzzug plündern Franken und Venezianer 1204 Konstantinopel. Graf Othon de la Roche kehrt mit dem erbeuteten Tuch zu seiner Burg Ray-sur-Saone bei Besançon in Frankreich zurück. 1349 verschwindet es auf mysteriöse Weise. 1355 wird das Grabtuch auf der Hochzeit von de la Roches Großnichte Jeanney de Vergy mit Ritter Geoffrey de Cherny erstmals in Lirey bei Troyes gezeigt. 1389 missfällt dem Bischof von Troyes die öffentliche Ausstellung des Grabtuchs in Lirey. Papst Clemens VII. erlaubt jedoch, es weiterhin zu zeigen. 1453 wird das Grabtuch ans Haus Savoyen verkauft und in der Sainte Chapelle in Chambery verwahrt. 1578 wird es in die neue Hauptstadt des Savoyerreiches, nach Turin, überführt.

Quelle: www.Malteser-turinergrabtuch.de

Wer die drei Kapellen im Fränkischen besuchen möchte, die mit dem Grabtuch gerüchteweise in Verbindung gebracht werden, wende sich in Oberwittighausen an Ingrid Seubert, Kapellenberg 13, Tel. (0 93 47) 423; in Burgerroth an Manfred Deppisch, Tel. (0 93 35) 652; in Standorf ans Pfarramt Creglingen, Tel. (0 79 33) 508 oder an Herrn Preininger, (0 79 33) 595. Info im Internet: www.wittighausen.de, www.kunigundenkapelle.de, www.creglingen.de

 
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